Eigene Schulbücher schreiben?

Im Zuge dieser „Schultrojaner“Geschichte hat sich die Diskussion auf einigen meiner Hoodie-Blogs in Richtung eines spannenden Themas entwickelt – Der Lehrkörper hat mal ein wenig Links zum Trojanerthema zusammengefasst.

Schnell kam man hier aber auf die nicht mehr ganz neue Idee, eigene Schulbücher zu entwerfen. Dies klang erstmal grotesk, aber dann doch gar nicht so doof. Und ich war, wie so oft, überrascht, wie weit solche Ideen schon entwickelt sind.

Die Diskussion im Kleinen: gleich8.de.

Drei Probleme wurden gewälzt, jedenfalls, wenn ich alles richtig verstanden habe

  • Organisation: Wie wird die Arbeit daran organisiert und qualitativ begleitet?
  • Werkzeuge und Präsentation: Mit welchen Werkzeugen kann am einfachsten gearbeitet werden? Wie soll das Buch aussehen?
  • Reichweite: Wie groß soll es werden?

Herr Rau macht sich dazu viele Gedanken, die es allemal wert sind, gelesen zu werden.

In jedem Fall ein faszinierender Gedanke, die Lehrerzusammenarbeit auf eine neue Ebene zu bringen.

Organisation

Materialaustausch in den letzten Jahren fand ich immer sehr anstrengend. Vor allem, weil sich viel anhäufte, ohne dass man wirklich den Durchblick hatte. Wenn ich jemanden fragte, ob er was über Kinder- und Jugendliteratur hat – was mich leider nie besonders interessierte – dann bekam ich meist eine Linksammlung, alternativ einen Stapel Kopien mit Titeln. Gebracht hat mir das nichts – außer die Aussicht auf eigene Recherchearbeit.

Nicht falsch verstehen: ich bin nicht faul. Ich arbeite gern. Aber auf meine Fragen wollte ich nie einen Stapel Papier, sondern Ideen, Erfahrung, Anregung.

Was also die Arbeit an einem solchen Projekt betrifft, würde ich mir wünschen, dass, entgegen einem herkömmlichen Schulbuch, eben persönliche Erfahrung und Einblicke mit in die Arbeit einfließen. Eben nicht nur die Aussage „XY ist ein gutes Jugendbuch“, sondern „XY halte ich für ein gutes Jugendbuch, denn ich habe es unter folgenden Aspekten im Unterricht behandelt und dafür soundsoviel Stunden gebraucht – ich bin nicht dazu gekommen, dies und jenes zu besprechen.“

Dabei geht es nicht nur um Material, Arbeitsblätter, sondern auch grundlegende Artikel zu gängigen Inhalten und Voraussetzungen des Faches. Um Fragenkataloge, wie Herr Rau sie beschreibt, die dieselben Materialien (im Fach Deutsch) aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und für verschiedene Jahrgangsstufen aufbereitet.

Kurz gefasst die eierlegende Wollmilchsau: Bücher, die

  • Grundlagentexte bieten,
  • Umsetzungen im Unterricht beschreiben, vorschlagen oder anregen,
  • Material an die Hand geben können.

Werkzeuge und Präsentation

Zwei Aspekte erscheinen mir wichtig. Da schließe ich mich dem grundlegenden Duktus von Herrn Rau an: Es gibt Material und es gibt Bücher.

Die Werkzeuge zur Erstellung der Bücher muss einfach zu handhaben sein, bzw. schnell erlernbar. Ich bin hier zuversichtlich, dass es so etwas schon gibt – Beispiel weiter unten.

Als zweites, und das habe ich oben schon angedeutet, ist Material m.E. nichts wert, welches unbewertet und unkommentiert herumliegt, bzw. auf das nicht durch eine ordentliche Suchfunktion zugegriffen werden kann.

Beides muss gelöst sein.

Herr Rau verweist auf eine Seite, die mehrere „fertige“ Bücher aus dem amerikanischen Bildungsraum präsentiert. Als Beispiel sei auf eine verwiesen, die sich um das Thema Commonsense Composition dreht (In diesem Zusammenhang scheint das „FlexBook“ als Tool wirklich interessant zu sein). Vor allem, weil ich diese Form zunächst einmal sehr wichtig finde, da sie verschiedene Funktionen erfüllen kann:

  • als Nachschlagewerk für Schüler UND Lehrer
  • als Dokumentation von Schulinhalten nach außen
  • zur Schaffung eines Grundlagenkatalogs
  • Verständigung über grundlegende Fragen des eigenen Faches.

