Als ich Zivildienst gemacht habe, wurde ich in einer Klinik eingesetzt in der Abteilung eines Professors, der Forschungen betrieb in Richtung von Darmkrankheiten. (Keine Angst, es folgen keine Details.) Jedenfalls war die Klinik so organisiert, dass es drei medizinische Großabteilungen gab. Meine war die Abteilung III für Innere Medizin und ansteckende Krankheiten (also u.a. AIDS). Auf einem Kollegenausflug lernte ich einen Mitarbeiter des Chefs dieser Abteilung III kennen, der irgendwie so gar nicht wie ein Mediziner wirkte. Ich erfuhr, dass er Philosophie und Theaterwissenschaften studiert hatte und nun als Manager für den Professor arbeitete. D.h. er war angestellt worden für alle organisatorischen, verwaltungstechnischen und administrativen Aufgaben, die in dieser Abteilung anfielen. Ohne damals wirklich Einblicke zu haben in die Arbeitswelt fand ich das damals faszinierend – vor allem auch, weil jemand „so etwas“ studieren konnte und dann „so etwas“ wurde.
Ich kann mich noch an eine Geschichte erinnern, die er erzählte. Und zwar gab es im Büro des Professors eine Telefonanlage, die noch aus der Anfangszeit dieses Teils der Klinik stammte (60er/70er Jahre). Er berichtete, dass auf der Wählscheibe die Zahlen so abgewetzt waren, dass man sie nicht mehr lesen konnte, sondern beim Wählen raten oder abzählen musste. Der Professor entschied sich schließlich nach vergeblichen Anträgen an die Verwaltung, aus eigener Tasche eine Telefonanlage zu kaufen. Der Manager erzählte nun, dass die Verwaltung der Klinik daraufhin die Unterschrift unter eine Vereinbarung forderte, nach der diese Anlage dann in den Besitz der Klinik überginge, wenn der Professor diese verließe. Soweit ich weiß, hat der Professor dann einen Rückzieher gemacht.
Sie können sich vorstellen, woran mich so etwas erinnert.
„Geld mitbringen zur Arbeit.“
Wenn ich mich recht entsinne hätte dieser Zivildienst eine gute Vorbereitung auf meinen aktuellen Job sein können, wenn ich damals schon gewusst hätte, dass es in diese Richtung ging.
Es war nämlich, um eine andere Geschichte zu erzählen, üblich, dass man beim Telefonieren eine bestimmte Nummer vorwählte, wenn man aus dem Haus raus telefonieren wollte UND dies ein Privatgespräch war. Dies wurde registriert und dann bekam man per Hauspost wenige Tage später eine Rechnung aus der Verwaltung. Mein Professor schickte mich dann mit dieser Rechnung in die Verwaltung und ich bezahlte sie. Aufregend, nicht wahr? Stellen Sie sich also vor, wie ich mit einer doppelten Ausführung dieser Rechnung zur Kasse schlenderte, diese vorlegte und dann mit einer Mark oder 50 Pfennig die eine Einheit von 0,23 Pfennig bezahlte, die das Telefonat gekostet hatte.
Dieses Bild habe ich übrigens immer vor Augen, wenn einmal im Jahr der Herr in meinem Büro sitzt, der die Portokasse unseres Sekretariats prüft. Stellen Sie sich eine Excel-Liste vor, auf der alle Briefmarken verzeichnet sind, die im Schuljahr benutzt wurden, inklusive eines Vermerks wofür. Und stellen Sie sich meinen Blutdruck vor, allein während ich an diesen Vorgang denke. Und denken Sie daran, wenn Sie Lehrer sind, dass die Schulleitung ebenso Rechenschaft ablegen muss über jede Stunde, die Unterricht in der Schule gehalten wird. Wobei die prüfende Stelle aus ihrer Sicht eine genaue Vorstellung davon hat, was „Unterricht“ ist – und vor allem, was nicht. Betrachten Sie einmal so den Vertretungsplan.
Aber ich schweife ab.
Ich wollte eigentlich erzählen, dass ich in der letzten Woche drei Tage lang Schulleiter war, weil ich meinen Chef vertreten musste. Ich hatte vorher, ebenso wie Hauptschulblues, den Artikel in der Süddeutschen gelesen, nach dem viele Schulleitungsstellen unbesetzt bleiben, weil diese unattraktiv seien. Mir war in Erinnerung geblieben, dass Schulleiter u.a. bedauerten, dass sie nur so wenig unterrichten würden auf ihrem Posten. Nach meinen drei Tagen als Chef muss ich sagen, dass es ziemlich ätzend war in dieser Zeit auch noch „normal“ zu unterrichten. Und nicht nur, weil es belastend war – mimimimi – sondern vor allem, weil nahezu keine Sache, die aufkam, irgendwie zufriedenstellend gelöst oder angegangen werden konnte.
