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„Eine Stunde halten“ für Anfänger

Meine folgenden Ausführungen sind eine Zusammenfassung dessen, was ich Praktikanten sage. Sie sind unabhängig von jeder didaktischen oder bildungspolitischen Diskussion und entspringen keinem offiziellem Handbuch.

Es geht um die Vorbereitung der ersten Stunden im Praktikum und ich gebe zu, dass ich heutzutage durchaus so Stunden halte, mit noch weniger Vorbereitung und einem quadratischem Postit, auf dem die Seitenzahlen im Buch stehen und drei Impulsfragen.

 

1. Lassen Sie sich ein genaues Thema von Ihrer Betreuungslehrkraft geben – vielleicht ringen Sie ihr gleich eine Art Tafelüberschrift ab. (*unten)

2. Lassen Sie sich das Schulbuch geben oder die Stelle herauskopieren. Erarbeiten Sie das, was die Schüler lernen sollen, erstmal daran.

3. Schauen Sie in ein anderes Schulbuch. Ergänzen Sie Ihre Notizen.

4. Lesen Sie, wenn Sie zufällig fündig werden, einen Artikel einer Fachzeitschrift dazu.

5. Lesen Sie KEINE Handbücher, didaktische Grundsatzabhandlungen oder Ähnliches vor der Durchführung der ersten Stunden. Ihr Studienwissen, ihre Allgemeinbildung und das Schulbuchwissen reichen in der Regel aus. Gehen Sie von dem Stoff aus, der Ihnen vorliegt. Wenn Sie einen Text besprechen wollen, arbeiten Sie ihn durch. Wenn Sie etwas zur Grammatik machen wollen, lernen Sie den Stoff. Wollen Sie eine Literaturepoche durchnehmen, lesen Sie etwas dazu.

6. Zeichnen Sie sich eine Mindmap mit den wesentlichen Inhalten, die Sie erarbeiten wollen. (Dies ist für Sie und Ihre weitere Planung hilfreich als Richtungsanzeiger – kann auch ein Tafelbild sein.)

7. Überlegen Sie, wie Sie die Inhalte in 2-4 Arbeits- oder Lernschritten in der Stunde erarbeiten wollen. Die Bücher können Ihnen hier Aufgaben an die Hand geben.

8. Denken Sie sich für ein oder zwei dieser Handlungsschritte eigene Wege aus, die nicht im Schulbuch stehen. Bleiben Sie dabei einfach und gering aufwändig.

9. Überlegen Sie sich einen Einstieg – schauen Sie wieder ins Schulbuch, dort sind oft Bilder, Zeichnungen, die das Kapitel illustrieren. Wenn Sie diese auf Folie ziehen, könnte das schon ein guter Einstieg sein. Denken Sie nicht ewig und drei Tage über einen Einstieg nach. Im Zweifeslfall sagen Sie: „Heute möchte ich mit euch….besprechen.“

10. Notieren Sie in einer einfachen Tabelle (Artikulationsschema) die einzelnen Unterrichtsschritte. Schreiben Sie Formulierungen für Überleitungen oder Gelenkstellen wörtlich auf, ebenso Ihre Impulsfragen. (Spontan formulierte Aufgabenstellungen oder Impulse enden bei Anfängern oftmals in Schrotschussfragen*1, also: ein Schuss und viele Fragen, im Klartext: der Lehrer formuliert den Arbeitsauftrag; glaubt, dass die Schüler es nicht verstehen, formuliert um; wird unsicher, formuliert wieder neu…usw. am Ende hat der Schüler 7 Fragen und weiß nicht mehr, auf welche er jetzt antworten soll)

11. Notieren Sie keine genauen Uhrzeiten oder sogenannte „erwarteten Schülerantworten“.

12. Seien Sie rechtzeitig vor der Stunde am Klassenzimmer und gehen Sie unverzüglich vor zum Lehrerpult, wenn es frei wird. Suchen Sie Blickkontakt zu den Schülern, lächeln Sie, wenn Sie angelächelt werden, wechseln Sie ein paar Worte mit den Schülern in der ersten Reihe, während sie die Sachen auspacken. Schreiben Sie Ihren Namen an die Tafel, begrüßen Sie die Klasse, wenn sie still ist, und beginnen Sie den Unterricht ohne weitere Verzögerung.