Besonders der letzte Punkt erscheint mir wichtig, in vielerlei Hinsicht. Zum einen kann dies innerhalb einer Schule innerhalb einer Fachschaft zur Sicherheit der einzelnen Lehrkraft beitragen was das Stoffgebiet angeht. Weiterhin kann dadurch eine Vergleichbarkeit der Vermittlung von Inhalten erreicht werden, die die ganzen Teste und Veras etc. nicht erreichen können – Ich rede nicht von Objektivierbarkeit sondern davon, dass man sich unter den Kollegen einig wird, wie Inhalte zu verstehen sind.

Als Beispiel: so doof es klingt, aber wenn man sich in der Deutsch-Fachschaft mal zusammen setzt und darüber redet, was eine Inhaltsangabe umfasst, kommt man zwar auch ähnliche Inhalte, aber irgendwie weichen die einzelnen Ansichten doch auch schon mal voneinander ab. Oder es schleifen sich Ungenauigkeiten ein, weil man es dauernd oder zu wenig unterrichtet. Ein gemeinsames Buch kann hier eine Grundlage schaffen, auf die man im Zweifelsfall zurückgreift.

Der letzte Punkt ist aber auch wichtig, wenn man die verschiedenen Schulformen der verschiedenen Bundesländer betrachtet. Oftmals erkenne ich im Netz, dass ich mich mit Lehrern aus anderen Bundesländern unterhalte und oftmals muss man sich in der Diskussion über Inhalte, Prüfungen und auch rechtliche Fragen erstmal klar werden, was im jeweiligen Bundesland gelehrt oder (schul-) gesetzlich verankert wird. Gemeinsame Grundlagen würden hier auch eine übergreifende Arbeit vereinfachen.

Reichweite

Herr Rau und die anderen bei gleich8.de greifen mit ihren Ideen nach meinem Geschmack ganz schön weit aus. Der deutsche Versuch des Open(Schul)Book ist groß angelegt, dass er sich wohl deshalb schleppend entwickelt, jedenfalls wenn man meine Fächer betrachtet. Woran dies genau liegt, ist mir erstmal Wurst. Ich glaube, es liegt zum Teil daran, dass sich die Mitarbeit an alle richtet und damit – wie wir es aus dem Unterricht kennen – an keinen. Ich muss jedenfalls sagen, dass ich mich daran nur ungern beteiligen würde, obwohl ich mich mit dem Werkzeug auskenne. (Ich weiß grad auch nicht genau, warum. Vielleicht auch, weil mich die Qualität der bisherigen Beiträge in meinem Fachbereich nicht überzeugen).

Viel eher fände ich es aber wichtig und wertvoll, wenn sich innerhalb einer Schule zu Schulbuchteams zusammen fänden. Diese könnten die oben erwähnten Synergien viel einfacher und schneller nutzen und sich bei Problemen schneller verständigen.

Wenn man dann noch Werkzeuge hätte, die diese lokalen Schulbücher in einem größeren Rahmen verbinden könnte.

Ich weiß, das Unausgereifte daran ist, dass dan viele Bücher mit „identischen“ Inhalten entstehen. Aber ich meine, dass man innerhalb einer Schule die Kollegen viel einfacher motivieren kann und man die Zusammenarbeit hier am effektivsten verbessert.

PS

Ich bin übrigens kein grundsätzlicher Gegner von Schulbüchern und Schulbuchverlagen. Habe selbst ein paar Jahre an einem Geschichtsbuch mitgearbeitet und weiß daher um die Mühe, die so etwas macht. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an die vielen Diskussionen, die sich um einzelne Abschnitte, Quellenauswahl oder auch nur Bilder drehten. Und wir waren nur zu sechst. Aber im Endeffekt bin ich stolz auf diese Bücher. (Dass ich sie hier nicht nenne oder den Verlag verlinke hat nichts damit zu tun, dass ich mich ihrer schäme – aber es passt auch irgendwie nicht)

Ich benutze Bücher für meine Arbeit und reflektiere sie nicht immer tiefgehend, auch weil ich einen stressigen Beruf habe. So schätze ich Schulbücher, mit denen ich einfach ein Klassenzimmer betreten kann, um zu unterrichten. Ich nenne mich einen Profi, weil ich dieses Material – was die Schüler immer bei sich haben (sollten) – nutze.

