#wasmachteigentlichderchef 17.12.

Wollte nicht mehr

Ich spreche manchmal Dinge nicht so aus, wie ich es sollte, kann es auch schlecht mir selbst gegenüber zugeben, aber ich muss mal sagen, dass ich mit Ende der letzten Woche bedenklich erschöpft war. Deswegen wollte ich das Bloggen aufgeben, weil ich nicht mehr abends das durchkauen wollte, was tagsüber gelaufen war. Weil alles schon seit Tagen nur noch schwer fiel. Weil ich grad vielleicht einen weiteren Lernschritt als Schulleiter mache – wenn ich kann, werde ich ihn etwas später formulieren.

Quarantäne

Ich habe über Twitter immer wieder Erfahrungen mitgeteilt bekommen, dass jedes Bundesland – ich mag mittlerweile sogar sagen: jeder Regierungsbezirk – andere Regeln zum Umgang mit Corona-Infektionen in der Schule hat. Daher hier mal unser Konzept, selbst erstellt und erweitert unter Berücksichtigung der Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und aus dem Gespräch mit einer Kollegin einer anderen Reealschule. Bedenken Sie: Nürnberg hatte zwischendrin eine Inzidenz von über 390.

Auenland

Ich dachte immer, vorher, es läuft so ab, so wurde es mir jedenfalls vorgestellt:

  • Jemand macht einen Corona Test
  • Der ist positiv
  • Das Gesundheitsamt wird aktiv und betreibt dieses Contact Tracing
  • Alle werden informiert
  • Der Schulleiter bekommt Anweisungen, was er zu tun hat
  • Rosenduft steigt auf

Realität

  • Wir erfahren durch Eltern oder betreffende Personen, dass ein positiver Test vorliegt
  • Dies geschieht bevorzugt abends, Freitag oder so, oder schlimmer: morgens im laufenden Schulbetrieb
  • Danach wird versucht das Gesundheitsamt zu erreichen über die Nummern, die uns zur Verfügung stehen
  • In der Zwischenzeit greifen wir den Maßnahmen vor:
    • Rechnen: Zeitpunkt des Tests: 48h zurück ist die virulente Zeit für alles, was folgt
    • Klassen oder Klassengruppen identifizieren, die in dieser Zeit Kontakt zur infizierten Person hatten
    • Betroffene Lehrer nach Hause schicken
    • Klassen oder Klassengruppen isolieren
    • Eltern anrufen und die Kinder abholen lassen, einzeln
  • Parallel Absprachen mit dem Gesundheitsamt
  • Listen erstellen mit den Kontaktdaten der Kontaktpersonen
  • Brief erstellen zur Information über Quarantäne für die Eltern der Kinder
  • Rückfragen beantworten:
    • Wie lang war der Kontakt?
    • Welche Art Maske wurde getragen?
    • Ist der Lehrer durch die Klasse gegangen?
  • Abholung der Kinder organisieren
    • Eltern an der Pforte abholen
    • Kinder bringen
    • Mündliche Informationen über Quarantäne
  • Informationen ergänzen zur individuellen Quarantäne
  • Elternbriefe schreiben
  • Lehrerinfo schreiben
  • Schulhomepage ergänzen
  • Vertretungsplan machen

Am Tag danach müssen wir dann manchmal nacharbeiten, weil wir gern schnell reagieren, schnelle Entscheidungen treffen und geringstes Risiko eingehen.

Zusammenfassung

  • Wenn Lehrer infiziert:
    • KollegInnen, die engeren Kontakt hatten (> 15 Minuten, einfache Maske oder keine, weil z.B. beim Essen) gehen 14 Tage in Quarantäne, gelten als Kontaktperson 1
    • KollegInnen, die dem nicht entsprechen, aber Kontakt hatten, weil sie am selben Tisch im LZ saßen z.B., FFP2 Masken getragen haben, sind Kontaktpersonen 2
  • Unterschiede:
    • K1 machen einen Test nach 5 Tagen und nach 10 Tagen, wenn beide negativ sind, wird die Q aufgehoben
    • K2 können nach 5 Tagen einen Test machen, wenn der negativ ist, wird die Q aufgehoben
  • Diese Regeln wurden in letzter Zeit modifiziert, z.B. gab es irgendwann die Regel: Testen nach 5 Tagen, wenn negativ, kann die Lehrkraft wieder zur Arbeit und unterrichten, verbleibt aber in häuslicher Quarantäne, darf also NUR zum Arbeiten und auf dem direkten Weg in die Schule die Q. unterbrechen
  • Wenn SchülerIn infiziert:
    • Gesamte Klasse in Quarantäne für 14 Tage
    • ein negativer Test nach 5 Tagen hebt die Q auf

Ergänzung: Manchmal erfahren wir von einer Infektion bei einem Schüler nur durch Zufall.

