Testwoche

Die vor letzte Woche war die traditionelle Testwoche: Deutsch 6, Deutsch 8, Mathematik 6, Mathematik 8, Englisch 7, Grundwissen Mathematik  9, Grundwissen Mathematik 6. Unterm Strich also mehr als 700 Prüfungen*, mit vielleicht durchschnittlich 4 Blättern. Kopien, die die Schulen zahlen oder die Eltern über das Kopiergeld – aber das nur nebenbei.

Als vor mehr als zehn Jahren der erste Deutschtest geschrieben wurde, war ich der Fachbetreuer Deutsch an meiner Schule, sehr jung und geflissentlich. Danach wurde man aufgefordert, seine Meinungen und Kritik zu äußern. Ich befragte die Kollegen und fasste unsere Gedanken dazu auf zwei Seiten zusammen. Es kam nie eine Antwort. Ein Jahr später kam das Schreiben zum zweiten Deutschtest und ich konnte den Satz lesen (grobes Zitat): „Da der Jahrgangsstufentest im letzten Jahr so erfolgreich war und so gut angenommen wurde, wird er in diesem Jahr erneut durchgeführt.“

Ich habe danach nie wieder einen Kommentar zurückgesendet, bzw. auf dem dafür vorgesehenen Formular irgendwelche Vermerke gemacht. Man konnte dort z.B. in drei Feldern die Zahl der Kollegen angeben, die den Anforderungsgrad für „angemessen“, „zu leicht“, „zu schwer“ hielten. Außerdem gab es ein allgemeines Kommentarfeld.

Vor zwei Jahren etwa – ich war mittlerweile seit Jahren an einer anderen Schule und erneut Fachbetreuer Deutsch, kam nach dem Test mein Chef zu mir und fragte, warum ich keinen Kommentar zum Test abgegeben hätte. Jemand aus vorgeordneter Stelle hätte angerufen und nachgefragt. Ich war überrascht und gab die Erklärung, dass ich nie den Eindruck gehabt hätte, dass mein Kommentar irgendjemand interessiert und daher würde ich weder jetzt noch irgendwann irgendetwas hineinschreiben. Der Chef gab das so weiter.

Und es kam wieder keine Antwort.

Seitdem habe ich ein grundsätzliches Misstrauen gegen jede Art von Studie, Bildungstest und Messverfahren, was in der Schule angesetzt wird, um hinterher ein Ranking zu veröffentlichen. Denn letztlich ist es am Ende so, dass man mir einen Stapel Papier mit Statistiken und Diagrammen in die Hand drückt. Auf die Frage, was mir das bringen soll, kommt als Antwort (grobes Zitat): „Da wissen sie dann, wo Ihre Schüler Probleme haben.“

Sicherlich mag man mir vorwerfen, dass ich wenig Ahnung von Statistik habe und wenig Überblick über das Gesamtbild. Dass ich nur meinen direkten Umkreis, meine persönlichen Erfahrungen in meine Überlegungen und meine Kritik miteinbeziehe. Auch bin ich sicherlich insgesamt zu subjektiv. Und überhaupt kann ich intellektuell wenig ausrichten gegen die geballte Schlauheit von Bildungsforschern, Unidozenten und -professoren.

Aber irgendwie weiß, wo meine Schüler Probleme haben – ganz ohne Test. Und dass meine Schule bayernweit auf Platz 47 im Test liegt (fiktiv!!), löst diese Probleme nicht.

Warum ich drüber nachdenke…: „Empirische Gewissheit gibt es nicht.“

 

*PS: Ich nenne es Prüfungen. Ich weiß, dass man im Fall von Deutsch und Mathe 8 die Option hat, den Jahrgangsstufentest zu bewerten, also die Note als vorgeschriebenen Leistungsnachweis zu werten oder nicht. Ich vermute dabei, dass der Großteil der Fachschaften dies gelten lässt. Und ich fürchte, dass man dies tut in der Vorstellung, dass hier ein „gerechter und objektiver“ Test geschrieben wird, bei dem man wenig Probleme hat, das Ergebnis zu rechtfertigen – eine Problematik, die in Deutsch ja nun nicht selten ist.

