Sozialkunde – leicht gemacht 20: …dann sage ich, brich das Gesetz!

„Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz.“

Henry David Thoreau. Aus: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat.

https://www.taz.de/Aus-dem-Hambacher-Forst-in-den-Knast/!5536492/

Thema der Stunde: Ziviler Ungehorsam – die Frage, ob man Gesetze brechen darf.

Der Einstieg ist schnell gemacht, denn das Bild ist eindrücklich genug. Ich habe es anfangs allein gezeigt, ohne Überschrift. Die Botschaft des Bildes konnte man schnell formulieren, wenn man auf den Gegensatz beider Personen eingeht. Welche Art von Verbrechern erwartet man, wenn ein derart ausgerüsteter Polizist daneben steht?

Die Taz-Seite verlinkt weiter unten das Video, auf das sich der Artikel bezieht. Wenn man das zeigt, erfährt man ein wenig über den Hintergrund. Die Punkte/Themen, die „Winter“ anspricht, kann man trotz der schlechten Qualität im Original herausarbeiten:

  • Sozial- und Gesellschaftskritik
  • Kapitalismuskritik
  • Aufzeigen einer idealen Alternative des Zusammenlebens
  • Energie-/Umweltpolitik
  • Moralischer Sieg des Zivilen Ungehorsams

Die Taz-Reportage ist gut gelungen, wenn man mich als Deutschlehrer fragt. Sie war mir am Wochenende in der Druck-Taz schon aufgefallen. Eindrucksvoll, auch weil die Hauptperson nicht als hipppieske Baumumarmerspinnerin erscheint, sondern als durchaus rationale, überlegte, zielstrebige Aktivistin.

Nebenbei lassen sich so auch die Merkmale einer Reportage gut erarbeiten, ebenso wie die Funktion des Bildes.

Was ist Ziviler Ungehorsam?

Im Unterricht selbst hatte ich noch ein AB vom letzten Jahr – da bin ich mit Erich Mühsam eingestiegen – das eine kurze Charakteristik des Zivilen Ungehorsams zusammenfasste – Verfasst hatte es das Aktionsnetzwerk Leipzig, bei dem es um Aktionen gegen rechte Aufmäsche geht: https://platznehmen.de/2010/12/12/ziviler-ungehorsam-haeufige-fragen-und-entgegnungen/#2

Merkmale lassen sich schnell herausarbeiten, danach dann den Ausgangsfall daran abarbeiten. Grundfrage: Taugt eine Rechtfertigung des Widerstands im Hambacher Forst als Form des Zivilen Ungehorsams? Eine Diskussion über Rechtmäßigkeit und moralische Verpflichtung lässt sich anschließen.

Weitere Beispiele lassen sich heranziehen: Rosa Parks, Ghandi. Zu Ghandi gibt es eine eindrückliche Filmszene, die ich letztes Jahr gezeigt habe. Ghandi ruft als Anwalt in Südafrika dazu auf, dass die Passpflicht der „Farbigen“ abgeschafft wird, indem er die Pässe öffentlich verbrennen will.

Weitere Themen

Im Rahmen der folgenden Stunden lässt sich ebenfalls thematisieren:

  • Sinn und Zweck von Gesetzen
  • Was ist Anarchie?
  • Was ist der Rechtsstaat?

Fazit

Es gibt eine Richtung der Sozialkunde, die sagt, dass man aktuellste, umstrittene Themen, die nah am Schüler sind, nicht thematisieren sollte, weil a) die Schüler nicht genug Ahnung haben, um sie zu diskutieren und b) diese Themen eben noch im Fluss sind und damit nicht überblickbar/objektivierbar.

Meine Richtung sagt, dass a) die Schüler ohnehin darüber reden und ich gern hätte, wenn sie ein wenig mehr Faktenwissen dabei einbringen könnten und b) das ganze verdammte Leben im Fluss ist und man es nicht überblicken kann – dass man damit aber eben fertig werden muss und ich auch nicht alle Antworten weiß.

Weiteres Material

1 Auszug aus Thoreaus „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“

2 Erich Mühsam

Freiheit in Ketten

Ich sah der Menschen Angstgehetz;
ich hört der Sklaven Frongekeuch.
Da rief ich laut: Brecht das Gesetz!
Zersprengt den Staat! Habt Mut zu euch!

Was gilt Gesetz?! Was gilt der Staat?!
Der Mensch sei frei! Frei sei das Recht!
Der freie Mensch folgt eignem Rat:
Sprengt das Gesetz! Den Staat zerbrecht! –

Da blickten Augen kühn und klar,
und viel Bedrückte liefen zu:
Die Freiheit lebe! Du sprichst wahr!
Von Staat und Zwang befrei uns du! –

Nicht ich! Ihr müßt euch selbst befrein.
Zerreißt den Gurt, der euch beengt!
Kein andrer darf euch Führer sein.
Brecht das Gesetz! Den Staat zersprengt! –

Nein, du bist klug, und wir sind dumm.
Führ uns zur Freiheit, die du schaust! –
Schon zogen sie die Rücken krumm:
O sieh, schon ballt der Staat die Faust! …

Roh griff die Faust mir ins Genick
des Staats: verletzt sei das Gesetz!
Man stieß mich fort. – Da fiel mein Blick
auf Frongekeuch und Angstgehetz.

Im Sklaventrott zog meine Schar
und schrie mir nach: Mach dein Geschwätz,
du Schwindler, an dir selber wahr!
Jetzt lehrt der Staat dich das Gesetz! –

Ihr Toren! Schlagt mir Arm und Bein
in Ketten, und im Grabverlies
bleibt doch die beste Freiheit mein:
die Freiheit, die ich euch verhieß.

Man schnürt den Leib; man quält das Blut.
Den Geist zwingt nicht Gesetz noch Staat.
Frei, sie zu brechen, bleibt mein Mut –
und freier Mut gebiert die Tat!

3 RWE – Selbstdarstellung

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