Drei Wochen Schulleitung: A9 – A6 – A73

Woche 1

Im Prinzip durchgehend mit Magenschmerzen verbracht, die aber schon eine Woche vorher angefangen haben. Ursache war das, was ich mir gewünscht hatte. Neue Schule, neue Kollegen, neue Schüler, neue Stadt, neues Alles. Sowas strapaziert mich. Aber es war in dem Rahmen, in dem ich es erwartet habe.

Verstärkt wurde das aber eben durch das Gefühl in der ersten Woche, nutzlos zu sein. Ich hatte keine Ahnung wie der Laden funktioniert, kannte keine Abläufe, keine Wege – musst sogar nach dem Klo fragen, nach der Kaffeemaschine, wie das Telefon funktioniert, der Kopierer (mordsmäßiges Teil, was heftet, locht und faltet). Dazu keine Aufgaben außer Unterricht. Was hätte ich auch machen sollen? Ich saß halt in meinem Büro.

Woche 2

Ich kann schon allein gehen. Finde die Klassenzimmer auf Anhieb. Kenne schon etwa 25% der Namen. Langsam kommen meine Aufgaben. Langsam weiß ich was.

Erste Abendtermine.

Der Rhythmus am Morgen wird ergänzt durch folgende Gedankenreihen:

  • zwanzig vor Sieben die Gartentür schließen
  • spätestens 6:55 auf der A6 sein
  • vor 7:00 auf der A73
  • dann linke Spur, spätestens am Ende des Betonteilers zur A6
  • rechte Spur dann nach der Abfahrt in Richtung Würzburg

Woche 3

Und schon werfen die Abschlussprüfungen ihre Schatten voraus, d.h. einer meiner Arbeitsbereiche wird akut. Und damit beginnt alles: Organisation, Gespräche – Gespräche, Gespräche. Weitere Abendtermine.

Schule

Nur noch mal dazu: Eine junge, wachsende Schule. Derzeit über 600 Schüler, final sollen es über 900 werden. Derzeit in einem Übergangsgebäude mit allen Nachteilen (Stellen Sie sich eine Schule in einem Industriegebiet vor, mit Blick auf die Autobahn-Tangente, aber grundsätzlich sehr weiter Blick, im vierten Stock). In 1,5 Jahren der Umzug in den Neubau.

Insgesamt über 40 verschiedene Nationalitäten unter den Schülern. Ich unterrichte 4 von meinen 5 möglichen Fächern in 7 Klassen. Das ist etwas anstrengend, vor allem das Namenlernen. Und ich meine nicht nur die vielen ungewohnten Namen, sondern einfach in der Menge. Wenn man 10 Jahre an einer Schule ist, kennt man viele Schüler, auch wenn man sie nicht im Unterricht hat – vor allem als Teil der Schulleitung. So aber muss man wirklich bei Null anfangen.

Und dazu ein kompaktes, junges Kollegium, bei dem ich mich freundlich aufgenommen fühle.

Der letzte Satz ist etwas kurz, ganz absichtlich. Denn mein

Ruhm

eilt mir voraus.

Schon beim ersten Gang ins Lehrerzimmer wurde ich mit Handschlag begrüßt und gleich danach mit einem „Und übrigens, ich lese Ihren Blog“. Erst letzte Woche steckte eine andere Kollegin ihren Kopf in mein Büro und outete sich ebenfalls in dieser Hisicht. Ich kam in meiner Verdutztheit wenigstens dazu zu fragen, woher sie weiß, dass ich es bin und wie sie auf den Blog kam. Ihre Antwort war: „Ein andere Lehrer hat mir davon in der U-Bahn erzählt. Und dann habe ich gleich den einen Beitrag gelesen und als sie in der Konferenz erwähnten, dass….usw.“ (Liebe Kollegin: Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie hier nicht vorkommen. Entschuldigen Sie, jetzt eben doch. Ich brauche diese Geschichte grad als Überleitung.)

Was ich sagen will: Ich komme gut zurecht, diesen Aspekt meines Bloggens jedoch muss ich erstmal einsortieren. Klar ist das dumm. Ich schreibe seit 2010, irgendwann müssen ja mal Kollegen auftauchen – und es gibt sie ja schon. Bisher kannte ich sie halt. Jetzt zum ersten Mal aber ist den Menschen, denen ich begegne, mein Blog vor mir selbst begegnet. Das ist ein seltsames Gefühl.

Schluss

Ich bin da, wo ich hinwollte. Es hat sich bisher alles erfüllt, was ich mir erhofft hatte. Ich merke, dass ich den Schritt nicht bereue. Und ich glaube, ich werde es auch nicht auf die nächsten Jahre. Ich merke große Unterschiede zwischen den Schulen, aber Schüler sind Schüler und ich bin weiter neugierig auf sie. Und ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung. Es ist viel Arbeit, u.a. weil sich in der Schulleitung die anfallenden Aufgaben anders verteilen. Der Kern der Leitung besteht nun aus nur zweien – an der alten Schule waren wir drei. Die erweiterte Leitung kommt allerdings hinzu und besteht aus zwei Kollegen, ohne die es nicht ginge, die fit sind.

