#wasmachteigentlichderchef 27.10.

Fahrrad. Morgens kalt. Handschuhe von gestern noch nicht trocken. Schlüpfrig im Wald an manchen Stellen, wegen des Regens gestern mit Laub. Fahrrad sehr dreckig, Taschen auch. Aber ich war diesmal auf der Rückfahrt früher dran und konnte den Herbst im Licht der untergehenden Sonne betrachten.

Morgen wieder Auto, weil ich nachmittags noch zu meiner Tätowiererin will. Sie möchte gern ihre Arbeit an meinem rechten Arm im bewegten Bild festhalten, für die Hall of Fame auf Instagram. Dort findet man jetzt schon meinen linken Arm, jedenfalls die Rückseite.


Betrete die Schule und begrüße die Kollegin der erweiterten Schulleitung, die den Vertretungsplan für den zweiten Konrektor übernommen hat, der in Quarantäne ist wie mein erster Stellvertreter.

Sie: „Guten Morgen, ich habe dich aus allen deinen Unterrichten diese Woche herausgenommen.“

Ich, unsicher: „Öhm, ok?“

Sie: „Reiner Eigennutz.“

Da geht jemand kein Risiko ein.


Erledigte Aufgaben

  • Emails abgerufen, aufgeregt
  • Sekretärinnen unterbreitet, dass sie alle Eltern noch einmal anrufen müssen, wegen der Informationen von gestern Abend
  • Stand: 6 Klassen, 175 Schüler und 14 Lehrer in Quarantäne oder wegen Coronaverdacht daheim
  • Abschlussarbeiten US, die ich vergessen hatte (Sorry KM, falls ihr mitlest, echt meine Schuld) Teilzeitanträge ausgedruckt, Email rausgehauen, Unterschriften nachgejagt
  • Gespräch mit Hausmeister über mein neues Pfadfinder-Projekt: Zeichen steht auf GO
  • Beratungsgespräch mit Sozialpädagoge, Schüler mit Betreuerin und Klassenlehrerin (1h)
  • Redaktionssitzung Dillingen, online (1h), ich habe nichts zu sagen gehabt, bin der Neue und hatte anfangs Mikrofonprobleme
  • Antrag für Teamlehrkraft endlich rausgehauen
  • Postausgang gemacht, aber vergessen der Sekretärin zu geben
  • Gespräch Verbindungslehrerin über Instauftritt SMV (der schön ist)
  • Gespräch mit Schulleiter FOS über Schülerunwesen außerhalb des Schulgeländes und die IT im Gebäude
  • Telefonat mit Mutter, das ich vorbereitet hatte, schwierig im Anfang, entpuppte sich dann aber lösbar
  • festgestellt, dass die Maßnahmen, die wir in Bezug auf den Unterrichtsbetrieb getroffen haben, erfolgreich waren, denke ich

Heute war ein guter Tag. Phasenweise konzentriert arbeiten können. Nicht ständig der Gedanke daran, was passieren würde, wenn einer der 5 aus der Schulleitung jetzt positiv getestet würde.

Dann wären alle dran, inklusive Sekretärinnen.

Wir haben mal kurz drüber gelacht und uns gefragt, wer eigentlich die dienstälteste, verbeamtete Lehrkraft ist, die dann die Leitung der Schule vor Ort übernehmen müsste.

Als ich 2018 alleine Schulleiter war, habe ich in der ersten Konferenz bekanntgegeben, wer im Falle meiner Abwesenheit die Dienstgeschäfte übernehmen müsste.

Die Kollegin war nicht amused damals und ist mittlerweile pensioniert.

Sie erinnern sich, dass war damals die Phase, in der ich mit Blutvergiftung, antiseptischem Verband und Antibiotika am Schreibtisch in der Schule saß.


Morgen gibt es, so denke ich, Entscheidungen darüber, wie es coronamäßig weitergeht. Nürnberg erreicht in absehbarer Zeit die magische Grenze 100 und ist dann rot-rot-ganz-dunkel. Ich höre nur noch überall, Bundeslandauf und -landab, von fast allen Parteien: „Wir halten die Schulen offen bis zum Letzten“. Abgesehen davon, dass das klingt wie „bis zum letzten Mann“ denke ich immer, bei aller Wertschätzung für die schwierige Arbeit von gewählten Volksvertretern: „Nein, nicht IHR haltet die Schulen offen. Das tun wir.“

Mit Verlaub. Hier wird die Zahl der notwendigen Aufsichten erhöht. Hier fallen massiv Vertretungsstunden an für KollegInnen in Quarantäne. Hier müssen Unterrichtsplanungen ständig neu aufgesetzt werden durch fehlende Klassen und Klassengruppen. Hier geht man jeden Tag in die Schule mit dem Gedanken, wen es als nächstes erwischt oder der Frage, ob die eigene Klasse heute noch da sein wird. Ob man was mit nach Hause nimmt, was der eigenen Familie schadet.

