Besprechungsprotokoll des Treffens am Wannsee vom 20.01.1942

„Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gab sodann einen kurzen Rückblick über den bisher geführten Kampf gegen diese Gegner. Die wesentlichen Momente bilden

a) die Zurückdrängung der Juden aus den einzelnen Lebensgebieten des deutschen Volkes,

b) die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes.

Im Vollzug dieser Bestrebungen wurde als einzige vorläufige Lösungsmöglichkeit die Beschleunigung der Auswanderung der Juden aus dem Reichsgebiet verstärkt und planmäßig in Angriff genommen.

Auf Anordnung des Reichsmarshalls wurde im Januar 1933 eine Reichszentrale für jüdische Auswanderung errichtet, mit deren Leitung der Chef der Sicherheitspolizei und des SD betraut wurde. Sie hatte insbesondere die Aufgabe

a) alle Maßnahmen zur Vorbereitung einer verstärkten Auswanderung der Juden zu treffen,

b) den Auswanderungsstrom zu lenken,

c) die Durchführung der Auswanderung im Einzelfall zu beschleunigen.

/…/

Das Aufgabenziel war, auf legale Weise den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern.

/…/

Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.

/…/

Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, /…/

Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.

Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigen Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen /…/“

Aus dem Besprechungsprotokoll der Wannseekonferenz 1942

Quelle nachzulesen: https://www.ghwk.de/de/konferenz/protokoll-und-dokumente


#AfDverbieten

Verfahren einleiten. Jetzt.

Sie kommen nicht als Freunde.

Ergänzungen zu M

Habe mit M telefoniert. Anderthalb Stunden lang – ich betone es, weil ich ungern telefoniere in der Regel. Aber wir stellten fest, dass wir mehr als zehn Jahre keinen Kontakt mehr hatten. Er kommt bald wieder in die Region, dann können wir uns treffen.

M betonte, nachdem er auch den Post gelesen hat, dass er sein Medizinstudium zuende gebracht hat, aber weder einen Doktortitel noch einen Facharzt anstrebte. Ich wusste, dass sein Schwerpunkt in der Pädiatrie lag, aber momentan und schon länger arbeitet er in einer Ambulanz zur Substitutionsbehandlung Heroinabhängiger.

Ich muss also mein Gedächtnis ergänzen – wobei ich gemerkt habe, dass es keine Lücke war. Ich habe mein Erleben von ihm projiziert auf einen Bereich, an den ich keine Erinnerung habe, weil ich nie etwas darüber wusste.

Zeitweise wohnte er in einer Kommune, wobei ich diesen Plan noch erinnerte. Kommune klingt wild für jeden über 40 (50?). Aber er erläuterte, dass es ein Projekt einer Gruppe von unterschiedlichsten Menschen war, die im Wohnen zusammen wirtschaften wollten, nach sozialen Kriterien (also z.B. Höhe des Einkommens) und eben als Gemeinschaft. M erklärte, dass es mittlerweile viele Projekte für unterschiedliche Formen des gemeinschaftlichen Wohnens gibt. Der Grundgedanke, wenn ich es verstanden habe, war, dass man zusammen Wohnraum kauft (mit den entsprechenden Krediten) und ihn so dem Immobilienmarkt und seinen „Gesetzen“ entzieht.

An die Sache mit dem Schweinebraten konnte er sich nicht erinnern, aber an das Bier.

Es ist mir fast peinlich, dass ich erinnerte, dass er aus der Medizin ausgestiegen sei. Aber ich frage mich gleichzeitig, was diese schiefen Erinnerungen eigentlich über mich aussagen. M gehört in dem Erleben von mir selbst immer noch zu den Personen, die ich als Charakter zum Vorbild habe. Das klingt jetzt pathetisch, aber es geht eher so, dass ich Dinge erlebe oder höre und dabei denke „M hätte jetzt das gemacht oder jenes gesagt oder so gelacht“.

