Drei Wochen Schulleitung: Mist fahren

Die letzten drei Wochen waren so, dass ich mich scheue einige Begriffe, die mir beschreibend durch den Kopf gehen, hier zu nennen, weil ich befürchte, dass sich Leute, die ich kenne, zu viele Sorgen um mich machen.

Aber letztlich: Die Anspannung ist hoch, und zwar höher als ich erwartet habe. Und sie lässt (noch) nicht nach. Ich komme mir vor wie ein Akkord-Arbeiter. Meine Arbeitstage sind lang – ich hatte drei Tage in dieser Zeit, wo ich erst abends um 21 Uhr aus der Schule bin – , die Schlagzahl hoch.

Neulich erklärte ich einem Schulleiter-Kollegen: Ich gehe in der Pause zehn Schritte aus meinem Büro zum Lehrerzimmer. Auf diesen zehn Schritten führe ich zehn Gespräche und treffe ca. 6 Entscheidungen in 5 verschiedenen Fällen. Der Kollege daraufhin: Ja, und dann ist noch das größte Problem, sich hinterher daran zu erinnern, was man im Einzelnen entschieden hat. Das traf es schließlich auf den Punkt.

Manchmal fallen mir dann die Vorwürfe ein, die man gern der Schulleitung entgegen bringt…dass sie heute das eine sagt und morgen eventuell was anderes. Das liegt auch an diesen zehn Schritten.

An jedem Tag der letzten drei Wochen wurde ich mit mindestens einer Sache konfrontiert, die ich noch nie gemacht habe – und es kommt jeden Tag zu einem Moment, an dem ich mal kurzfristig überfordert bin. Ein anderer Schulleiter-Kollege sagte dazu, als ich es ihm erzählte: Ja, und dann schnell ein kluges Gesicht machen und überlegen, wie man da jetzt raus kommt.

Ich weiß es und bin mir bewusst: Keiner und auch ich muss nicht perfekt sein. Und dennoch ärgert mich jeder Fehler, der mir unterläuft – und ich mache nahezu täglich welche. Und den größten Teil davon verbessere ich.

Ich bin nicht verzweifelt, nicht niedergeschlagen, brenne nicht aus. Ich bin angespannt und oftmals sehr konzentriert. Ich schlafe gut. Ich schwimme an manchen Tagen, aber immer mit dem Kopf über Wasser.

Ich arbeite seit einigen Wochen auch samstags, umsonst. Auf einem Pferdehof. Ein paar Stunden. Heu auf die Pferdekoppeln fahren zum Beispiel. Letztes Wochenende haben wir u.a. einen Baum gefällt. Ich werde in die Bedienung aller Geräte eingewiesen, vor allem das Trekkerfahren nimmt viel Raum ein. Am kommenden Wochenende wird gepflügt. Danach geht es an den Misthaufen, ausbaggern und auf die Wiesen bringen.

Ganz umsonst ist es übrigens nicht. Ich bekomme mittags ein Vesper und kann am hellichten Tag mein Bier trinken. Und manchmal wird mir ein Wurstglas zugesteckt. Und auf dem Trekker entscheide ich nur für mich selbst.

5 Monate Schulleitung: Lasst die Spiele beginnen

Seit fast 40 Stunden bin ich Schulleiter. Kommissarisch versteht sich. Dies fällt mir grad heute auf, weil Sonntag ist und ich am Schreibtisch sitze und keinen Unterricht vorbereite. Stattdessen schreibe ich Bescheide für die Disziplinarausschüsse der letzten Woche. Danach muss ich mich noch an den Terminplan der Abschlussprüfungen machen. Einladungen für Konferenzen verfassen. Meinen Terminplan abchecken wegen der verschiedenen Gespräche nächster Woche.

Ich werde morgen die dienstälteste Lehrerin meiner Schule darauf aufmerksam machen, dass sie von nun an meine Vertretung ist, wenn ich nicht im Haus bin. Bin gespannt auf ihre Reaktion.

Habe am Freitag noch essentielle Vorarbeiten getätigt. Meinen Schreibtisch aufgeräumt. Meine Tätowiererin aufgesucht.

Meine neue Kaffeetasse für das Büro ist heute angekommen. Getöpfert von einer ehemaligen Schülerin.

Ich finds grad noch unheimlich. Und morgen wahrscheinlich auch – erst recht.

Also das mit dem Schulleiter.

5 Minuten Schulleitung: Tage

5 Uhr aufgewacht 5.01 das Denken angefangen Unwohlsein erste Gedanken an Disziplinarausschuss am Nachmittag Aufgaben des Tages durchgegangen 5.30 aufgestanden Wecker um 6 ausgeschaltet Tageszeitung Frühstück 6.45 losgefahren 7.20 an der Schule gewesen mit dem Chef die Aufgaben des Tages durchgegangen Fach geleert Unterschriften geleistet Gespräch mit Vertretungsplanmacherin Gespräch mit Kollegin Klage über mangelnde Terminabsprachen mit Schulleitung angehört Computer im Büro hochfahren Einloggen in KM-Postfach, Email-Programm, Schulverwaltung Nachrichten der Schulaufsicht überflogen Emails überflogen Unterschriften geleistet Befreiungen Schulbescheinigungen Tasse Kaffe Emails beantwortet Bewerbungen überflogen Todo Liste des Tages gecheckt Emails beantwortet Handyerinnerung: Unterricht in der zweiten Stunde in Geschichte 9. Klasse Klassenzimmer gegangen unterrichtet am Ende der Stunde in die Aula zum Pausenverkauf gehastet um vorn in der Reihe zu stehen Butterbrezel bestellt gemerkt dass Geld vergessen konnte anschreiben man kennt mich essend durch die Aula gesprochen gesprochen gesprochen im Sekretariat die Sekretärin angesprochen die den Ausdruck des Schulhaushalts in den Händen hält erwähnt dass ich davon nichts verstehe in 15 Minuten erklären lassen Disziplinarausschuss weiter vorbereitet Handyerinnerung: Unterricht in der 10. Klasse Information zur Abschlussprüfung zurück zum Büro Kollegin wartet mit zwei Schülern Disziplinargespräch das hatte ich vergessen lasse mir schnell drei Stichworte geben Disziplinargespräch anschließend Gespräch mit Kollegin allein Anschließend Gespräch mit Sozialpädagoge Anschließend Elterngespräch am Telefon Brief geschrieben Attespflicht Handyerinnerung: Unterricht andere 10. Klasse Info Abschlussprüfung Telefonat München wegen Aushilfen Notizen zur Unterrichtsplanung zweites Halbjahr ergänzt Emails beantwortet Sekretärin bringt Kaffeetasse die seit einer Stunde voll in der Maschine steht Beratungsgespräch Mutter Kurzkonferenz mit drei Kolleginnen für externe Prüflinge Unterschriften geleistet Ordnungsmaßnahmen Schulbescheinigungen Befreiungen Entschuldigungen erneutes Gespräch mit Sozialpädagogen Telefonat mit der Stadt Rechtsabteilung Raum für Disziplinarausschuss gecheckt Technik besorgt und aufgestellt Klassenkonferenz 6. Klasse besucht früher verlassen Disziplinarausschuss Begrüßung Anhörung Beratung Beschluss anschließend Gespräch mit Chef über Unterrichtsplanung und neues Personal Schreibtisch aufgeräumt heimgefahren Beim Imbiss gehalten große Thüringerbratwurst im großen Brötchen Senf im Auto gegessen während der Fahrt Berufsverkehr 16.30 Uhr wieder daheim.