Daher, angesichts meiner Erfahrungen vor Ort würde ich Folgendes vorschlagen, ganz bescheiden:

  • Sofortige Umstellung der weiterführenden Schulen nach den Herbstferien auf Wechselunterricht, also Halbierung der Klassengruppen und wechselnd im Präsens- und Fernunterricht beschulen (Entlastung der Lehrkräfte, vereinfachte Umsetzung eines Hygienekonzepts, mehr Zeit auch für einzelne SchülerInnen)
  • Ab jetzt alle Entscheidungen treffen für große Zeitfenster, also Abkehr von dem „Fahren auf Sicht“ (Was um Gottes Willen haben wir denn vorher gemacht? Blind gesegelt?), jetzt bis mindestens zum Halbjahr, dann bis zum Ende des Schuljahres (damit der Bildungsauftrag auf lange Sicht auch wieder planbar und verbindlich wird)
  • verbindliche und abgesicherte Leistungsmessung im Fernunterricht einrichten, wenn man denn Leistungsfeststellungen weiter fordert, ansonsten
  • Verzicht auf Leistungsnachweise bis zum Halbjahr, Konzentration auf: Lücken füllen, Stand halten, langsam Wissen ausbauen, soziale Arbeit mit den SchülerInnen (nichts an den Anforderungen der Notengebung zu ändern bedeutet aktuell den Stress zu verdoppeln)

und

  • Ich will kein Geld. Das lässt mich nicht länger schlafen, das nimmt mir nicht die Sorgen um meine KollegInnen und meine SchülerInnen.

Man mag mir verzeihen. Ich mache sowas nicht in meinem Blog. Nicht dass ich wieder einen Anruf bekomme.

Aber ich bin müde und damit bin ich HIER nicht der einzige.

Schlafen Sie gut.

13 Antworten auf „#wasmachteigentlichderchef 27.10.“

  1. Ich unterschreibe jeden Punkt. Meine Klassen nehmen alles klaglos hin, die kalten Klassenzimmer, den MNS, Wegfall des Sporttrainings, etc. Was aber alle umtreibt, ist die Frage, was eigentlich mit den Leistungsnachweisen wird. Ich werde ständig gefragt und kann nur mit den Achseln zucken.
    Ein Kulmbacher Gymnasium ist übrigens schon seit letzter Woche komplett geschlossen, nachdem sich der Schulleiter dort wohl in seiner 9. Klasse im Geschichtsunterricht angesteckt hat. Da das komplette Direktorat und Seki dadurch in Quarantäne sind und auch sonst noch durch weitere Infektionsfälle weitere Lehrer und Klassen wegfielen, ist kein regulärer Schulbetrieb möglich.

  2. Uff.
    (Weise erwSL-Frau 🙂 )
    Welchselunterricht fand ich in Vor- und Nachbereitung sehr anstrengend, ist ja quasi doppelte Arbeit. Aber in Kombination mit dem letzten Punkt könnte er machbar sein.
    Viele Sch. (und Koll.!) empfanden die Phase nach Pfingsten mit halben Klassen als recht entspannt, ruhig und effektiv, endlich hatte man Zeit füreinander.
    Wenn eins aus der Pandemie gelernt werden sollte: Kleine Klassen erleichtern so vieles!

    Das Dings am Rad, ist das die Nyon-Alternative?

    Noch 2 Tage bis Pause… Toitoi.
    Anne

    1. Wir wollen Wechselunterricht anders ansetzen, und zwar mit fortschreitendem Stundenplan und Unterrichtsinhalten. Nicht dasselbe in Präsenz und Onlineunterricht machen.

      Das Ding am Rad ist das Nyon. Meinst du das Cobi? Das hatte ich ursprünglich und irgendwann aus Wut fast in den Wald geworfen. Das ist meines Erachtens nicht voll ausgereift. Die Entscheidung für das Nyon war ein Quantensprung.

  3. Deine bescheidenen Vorschläge möchte ich voll unterschreiben, alle davon. Ansonsten: ja, auch hier, sehr, sehr müde, aber sicher noch kein Vergleich zu dir. (Ab heute passt man auch wieder auf auf mich.)

  4. Oha, die Seifenkiste hat aber nochmal deutlich Fahrt aufgenommen, wie es scheint.

    Ich bin etwas hin-und-her-gerissener, was die Rückkehr zum Wechselmodell angeht, aber das liegt wahrscheinlich an meiner Klientel und ihren selten stabilen Elternhäusern.
    Aber größere Zeitfenster, um endlich Stabilität für Lehrer, Eltern und Schüler zu schaffen, würde ich mir auch wünschen! Im Notfall flexibel davon abweichen ist doch immer noch möglich und etwas ganz anderes als ständig im Notfall-Modus vermeintlich auf Sicht (von wegen!) unterwegs zu sein.
    Mutige Entscheidungen zu Leistungsnachweisen, Prüfungen und Versetzungen stünden vielleicht ohnehin mal an.

    1. Das Klientel habe ich hier ja auch, aber genau für die bräuchte man mehr Zeit und Möglichkeiten. Da wir tageweise wechseln wollen, kommt das diesen aber auch entgegen. Der wochenweise Wechsel hat sie weiter abgehängt.

      1. Ah, daran habe ich gar nicht gedacht (die Müdigkeit auch hier!), dann unterschreibe ich auch.
        Fürchte aber, dass hier vor Ort der wochenweise Wechsel, der flächendeckend Standard im Kreis war, erneut als Modell gewählt wird.

        Wie löst ihr den Stundenplan? Gibt es dann zweimal hintereinander einen Montag, oder nur alle 14 Tage? Oder strickt ihr einen neuen Plan?

        1. Stundenplan läuft durch. Klassen werden in zwei Gruppen geteilt – wir nehmen eine Teilung im Hinblick auf den IT-Unterricht vor. In der ersten Woche kommt Gruppe A am Mo, Mi, Fr – in der Woche drauf am Di und Do. Gruppe B entsprechend dazu. Der Unterricht verläuft vorwärts. Die Inhalte für die Tage daheim werden digital zur Verfügung gestellt mit dem Auftrag, diese mitzulernen.
          Für großen Leistungsnachweise werden wohl die Klasse jeweils gemeinsam reinholen und in der Turnhalle oder Mehrzweckraum schreiben.

          Wochenweiser Wechsel hatte nach unserer Meinung viel zu große Nachteile. Und damit stimmte man wohl „oben“ überein.

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