 

 

6 Antworten auf „Testwoche“

  1. Am Gymnasium *müssen* die Jahrgangsstufenarbeiten – so der offizielle Name, weil sie die üblichen Kriterien für einen Test nicht erfüllen – in Deutsch, Englisch, Mathematik (in Klasse 6, 8 oder 10) benotet werden. Manchmal klagen sie, wenn das Ergebnis dann gleich so gut ausfällt. Ich halte die Arbeiten aber für auch nicht weniger objektiv/geeignet als manche selbst entworfenen Prüfungen.

    Für die Klasse bringen sie wenig. Aber wenn Mathe über die Jahre hinweg an einer Schule überdurchschnittlich ist und Englisch unterdurchschnittlich, dann sagt das der Schule schon etwas. Ob man mit der Information dann etwas anfängt… da bin ich skeptisch.

    1. Ob sie auf Dauer aussagekräftig sind, weiß ich auch nicht genau. Bei den Deutschtests jedenfalls fällt mir manchmal auf, dass die Klasse bestimmte Aufgaben auffallend übereinstimmend nicht oder unzureichend beantworten. Schaue ich genauer hin, merke, ich, dass ich das durchaus im Unterricht durchgenommen habe und die Schüler auch wüssten, worum es geht. Bei der Nachbesprechung erkläre ich Ihnen in einem Satz, worum es geht und dann fällt es ihnen wieder ein.
      Was also soll ich machen? Meinen Unterricht auf die Fragestellungen im Test ausrichten? Das erscheint mir nicht sinnvoll.
      Weiterhin fällt auf, dass an manchen Schulen nach den Sommerferien gezielt auf den Test vorbereitet wird – an anderen nicht, so wie ich z.B. nicht auf die Inhalte vorbereite, auf den Aufbau eines Testes aber schon.

  2. Was mir fehlt, anstatt der unzähligen hochoffiziellen Tests, ist eine Dokumentation, was aus den Jugendlichen wird. Nach dem Abschlusszeugnis sind sie für die Schule so in etwa wie „verstorben“. Keine Schule kann sagen, wie groß die Qualität ihrer Schüler tatsächlich ist, ob sie „Warteschleifen“ fahren oder ob z.B. Realschüler dann doch noch ein Abi bauen, wer ein Studium beginnt.
    Die Aussage der Mathelehrerin meines Kleinen war, dass er die 1 aus dem Abschlusszeugnis Realschule nicht halten könne… Hah! Mathe 14 Punkte im Abi – was will man mehr =D
    Die Aussage des Direktors zu einem Kumpel meines Großen war, dass aus dem nie was würde mit dem Hauptschulabschluss, heute ist er mit 24 Meister und designierter Betriebsleiter einer Landmaschinen-Werkstatt. Während der Freund aus dem Gymnasium trotz Junior-Studium erst mit 2 Semenstern Verzögerung seinen Bachelor gebaut hat.
    Was also sagen die Tests wirklich aus?

  3. > Ich vermute dabei, dass der Großteil der Fachschaften dies
    > gelten lässt. Und ich fürchte, dass man dies tut in der
    > Vorstellung, dass hier ein “gerechter und objektiver” Test
    > geschrieben wird

    Man tut das
    a) um den Korrekturaufwand der KollegInnen zu rechtfertigen („dann soll wenigstens eine Note dabei rauskommen“) und
    b) um die Schüler extrinsisch zu motivieren („Da gibt’s eine Note drauf!“ –> schlechte Erfahrungen aus dem nicht bewerteten VERA-Test).

    Ich mochte den Beitrag von Herrn Rau zum Thema Noten sehr. Manchmal, wenn es ganz ruhig ist (sehr selten also), denke ich mir eine Schule, in die ich meine Kinder gerne schicken würde. Und dann erschrecke ich, wenn die doch sehr anders funktioniert als die, derer ich selbst ein Teil bin (ist das grammatikalisch so korrekt?!).

    1. Aber wie gesagt, Deutsch 8 ist ja nicht zwingend durchzuführen…
      Aber auch ohne eigene Kinder geht es mir mit deinem Notengedanken sehr ähnlich. Leider macht die eigene Position in dem System, dieselbe wie bei dir, das eigentlich noch härter. So dass ich manchmal dastehe, mir zuschaue und den Kopf schüttle.

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