Bedenken Sie bei allem, was ich Ihnen hier an die Hand gebe, dass ich nicht glaube, selbst die Weisheit des Unterrichtens zu besitzen. Ich glaube auch nicht, dass es die eine Art zu Lehren gibt, die man nur lernen muss, um glücklich zu werden oder erfolgreich zu sein. Es gibt grundlegende Dinge, die man beachten sollte, ja, aber der Rest besteht zum Teil aus der Routine, die sie mit der Zeit erwerben werden und zum anderen aus ihrer Persönlichkeit.

Zusätzlich zu Ihrem Fachwissen gibt es Methoden, die ihr Fach bestimmen, die sie beherrschen und lehren sollten.

 

Achten Sie auf einige kleine Dinge in den ersten Stunden:

– lassen Sie sich vorab einen Sitzplan geben und sprechen Sie die Schüler mit Ihren Namen an (grundlegende Regel der Höflichkeit)

– bestätigen Sie richtige Schülerantworten eindeutig, positiv und abwechslungsreich (ein „Hmmmm“ reicht nicht!)

– kennzeichnen Sie ebenso falsche Antworten als falsch

– reden Sie nicht, wenn es in der Klasse unruhig ist – warten Sie stattdessen, bis es ruhig ist

– nehmen Sie Kinder dran aus allen Reihen und von jeder Seite des Klassenzimmers, auch welche, die sich nicht melden (Schicken Sie diejenigen, die dies als Vergewaltigung der Schülerseelen betrachten, zu mir.)

– reden Sie, auch wenn Sie einzelnen Schülern antworten, für die ganze Klasse, vermeiden Sie Zweiergespräche mit den Schülern der ersten Reihe

– nehmen Sie bei Fragen mehrere Schüler dran, auch wenn die „richtige Antwort“ gleich zu Anfang kommt („Peter, wie würdest du das ausdrücken? Ergänze noch etwas. Fasse du das auch noch mal zusammen“)

– formulieren Sie das Tafelbild aus den Antworten der Schüler

– lächeln Sie ab und an mal

 

 

Wenn Sie die Stunde nachbesprechen, fangen Sie selbst an mit dem, was Sie selbst für gut befunden haben. Betreuungslehrer haben nämlich die Angewohnheit nur das zu sehen und zu sagen, was kritikwürdig war.

Ich bin leider auch oft so.

Aber keine Angst: Alles wird gut.

 

 

 

 

*Wenn Sie kein Thema bekommen, nehmen Sie das Blatt zu den Möglichkeiten des Handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts und wählen Sie einen literarischen Text – wählen Sie zusätzlich eine interessante Methode aus (vielleicht nicht gleich was Szenisches, sondern was zum Schnippeln) und schauen, was passiert ;).
*1 Schrotschussfragen definiere ich selbst wie oben – also ein Fragenbündel, das aus einer unsicheren Gesprächsführung heraus entsteht. Ich habe gesehen, dass man diesen Begriff auch anders erklärt, und zwar als Frage, die nur ungefähr in die Richtung des Gewünschten geht und somit den Schüler zu Vermutungen bringen soll.

 

3 Kommentare

  1. Hallo,

    ein sehr guter, aufschlussreicher und durchaus auch amüsant verfasster Artikel, danke dafür! Werde mal „meine“ Referendare und Praktikanten auf dein Blog verweisen.

    Lieben Gruß
    Ms Basement

    • admin

      Es ist aber auch nicht der Artikel meines Blogs, der am wenigsten umstritten ist. 😀 Trotzdem Danke.

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