Bin ich ein medialer Trottel?

Ja, ich bin einer.

Aber von vorn. Mir hat heute jemand, nennen wir ihn der Einfachheit halber mal „Freund“ (keine Ironie), einige meiner Artikel in diesem Blog vor Augen gehalten – man könnte auch sagen, um die Ohren geschlagen.

Leider muss ich sagen, dass er mit einigem Recht hatte. Daher habe ich auch u.a. zwei Artikel gelöscht, alternativ entschärft.

Ich habe vor allem meinen eigenen Grundsatz missachtet, der da lautet, dass man alles sagen darf, aber nicht immer muss.

Ich habe den billigen, provokativen Effekt bevorzugt und damit auch gezeigt, dass ich das Medium hier unterschätze. Einerseits – andrerseits aber auch eine alte Attitüde bemerkt, nämlich die gnadenlose, vielleicht pubertäre Lust an der Provokation.

Und ja, ich will meinen Job behalten. Und nein, ich fange jetzt nicht an zu heulen.

Ich bin sicherlich eine öffentliche Person, kann über eine einfache Google-Suche identifiziert werden (das wusste ich schon vorher), stehe in einer etwas exponierten Stellung an meiner Schule und muss mehr Rechenschaft ablegen über das, was ich von mir gebe.

Medial bin ich also ein Trottel, hoffentlich auf dem Weg der Besserung. Und nein, kein gutes Gefühl, so vorgeführt zu werden.

Medial bin ich ein Trottel, weil ich Dinge gebloggt habe, die mich in Schwierigkeiten bringen können.

Haben andere auch die Angst, dass irgendetwas aus ihrem Blog gegen sie verwendet werden Sinn? Und wenn ja, wie wirkt sich das auf ihr Schreiben aus?

13 Antworten auf „Bin ich ein medialer Trottel?“

  1. An der Stelle interessiert mich, um welche Inhalte es geht, die als problematisch eingestuft wurden.

    Ich bewege mich auch sehr offen im Internet und bin da nicht sehr ängstlich.

  2. First:
    Derjenige von uns, der in seinem Blog, auf Twitter, in Fratzenbuch usw. noch schon einmal etwas Unrühmliches von sich gegeben hat, werfe den ersten Stein.

    Meine Regeln:
    1. Blogge unter deinem Realname (du denkst anders über Dinge nach, bevor du sie veröffentlichst).
    2. Rede nie schlecht über Schülerinnen und Schüler oder Kollegen (es gibt anonyme Blogs über sowas – die werden schon wissen, warum sie anonym bloggen – da kann ich wahrhaftig Paragraphen herunterbeten…)
    3. Markiere deine Kritik an der Kultuspolitik als Meinungsäußerung. Das Recht auf freie Meinung zählt in diesem Land durchaus etwas. Die Grenzen sind für Staatsdiener freilich enger, aber der Anzug lässt sich dennoch bequem tragen, denn
    4. Lass‘ die Kirche im Dorf. Schulleiter, die per Anzeige einen neuen Kultusminister in einer überregionalen Zeitung wegen „Unfähigkeit“ gesucht haben, für die gab es ein Gespräch. Das ist nicht angenehm – aber man wird es überleben. Aber auch ein Eintrag einer Rüge in die Personalakte muss nach Ablauf von wenigen Jahre da wieder raus…
    5. Wie geht man eigentlich mit Kollegen um, die zur Schulzeit nicht den „notwendigen Abstand zu volljährigen Schülerinnen wahren“ und diese hinterher dann ehelichen? (Nicht, dass das vorkommt.) Aus welchen Gründen wird im Allgemeinen strafversetzt? Gibt es da Statistiken zu?
    6. Nimm an, du müsstest deine Artikel vor deinen Kollegen und Schülern öffentlich verlesen. Auch dann schreibst du anders.

    Und:
    Welchen Artikel hast du denn entschärft? Hast du ein Beispiel?

    Gruß,

    Maik

  3. Tach,

    ja, kenne ich – in unterschiedlicher Intensität. Ich denke, dass für das Bloggen und Twittern die Ansätze von Maik eine gute Orientierung geben: Versuche Dich nicht zu verstecken und mach‘ Dir das bewusst.

    Ansonsten denke ich, sollten wir das mal auf einem EduCamp oder zu einem anderen Anlass in Ruhe besprechen. 😉

    Herzliche Grüße (und bloß nicht den Blog an sich in Frage stellen!),

    Felix

  4. Vielen Dank für eure Antworten soweit, ich bin etwas erleichtert.

    Ich muss jetzt grad wieder abwägen, was ich schreibe, damit ich quasi meine Entschärfung und Rücknahme gleich wieder rückgängig mache.

    a) Entschärft oder gelöscht habe ich meine Beiträge, in denen Unterrichtliches mit Gesprächen über Geschlechtsorgane (Penis im Sozialkundeunterricht) verbunden wurden – natürlich anrüchig, zwiespältig und daher angreifbar.

    b) Artikel verändert, indem Bilder heraus genommen wurden, weil auf ihnen Schüler identifizierbar gewesen wären. Hier war ich zugegeben schlampig.

    c) Artikel verändert, wo ich ohne Erlaubnis Teile von Gesprächen wiedergegeben habe, wo der Gesprächspartner identifizierbar gewesen ist und/oder eine dahinter stehende Institution.