Unterm Strich

Ja, die Schulleitung ist mit dem Sekretariat einen Vormittag lang blockiert:

  • Sekretärinnen telefonieren die Eltern an (zwischen 20 und 70) erstellen und ergänzen Listen
  • Ein Kollege informiert die KollegInnen und die vorgeordneten Behörden
  • Ein Kollege organisiert den Unterricht, der jetzt ohne Lehrer läuft
  • Ein Kollege telefoniert mit dem Gesundheitsamt und koordiniert die Kontakte zu den Kollegen
  • Ein Kollege sammelt die Informationen, bündelt sie, verteilt sie, verschriftlicht sie
  • Ein Kollege organisiert die Abholung der Kinder durch die Eltern

An extremen Tagen saßen Lehrer-KollegInnen mit am Telefon, sprangen ein und sorgten sich. Der Sicherheitsbeauftragte lief mit und organisierte. Nachdem wir das zwei Mal durchgespielt hatten, lief es irgendwie immer sehr flüssig.
Das Problem: Anweisungen aus dem Gesundheitsamt, die diese wiederum von anderer Stelle bekamen, änderten sich am Ende alle zwei Tage. Und wir taten es um unseren eigenen Unterricht herum.

Daher

War das ganze Chaos der letzten Tage bis zum Lockdown in meinem Erleben nur eine Fortführung dessen, was ich vorher schon hatte.
Wir hatten Ende letzter Woche zum zweiten Mal den Fall, dass wir ein Drittel des Kollegiums in Quarantäne schickten. Selbst mit Wechselunterricht war hier kein geregelter Unterrichtsbetrieb mehr möglich. Es gab sogar jemanden, die zum zweiten Mal in die Quarantäne musste. Schulen im Bezirk wurden geschlossen, weil die Lage kurzfristig unübersichtlich war oder aber eben einfach zu viele KollegInnen fehlten.
Wir haben also drei/vier Modelle nebeneinander geführt:

  • Klassen in Quarantäne: Distanzunterricht (live)
  • Klassen im Distanzunterricht (live, 8 und 9)
  • Klassen als vollständige Klassen im Schulhaus (10)
  • Klassen im Wechselunterricht (5-7)
    Problematisch waren SchülerInnen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Religionsunterrichts in Quarantäne waren, ihre Klasse aber nicht.

Ab einem bestimmten Tag konnte ich Ihnen nicht mehr aus dem Stegreif sagen, wer und welche Klassen aktuell im Schulhaus sind.

10 Antworten auf „#wasmachteigentlichderchef 17.12.“

  1. Vielen Dank , dass Du trotzdem bloggst und für Deine ehrlichen, menschlichen und für mich immer sehr wertvollen Einblicke.
    Nun gutes Durchhalten und dann hoffentlich ein paar Tage Erholung!
    Herzliche Grüße,
    Andreas

    1. Ich danke Dir. Übrigens auch für die faszinierenden Videos der Holzbearbeitung, die ich mir ab und an anschaue, um runterzufahren.
      Und wünsche dir eben dasselbe.

  2. Klingt aber wenigstens sicher – trotz Stress! In Hamburg kommen Lehrkräfte grundsätzlich nicht mehr in Quarantäne, es sei denn, sie haben selbst Corona. Von den SuS kommen nur Sitznachbarn in Quarantäne…

    1. Ich habe hier das Gefühl gehabt, dass es in dieselbe Richtung gegangen wäre, wenn nicht jetzt die Bremse gezogen worden wäre. Möchte mir das aber so nicht vorstellen, weder für mich noch meine KollegInnen oder SchülerInnen unter diesen Umständen dann „Unterricht zu machen“.

  3. Auch wir sind so vorgegangen, Lehrer allerdings sind hier grundsätzlich ungefährdet im Landkreis NEA. Alle waren froh, dass nun alle 3 Wochen zu Hause sind… Bloss dann…

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