Bei meinen Überlegungen hier gehe ich vom herkömmlichen Unterricht aus und blende alle modernen Formen, vor allem technischer Natur, erstmal weg. Bücher wie ich sie mir hier vorstelle, können im Unterricht genutzt werden, wenn die Technik vorhanden ist, für das Heimstudium, für die Vorbereitung und Dokumentation von Unterricht – also für Lehrer UND Schüler UND alle Interessierten.

PPS

Was mich an der Schultrojanergeschichte aber am ehesten nervt, ist, dass die Kultusminister der Länder nicht etwa Verträge mit Verlagen schließen, in denen die Arbeit der Lehrer unterstützt oder vereinfacht wird (z.B. Bereitstellung von Arbeitsstunden von Lehrern zur Erstellung von Schulbüchern wie sie beschrieben wurden), sondern Ihnen nachgeschnüffelt wird. Und das mit dem Argument der „Rechtssicherheit“ (für uns) – für mich hat dieser Begriff in diesem Zusammenhang immer den Touch von „Schutzhaft“.

Außerdem ist dies der längste Artikel, den ich hier je geschrieben habe. Man mag ihn als Steinbruch einiger Ideen nehmen. Etwas unaufgeräumt vielleicht.

4 Antworten auf „Eigene Schulbücher schreiben?“

  1. „Aber auf meine Fragen wollte ich nie einen Stapel Papier, sondern Ideen, Erfahrung, Anregung.“ Das geht mir ähnlich. Mit Material von anderen kann ich erst mal wenig anfangen, ich möchte Austausch und Ideen. Deswegen lese ich auch Blogs und keine Materialsammlungen. Das digitale Schulbuch von Lehrern hätte ich gerne für Schüler – von dem ich dann genauso auswähle, was ich verwende, wie bei herkömmlichen Büchern, und das durch eigene Ideen ergänze.

    Verständigung über Grundlagen: das sieht jeder Lehrer und jede Schule anders. Im schulinternen Buch könnte man aber tatsächlich ein schulinternes Konzept festhalten. Gegen schulintere Lehrbücher hätte mich gar nichts, im Gegenteil: mit dem geeigneten Werkzeug mache ich eines allein für mich, und kann das dann teilen – mit dem geeigneten Werkzeug sogar so, dass andere sich daran bedienen können.

    Die Mitarbeit an Schulbüchern kenne ich nur aus Erzählungen. Viel Arbeit. Und am Ende muss dann doch viel wegfallen. Müsste bei Digitalem nicht.

    1. Dass am Ende Dinge wegfallen, kann aber auch ganz gut sein – da Lehrer ja gern zum Uferlosen neigen, vor allem beim Reden. Und es gibt, vor allem in Geschichte, einige Bücher, die zum Schwafeln neigen.
      Andrerseits durfte ich letztes Jahr das Kapitel zum Thema NS-Zeit bis 1939/ Totalitarismus in Europa schreiben und hatte am Ende das Gefühl, dass zu viel weggefallen ist, weil ich nicht mehr Seiten zur Verfügung hatte. Da war ich unzufrieden bis zum Ende.

  2. Mich treiben diese Gedanken ja auch recht intensiv um, komme aber nicht weiter. Ich bin froh, dass es anscheinend vielen so geht.

    Kurz mal eine technische Anmerkung: „Flexbooks“ ist ja eine eigene, anscheinend mit Phyton entwickelte Website. Es ist – anders als z. B. Moodle oder Mediawiki auf (eigenem) Server aufspielbare Software unter einer Open-Source-Lizenz.

    Aus diesem Grunde halte ich Flexbook als Modell interessant, ansonsten aber kein Tool, das man benutzen könnte.

    1. In Twitter scheint noch mehr los zu sein – habe nur dieses we noch keine Zeit gefunden, dort die Sache näher zu verfolgen.
      Am meisten war ich überrascht, dass und in welcher Form das schon existiert. Da grüble ich dann eher, warum das so einschläft oder nicht weiter kommt.

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