Nur als Beispiel: Am Mittwoch in der zweiten Pause führte ich im Lehrerzimmer in zehn Minuten mehr als 5 Gespräche. Zwei Gespräche über disziplinarische Vorfälle, zwei Gespräche über laufende Projekte, ein Gespräch über die Organisation von Schulaufgaben, ein privates Gespräch über technische Dinge, ein privates Gespräch über Privates. Daneben mehrere Kurz-Gespräche, bei denen man schnell informiert oder informiert wird. Dies Tage waren wie Autopilot, wie Autofahren, wo man sich hinterher nicht mehr erinnert, wie man gefahren ist.
Als Realschuldirektor unterrichtet man so etwa 6-8 Stunden – ich meine gehört zu haben, dass man unterrichten muss – man darf also nicht alle Ermäßigungsstunden, die es für die Schulleitung gibt, auf sich vereinen und nichts mehr unterrichten. Die anderen Stunden werden entsprechend der Aufgabenverteilung auf die anderen Mitglieder der Schulleitung verteilt. In meinem Fall führt das dazu, dass ich noch 17/18 Stunden Unterricht habe. Da die Arbeit bei uns gut verteilt ist, kann ich das stemmen.
Als Schulleiter (ungeachtet der Schulart) jedoch diese Unterrichtsverpflichtung zu haben, halte ich schier für eine Zumutung. Hauptschulblues schreibt, dass er 15 Stunden unterrichten musste – das ist ein ganz schöner Happen.
Jedenfalls habe ich mich dieser Tage wieder an den Manager von damals erinnert und mir so jemanden vorgestellt, der sich in der Schule um all die schulrelevanten-organisatorischen Dinge kümmert, die so gar nichts mit dem Kerngeschäft zu tun haben.
Für das Zählen von Briefmarken wäre mir der aber auch zu schade.
PS: Mir hat, und das muss ich auch noch erwähnen, mal jemand aus einer Schulleitung gesagt, dass Unterricht für ihn oftmals Erholung darstellt – vom alltäglichen Wahnsinn als Schulleiter. So gesehen.
Wieviel ein Schulleiter am Gymnasium unterrichten muss, hängt von der Schulgröße ab, offiziell aber mindestens 2 Stunden. Das kann aber, technisch gesehen, auch Wahlunterricht sein. Die Schulleitung darf auch mehr unterrichten, glaube ich, dann werden die Anrechnungsstunden zum Beispiel auf die Mitarbeiter verteilt.
Wo bei zwei Stunden allerdings der Sinn steckt, wird mir auch nicht klar. 🙂
Mir hat Unterricht bis zuletzt großen Spaß gemacht: Wenigstens konnte man 45 oder 90 Minuten bei einer Sache bleiben.
Oh ja, das hat was 😀
Im KMS zur Unterrichtsplanung steht, dass höchstens 19 Stunden der Schulleitungs-Anrechnungen für den Schulleiter sind; er müsste also eigentlich mindestens 4 Stunden halten.
Bei uns hält der Chef immer so 8-10 Stunden, ich hatte die letzten Jahre 10-12 Stunden Unterricht – in etwa also gleich viel. Dafür teilen wir uns auch die Schulleitungs-Aufgaben etwa 50:50 auf, was ich sehr angenehm finde, weil mich nichts überrascht, wenn er wirklich mal nicht da ist (und andersrum natürlich genauso)…
Gilt das auch für eine Verbindung mit Sport?
Und ja, klingt gut, ich hatte zwar keine Überraschungen in dem Sinn, aber musste ein, zwei Sachen in den Entscheidungen einfach vertagen, weil ich nicht sicher war, was schon vorab gelaufen war.
Ich wäre interessiert daran von dir zu erfahren, wie ihr euren Informationsfluss organisiert, bzw. wie die weitere Aufgabenverteilung läuft. Meinst du, das wäre möglich? (Ist das ok, wenn ich duze? 😀 )
Bin ich blöd – wir duzen uns ja schon – entschuldige, ist schon spät, ich hatte Realschule Gemünden gelesen…
Die SL-Anrechnungen sind m.W. wissenschaftlich, d.h. in einer Fächerkombi mit Sport dürfte der SL dann rechnerisch bei max 25 Std. UPZ landen, blieben dann 6 Stunden Unterricht. Es spricht aber natürlich nichts dagegen, dass der SL weitere Anrechnungsstunden aus anderen Bereichen oder auch 100-Minuten-Regelungen hat, wenn er entsprechende Aufgaben wahrnimmt. Bei mir kommen die Anrechnungen auch zu einem guten Teil aus anderen Töpfen (MB-Mitarbeit, Referenzschule für Medienbildung, Lehrplankommission, u.ä.). So kann ein SL dann durchaus auf 0 Stunden Unterricht kommen.