Diese Personen ändern sich nicht, wenn ich mich falsch erinnere und darauf aufmerksam gemacht werde. Vielleicht ändere ich mich und nicht nur meine Erinnerung.

Die Geschichte mit M

Vorbemerkung: Je älter ich werde, desto unklarer ist, ob die Geschichten, die ich mir seit Jahren selbst erzähle, wirklich bis ins Letzte so passiert sind. Namen von Personen stimmen in der Regel, Orte nicht immer, Einzelheiten sind vielleicht richtig, Zusammenhänge bestimmt nicht immer. Manchmal ist alles bis ins Groteske verzerrt, wenn ich den Beteiligten meine Sicht erzähle.

Als Beispiel mal aus anderer Sicht: 2005 heiratete eine alte Freundin, die älteste, in London. Ich fuhr hin und dort traf ich viele MitschülerInnen meiner Schulzeit zwischen 1985 und 1989. Einer sprach mich an (G), was die Computerbranche so mache. Ich war sehr irritiert und musste ihn aufklären, dass ich Lehrer geworden war. Er aber erinnerte sich daran, dass ich doch mit T und Computern zu tun gehabt hätte. Und nach einigem Nachdenken fiel mir ein, dass mir T irgendwann 1985 mal von seinem Computer erzählt hatte. Damals konnte ich mir nichts darunter vorstellen und besuchte ihn, um mir den mal vorführen zu lassen. Das war spannend, aber meinen eigenen ersten Computer kaufte ich mir erst 1993. In den Augen von G war ich aber die ganzen Jahre als Computerfreak, der in die IT-Branche gewechselt war, abgespeichert.

Jedenfalls: In der zweiten Hälfte meines Studiums in Würzburg Mitte der 1990er Jahre zog ich zu M in eine Zweizimmer-WG. Wie sich später herausstellte, kannte ein Studienkollege von mir ihn aus einer gemeinsamen Zeit auf Kuba, wo beide mehrwöchig eine organisierte semi-politische Unterstützer-Bildungsreise mit zeitweisem Arbeiten auf den Zuckerrohrfeldern unternommen hatten (so war es in meinen Erinnerungen). Ich weiß noch, dass ich zu diesem Zweck mein altes Fahrrad gestiftet hatte – man sammelte die und verschiffte die ebenfalls nach Kuba (jetzt, wo ich das schreibe, klingt es erheblich schräg).

M stammt aus der Oberpfalz, den Regierungsbezirk in Bayern, der als besonders konservativ gilt. Der, ganz nebenbei, in dem Wackersdorf liegt. (Eine sehr spannende Doku findet sich zu Wackersdorf immer noch in der Mediathek ) M erzählte von einem Heimatdorf, in dem seine Eltern einen Bauernhof haben. Er selbst, so hieß es, sei Vegetarier, aber während unseres Zusammenwohnens brachte er auf meinen Wunsch immer gern einen Schweinebraten vom Schlachten mit. Verwundert hörte ich damals, dass das Dorf, aus dem er kam, keine Straßennamen kannte, sondern dass man einfach die Häuser durchnummeriert hatte. Das hörte ich damals zum ersten Mal. Er erzählte mir auch von seinen Erlebnissen in Gorleben oder vom Münchner Kessel (in seinem Zimmer in Würzburg hing ein handtellergroßes Lüftungsgitter, welches er nach eigenen Angaben aus der Zelle im Polizeibus abgeschraubt hatte, in der er kurz untergebracht war). In Würzburg stand er vor dem Ende seines Medizinstudiums, was er später an den Nagel hing. Einmal rief seine Mutter an, als er nicht da war. Ich unterhielt mich mit ihr, konnte sie aufgrund des Dialekts nicht gut verstehen. Als er sie zurückgerufen hatte, berichtete er, dass ihn seine Mutter am Ende des Gesprächs gefragt hätte, ob er jetzt mit einem Ausländer zusammenwohnen würde.