Die Aufgaben sind ansonsten, grob betrachtet, auch grob verteilt: Chef=Personal/Gebäude, Konni=Schüler/Prüfungen/Aufnahme. Heißt hier dann aber auch, im Unterschied zu vorher, auf Dauer vollumfänglich in eigener Verantwortung.

Habe ich erwähnt, dass ich älter bin als mein Chef?

(Sorry Chef, das musste jetzt doch noch sein.)

Wie gesagt.

11 Antworten auf „Drei Wochen Schulleitung: A9 – A6 – A73“

  1. >Was ich sagen will: Ich komme gut zurecht, diesen Aspekt meines Bloggens jedoch muss ich erstmal einsortieren.

    Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich bin sicher, das bleibt alles weiter so – für mich als Zuschauer jedenfalls – uh, lustig. 🙂

  2. Ui, sehr spannend alles. Man freut sich total, die alten Strukturen und Wege verlassen zu können. Dann der Moment, in dem man realisiert, neue Wege vor den Augen bedeuten auch neue Bahnungen oben im Großhirn. Puh… Megamultitasking, was erst nach Tagen/Wochen Struktur gewinnt. Dazu noch ein/zwei Frage der kritischen Selbstreflexion. Aber: Alles wird gut. 😉

    1. Es fühlt sich auch gut an, trotz vieler Unsicherheiten, trotz kleiner Rückfälle in kleine schlechte Gewohnheiten.
      Was ich aber eben auch bemerke, wie du schreibst, neue Aufgaben heißt auch Ausweitung der eigenen Möglichkeiten. In meinem Kopf steht dafür das Bild des Muskels, der im Training gezielt überlastet wird und dadurch eben auch wachsen kann. Jedenfalls hoffe ich das so für mich.

      PS: Entschuldige die Verzögerung, dein Kommentar war als Spam im Papierkorb gelandet.

  3. Bei aller Euphorie: A 9 – A 6 – A 73, das würde ich nicht durchhalten. Ich kenne die Strecke und wäre schon jeden Morgen erledigt, wenn ich auf den Schulparkplatz einfahren würde. Aber ich red‘ mir leicht. Ich fahre zwar auch jeden Tag fast 30 Minuten zur Arbeit, aber durchweg über Land. Ich habe unterwegs eine einzige Ampel. Die wird aber auch nur aktiviert, wenn ein Bus einbiegen will.

    1. Hm, ich muss zugeben, dass die Strecke manchmal stressig ist. Dennoch fahr eich gern Auto, seltsamerweise ganz grundsätzlich, und nachdem ich den Drang des Besserwissers im Auto wieder mal aufgeben habe, bleibt mein Blutdruck auch unten. Ich bin früher die Strecke entgegengesetzt durch die Stadt gefahren. Das hieß, ich habe gezählt, 32 Ampeln zu passieren bis zur Schule – das war krass. Jetzt habe ich zwei. Und ich habe Hörbücher. Und ich kann gedanklich sogar Unterricht vorbereiten.
      Dennoch suche ich bald danach, an manchen Tagen die Bahn zu nehmen.

  4. Hörbücher sind das wichtigste, mit Hörbüchern geht alles. Selbst die A3, die A5, die A7 und die A9. Aber ich bin sicher, bei den Autobahnen mit den geraden Zahlen ist das ähnlich. Die A73 mit Hörbüchern habe ich noch nicht probiert – als ich die gefahren bin, habe ich noch Musik gehört …
    Aber mal im Ernst: Wenn Dir David Nathan ins Ohr schnurrt, ist es auch schon fast egal, welche Strecke Du fährst. Oder welche Geschichte er liest.

    1. Und dir ist hoffentlich klar, dass die ersten Kings, die ich gelesen habe, von dir stammten? Und ich sie, wenn ich mich nicht verrechnet habe, vor >22 Jahren als Begleitmusik meiner Zwischenprüfungen gelesen habe…und zwar mindestens „Todesmarsch“ und „Running Man“. 😀

  5. Schschsch! Keine Jahreszahlen, bitte! 😉
    Außer den von David Nathan gelesenen Kings (nicht alle neuen sind brauchbar, aber da kann der Sprecher nichts für) eignen sich auch diverse Eschbachs ganz hervorragend für die Autobahn. Die werden auch meistens von guten Schauspielern vorgetragen. Meine Favoriten: „Ausgebrannt“, gelesen von Ulrich Noethen, und die Upgrader-Trilogie („Black Out“, „Hide Out“, „Time Out“), der Stefan Kaminski seine Stimme leiht. Kopfkino deluxe. Da beschränkt man sich freiwillig auf 160km/h, damit die Fahrt nicht vorbei ist, bevor das Buch endet …

    1. 😀 Angst vor Jahreszahlen? Komm. Ich erzähle ja nicht, dass ich im Einsatzjahr des Referendariats immer wieder Nächte auf dem Fußboden in deinem Flur geschlafen habe, weil mir die Pendelei auf den Zeiger gegangen ist. Das war 1998. Hö. Hatte ich mich schon dafür bedankt?

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