Rückblick auf das Schuljahr I – Zeugnis für den Lehrer

Das „Zeugnis für den Lehrer“ gebe ich als Leerformular nicht jedes Jahr aus. Dieses Jahr aber hat es mich interessiert, weil es ein gefühlt schlechtes Jahr war. Ich war an sehr vielen Punkten zu ausgelaugt, um ordentlich zu arbeiten, zu viele offene Baustellen gehabt. Habe unverhältnismäßig viele Fehler gemacht. War, das passt wohl auch in die Reihe, zum ersten Mal seit einigen Jahren wirklich krank gewesen (Kehlkopfentzündung und Stimmbandprobleme durch eine verschleppte Erkältung) – „wirklich krank“ heißt in diesem Zusammenhang, dass ich mich habe krankschreiben lassen. Das war die erste Krankschreibung in meiner bisherigen Dienstzeit von 14 Jahren. Früher habe ich betont, dass ich nie krank bin(was natürlich nicht den Tatsachen entsprach) – mittlerweile bin ich zu alt für solche Prahlerei.

In Umkehrung habe ich aber auch in diesem Jahr meine Schlüsse gezogen und an einigen Stellen die Bremse gezogen. So habe ich die Mitarbeit an einem Geschichtsbuch für die bayerische Realschule vor dem letzten Band 10 aufgegeben. Außerdem meine junge „Karriere“ an der Uni eingestellt, wenn man es so sagen möchte. Schließlich aber auch schulintern einige Dinge „neu geordnet“.

Dennoch blieb ein großes Durcheinander.

In diesem Jahr jedenfalls wollte ich mal wissen mit Hilfe eines Feedback-Bogens, ob meine eigene Unzufriedenheit von den Schülern mitreflektiert wurde oder wird.

Mein Zeugnis für den Lehrer, welches ich in zwei Deutschklassen verteilte, sieht so aus.

Ich präsentiere die Ergebnisse der Klasse, die mich in diesem Jahr zum ersten Mal hatte.

Was ich sehr toll an ihnen finde, ist, dass

  • wir oft raus durften (ich gebe ihnen Arbeitsaufträge und stelle ihnen frei zu arbeiten, wo sie wollen)
  • wir viel frei erarbeiten durften
  • das Internet eine Rolle spielte
  • sie immer für einen Spaß zu haben sind
  • sie ehrlich und direkt sind
  • sie uns nicht nicht nur den vorgegebenen Stoff beibringen, sondern mehr darüber hinaus
  • wir so viel Gruppenarbeit machen durften
  • sie auch auf Freaks eingehen und sie nicht anders behandeln
  • sie Unterricht auch spontan gestalten
  • man sie im Internet auch was fragen kann
  • wir unsere Meinung sagen dürfen
  • man bei ihnen über Sachen lacht, für die man bei anderen Lehrern bestraft wird
  • sie uns sagen, wenn wir gut sind

Auf manche dieser Äußerungen bin ich mächtig stolz und möchte sie quasi 1:1 meinen Referendaren und Praktikanten ins Poesiealbum schreiben. Und ich freue mich, weil ich einfach merke, dass einige meiner Absichten durchkommen. Auf keinen Fall muss ich hier was kommentieren.

Entsprechend dann das andere Gesicht meines Unterrichts und meiner Lehrerpersönlichkeit.

Was ich an ihnen gar nicht mag, ist, dass

  • wir manchmal etwas wenig für die Schulaufgaben gemacht haben
  • sie manchmal echt zu direkt sind
  • sie manchmal lustig sein wollen, was nicht immer so ist
  • sie manchmal Sachen zu kompliziert erklären
  • sie manchmal gar keinen Unterricht vorbereitet haben
  • sie manchmal schlechte Laune haben und an uns auslassen
  • der Unterricht bei ihnen manchmal keinen Zusammenhang hat
  • sie Schüler manchmal nicht ernst nehmen

Da habe ich schon geschluckt. Mehrmals. Denn das ist natürlich nicht das, was man als Lehrer hören will. Und leider muss ich bei allen Punkten nicken. Sicher kann ich manche Sachen miteinander erklären, so z.B. dass ich einen speziellen Humor habe und einige damit nichts anfangen können. Dass jeder Lehrer ja mal schlechte Laune hat. Usw. Usf.

Dennoch treffen mich einige Punkte. Und so lang ich sie auch durchlese, so finde ich keine Rechtfertigung dafür. Und es wäre mir zu leicht, wenn ich sagen würde, dass ich das nun einfach nächstes Jahr alles besser machen werde.

Muss erstmal auf die Reihe bekommen, ihnen zu signalisieren, dass sie mit diesen Anmerkungen durchaus auch ins Schwarze getroffen haben. Und dann schauen, was geht.

Aber ich will erstmal Ferien.

PS: Lese diesen Artikel hier grad Korrektur und sichte den Reader. Fällt mein Blick auf einen Artikel von Martin Kurz, der sich grad schon auf das neue Schuljahr vorbereitet. Ich selbst muss die nächste Woche auch noch arbeiten, obwohl schon Ferien sind, denn die Schulleitung plant natürlich schon das nächste Jahr. Aber ich stimme Martin zu: Schule ohne Schüler hat auch was für sich ;).

 

4 Antworten auf „Rückblick auf das Schuljahr I – Zeugnis für den Lehrer“

  1. Wow, Thomas,
    mein Respekt. Mehr noch, dass du das Feedback durchgezogen hast, aber auch, dass du es öffentlich machst und darüber reflektierst. Da will ich dir später mal nacheifern.

    Wenn ich das Feedback deiner Schüler so lese schlucke ich auch ein wenig, da ich befürchte, dass es (ich meine jetzt besonders die negativen Dinge) bei mir ähnlich ausfallen würde. Ich vermute das meiste resultiert aus den simplen Umstand, den du schon erwähnt hast: zu viele Baustellen, zu viel Belastung. Geht mir genauso.

    Also erhole dich jetzt gut 🙂

  2. Ja, da schluckt man. Einerseits.
    Andererseits beinhaltet die ehrlich gemeinte Herausgabe eines Feedback-Bogens doch bereits den Wunsch zur Reflexion.
    Vorschlag zur Güte: Sacken lassen und in ein paar Wochen noch einmal zur Hand nehmen, wenn es an die Vorbereitung des neuen Schuljahrs geht.
    Herzlichen Gruß aus der Primarstufe.

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