Ist das letzte Buch zu einer Referatreihe in der Schule. Ich habe unvorsichtigerweise gesagt, dass es das einzige Buch ist, was ich selbst noch nicht gelesen habe. Am Freitag kam die Schülerin und setzte mir die Pistole auf die Brust. Ich solle das Buch endlich lesen, um ihr Tipps für den Vortrag zu geben.
Jetzt habe ich es gelesen. Und muss wohl Tipps geben.
Nachdem ich Freitag schon etwa die Hälfte hinter mich gebracht hatte, brauchte ich selbst ein wenig Bestätigung, um das Gelesene irgendwie einzuordnen. Dieter Wunderlich stand mir da beiseite.
Für mich las ich da einen andauernden, besinnungslosen Drogenrausch, begleitet von beständiger Rave-Musik im Hintergrund. Das Ganze umringt von Berliner Szenegängern. Erzählt wird dabei seitenweise in einem Atemzug, wobei sich unterschiedlichste „Erzählformen“ abwechseln: Tagebuch, Email-Austausch, SMS, herkömmliches Erzählen. An zwei oder drei Stellen im Buch kommt auch die Erzählerin zur Ruhe, vor allem, wenn sie in die Schule geht oder, in einem Fall, an einem Ausflug in die KZ-Gedenkstätte teilnimmt.
Das Ganze nicht uninteressant und ohne Reiz, aber extrem überdreht, überhitzt und grell in Bild und Sprache. Vor allem, wenn zwischen der Beschreibung aller möglichen Körpersäfte ein oder zwei helle Gedanken auftauchen.
Ich finde meine dissoziative Identitätsstörung interessanter als alles, was diese Stadt mir ununterbrochen ins Gesicht kotzt.
Oder
Es gibt so viele Jahre in meinem Leben mit so einer Art Leichenstarre oder wie nennt man das, so einer Art Duldungsstarre oder so, also, sich nicht bewegen, weil man weiß: Das kann jetzt nicht das Leben sein, und da muss man dann durch, durch diese fürchterliche Zeit, man muss das ablaufen, was andere einem als Erfahrung vorschreiben und wo man aber denkt: Das interessiert mich eigentlich überhaupt nicht.
Gestern im Lokal auf die Frage einer Bekannten, wie es denn sei, das Buch, fiel mir nur ein: „Feuchtgebiete“ auf Speed.
Ehrlicherweise habe ich Feuchtgebiete auch noch nicht gelesen, aber das, was mir Schüler berichteten und was ich in Auszügen selbst gelesen habe, brachten mich zu dieser Aussage.
Heute auf einem Spaziergang fragte ich mich, ob der Roman innerhalb der Referatreihe nicht auch einfach ein gutes Ende sei. Die Reihe fing nämlich mit Kafka an.