Mein SL und ich sind uns halt einig, dass uns a) Unterrichten ziemlich viel Freude macht, dass es b) sinnvoll ist, den Kontakt zu den Schülern zu halten und dass wir c) im Alltag sichtbar sein und auch mit einem gewissen guten Beispiel vorangehen wollen und außerdem finden wir es gut, dass d) dann Stunden aus dem Schulleitungs-Pool übrig bleiben, die wir ins Kollegium geben können für Aufgaben, die wir beide nicht so gern machen (z.B. Erstellen des Vertretungsplans – kein ZwRSK an unserer kleinen Schule).
Informationsfluss läuft bei uns so, dass es einige sehr wenige Aufgaben gibt, die dediziert bei einem von uns beiden liegen (Beurteilungen z.B.). Da weiß der jeweils andere dann nur, wo die Unterlagen sind und wenn grad akut was ansteht, sprechen wir drüber. Bei allen anderen Dingen läuft es so, dass wir uns fast immer (außer bei sehr persönlichen Angelegenheiten) bei allen Mails, die an Eltern, KollegInnen oder andere Dienststellen gehen, im CC oder BCC haben, allein dadurch sind stets beide über fast alles auf dem Laufenden. Außerdem trinken wir täglich zwischen 9 und 11 etwa eine halbe Stunde lang Kaffee und essen ein Croissant; dabei wird alles besprochen, was grade ansteht und wir entscheiden für die schwierigeren Sachen gemeinsam, was kluges und zielorientiertes Vorgehen ist.
Während des Tages schaut dann immer wieder mal einer beim anderen rein zum kurzen Austausch oder auch einfach nur zur Erholung. Ich muss an der Stelle aber dazusagen, dass mein Chef und ich nicht nur was die Vorstellungen von einer guten Schule betrifft, sondern auch persönlich sehr auf einer Wellenlänge ticken und dass wir auch einen ähnlichen Humor teilen, was gerade in stressigen Zeiten oder bei schwierigen Angelegenheiten ein echter Segen ist…
Ich bin immer wieder überrascht, wie verschieden doch die Regierungsbezirke sind. Bei uns z.B. haben wir die Unterrichtsverteilung zurückbekommen mit dem Hinweis, dass 100 Minuten Regelungen nicht auf die Schulleitungsmitglieder vergeben werden dürfen. Schizophrenerweise habe ich auf MiB-Fortbildungen gehört, dass ich auf jeden Fall darauf drängen soll, diese 100 Minuten zu bekommen. Strange.
Ansonsten stimme ich dir in vielen Dingen zu, bei uns läuft es ähnlich, wenngleich wir nur ein festes gemeinsames Treffen am Montag haben, weil am Dienstag Kollegenbriefing stattfindet. Ansonsten, wenn etwas ansteht oder eben, wenn Zeit ist. Da ich aber eben Tage habe, an denen ich viel unterrichte, ist es nicht so regelmäßig. Und es gibt keinen Bäcker mehr in der Nähe für Gebäck ;).
Interessanterweise sehen wir aber übereinstimmenderweise die Vorteile unserer Kombination nicht in unserer Ähnlichkeit (wobei die Charakteransätze gewisse Ähnlichkeiten haben – nur die Ansätze), sondern darin, dass wir verschieden denken und an Dinge unterschiedlich herangehen. Kurz, dass wir aus verschiedenen Fakultäten kommen. Er der Mathematiker – ich der Geisteswissenschaftler. Als ZwRSK dann ein Wirtschaftler. Das ist spannend.
Aber auf vielen Gebieten arbeiten wir uns noch aneinander ran.
Ich bin auch Leerkörper. Das mit der PIN zum Rauswählen und der Abrechung gibt es hier auch noch, sogar unterteilt in Dienst- und Privatgespräche (als ob, wozu hat man ein Mobiltelefon mit Festnetzflat?). Man bekommt aber auf eventuelle Privatgespräche sensationelle 5% Landkreisrabatt von der Terrorkom;)
Briefmarkenzählen (mitsamt Liste für verschickte Briefe) gibts hier allerdings auch. Muß es allerdings, man muß ja nicht nur ein Posteingangs-, sondern auch ein Postausgangsbuch führen.
Zum Thema Anrechungsstunden:
Den Irrsinn tue ich mir nicht mehr an. Ich hab den Deal, daß ich Montag bis Donnerstag von 7 bis 15:45 da bin und Freitag entweder andere Sachen erledige oder frei habe. Dafür lasse ich entsprechende Plusstunden meinerseits (über 40 pro Jahr) stillschweigend hinten runterfallen.
5% Rabatt sind cool…Wahnsinn! Wird denn irgendwo noch nach Einheiten abgerechnet?