    Es ging letztlich um vier Artikel. Und im Generellen kann ich damit etwas anfangen. Im Detail eventuell anderer Meinung.

    Wenn ich Maiks Regeln betrachte – die mir auf Anhieb gut gefallen, dann …überlege ich mir das mit Realnamen, bzw. mit einem deutlichen Hinweis auf den Urheber des Blogs, ähnlich bei ats20, Herrn Rau. Es ist ja nicht so, dass ich vollständig anonym war/bin – jeder, der ein wenig Mühe aufwendet, kann mich finden. Das war auch nie anders gedacht. Ich wollte nur geschützt sein vor einer schnellen und schülerüblichen Recherche. Zu verbergen habe ich nichts.
    Bisher war ich auch jemand, der die Kirche im Dorf lassen wollte und eher über die Social-Media-Hysterie lächelte – und das werde ich auch weiter tun, weil ich immer noch mehr und mehr aus dieser Blog-Geschichte herausziehe. Aber ich will versuchen, vor Veröffentlichung eines Artikels mindestens eine Nacht zu schlafen.

  5. Ich schließe mich Maik an, weitgehend. Klarname hilft (oder das Bewusstsein, dass der Webname quasi nur ein leicht zu entschlüsselndern Spitzname ist). Ärger gibt es weniger, als man denkt, und aus weniger Gründen. Ich habe in meiner ganzen Bloglaufbahn nur einen einzigen wohlmeinenden Anruf mit einem Rat bekommen.

    Aber ich würde auch nicht alle meine Einträge im Lehrerzimmer den Kollegen vorlesen. Auf Wunsch sofort, aber meine Meinung über Homöopathie etwa dränge ich dort keinem auf. Da bin ich beim Schreiben weniger zurückhaltend.

  6. Das ist nun mal der Fluch der Blogs: Mit ihnen steht man irgendwo zwischen privatem Tagebuch und öffentlicher Postille. So fühlt man sich besonders in emotioneller Stimmungslage schnell dazu verleitet, fix eine deftige Meinungsäußerung oder eine knallige Idee rauszubloggen, ohne darüber nachzudenken, wie das auf den unbekannten Leser wirken mag.

    Vielleicht sollten wir auch den immer im Blick haben, denn eigentlich schreibt man doch für den Leser. Und das können, wie Maik unter Punkt 6 schreibt, eben auch Kollegen und Schüler sein.

    Habe übrigens auch einmal von Jochen Englisch für einen Beitrag „den Kopf gewaschen“ bekommen, seitdem nutzte ich ab und an die „Privat“-Funktion von WordPress.

    1. Hm ja, wobei man selbst, also ich, nie davon ausgehen würde, dass das, was ich hier schreibe, in dem engeren Sinn auch wirklich „ICH“ bin. Ja, eher, wie du meinst, eine Momentaufnahme. Aber damit muss man ja nicht gleich rausgehen. In den vergangenen Tagen hab eich weiter gegrübelt und mir ist aufgefallen, dass man als Lehrer quasi ohnehin eine „öffentliche Figur“ ist – mit allen Nachteilen – aber man / ich bin es gewöhnt, dass man mich außerhalb der Schule erkennt und dass das, was ich so im Unterricht sage, auch nach draußen transportiert wird. Daher war das Blog gefühlt nur eine Verlängerung meines Schulsprengels – was es ja nicht ist.
      Grundsätzlich aber halte ich aus vielerlei Gründen für richtig und wichtig, dass Lehrer eine Stimme außerhalb der Klasse und des Schulgebäudes zu Gehör bringen.
      Deine Selbstdarstellung habe ich mir heute mal zu Gemüte geführt – und sie gefällt mir, ebenso wie andere. Ich sollte mich auch eventuell um so etwas bemühen.

    1. Danke für den Hinweis.

      „Eine Gesellschaft, die verzeihen kann.“ Große Worte. Und spontan stimme ich dir zu. Auch in den Ausführungen, dass Lehrer unterschiedlich mit der Nähe zu den Schülern umgehen. Ich dachte früher, dass ich möglichst weit von der Schule entfernt leben will, jetzt ist es der Nachbarort. Und mir fällt oft ein, dass mein Seminarrektor gesagt hat, dass man als Lehrer vor Ort teilhaben soll, sich auch einmischen muss – vor allem auch gegen das schlechte Bild eines Lehrers an-arbeiten soll. Und damit meinte er ausdrücklich auch, dass man seine Meinung einbringen muss.
      Aber bisher, so denke ich eben auch, laufen da draußen eben auch wenige rum, die einem nicht Gutes wollen. Und wenn ich auch offen bin, so möchte ich nicht offen ins offene Messer laufen ;).
      Vorerst nicht.

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