Noch vor meinem Examen trennten sich unsere Wege. Wir blieben locker in Kontakt. Er überraschte mich noch einmal, als es um die Frage ging, wo ich mein Referendariat machen müsste. Es standen 5 Orten zur Auswahl, bei denen ich von den meisten nicht auf Anhieb wusste, wo in Bayern die lagen – geschweige, dass ich von den Orten schon etwas gehört hatte. Da rief er plötzlich an und sagte, er würde mit dem Zug durch Würzburg kommen. Wenn ich am Bahnhof sei, könnte er mir etwas geben. Also reichte er mir am Bahnsteig durchs Zugfenster eine Tasche nach draußen, in dem sich 5 Flaschen Bier befanden, aus jeweils einer der möglichen Städte eine Sorte: Erlangen, Riedenburg, Kelheim, Miesbach, Kempten. Die hatte er stellenweise selbst besorgt, andere von Freunden besorgen lassen.

In den Folgejahren besuchte er mich ein paar Mal, dann auch in Mittelfranken, wo ich das Referendariat machte, später auch lange Zeit unterrichtete. Vor mehr als zehn Jahren aber brach der Kontakt ab. Ich hatte immer wieder versucht, ihn zu erreichen, aber es war unklar, ob die Handynummer noch stimmte oder die Email-Adresse. Ich hatte mir den Namen des Dorfes, aus dem er kam, nie richtig gemerkt (es war irgendwas mit einem Waldtier, aber ich konnte Waldtiere nicht gut unterscheiden, nicht mal, wenn ich sie überfuhr.) Die Oberpfalz war weit weg damals und unheimlich. An einer meiner Schulen, wo ich zur Abwechslung länger war, lernte ich einen ehemaligen Mitschüler von M kennen. Mit diesem und einigen anderen Mitschülern ging er jährlich auf eine Radtour – hier hörte ich also zum ersten Mal wieder von M. Die Schulpsychologin vom benachbarten Gymnasium kannte ihn auch aus der eigenen Schulzeit. Die Frau meines Chefs besucht dieselbe Schule. Kontakt bekam ich aber dennoch keinen. Irgendwie schob sich M in meinem Leben in den Hintergrund.

Anfang diesen Jahres bin ich selbst in die Oberpfalz gezogen und habe dann am Ende des Sommers die Schulleitung einer Realschule in der Gegend übernommen. Nach ein paar Wochen las ich in der Zeitung von einer jungen Frau, die ein öffentliches Amt in der nördlichen Region von hier aus übernommen hatte und die den Nachnamen von M trug. Ich wusste von einem Bruder und dachte, das könnte dessen Tochter sein oder was auch immer. Ich forschte ein wenig nach und fand dann den Ortsnamen sowie den Namen des Dorfes und es gibt dort einen Bauernhof mit dem entsprechenden Nachnamen.

Ich bin keiner, der bei fremden Leuten einfach vor der Haustür steht und dann Fragen stellt. Aber es ergab sich dann doch ganz einfach. Meine Mitbewohnerin war zum Frühstück mit ehemaligen Schulfreundinnen verabredet und brachte dabei M ins Gespräch. Eine der Anwesenden, stellt sich heraus, ist verheiratet mit einem Mann, der ein Cousin von M ist und ein paar Tage später hatte ich eine neue Handynummer und eine Verabredung mit M für dieses Wochenende. Diese platzte jetzt leider, weil in unserem Haushalt Corona ausbrach und wir alle Termine für das Wochenende gecancelt haben. Aber wir wollen kommende Woche telefonieren und vielleicht in 3-4 Wochen ist er wieder im Land.

Was soll man noch sagen. Menschen bleiben hängen. M in diesem Fall, weil er in der Konzeption meiner Erinnerungen jemand ist, der nach bestimmten Vorstellungen lebt, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Mit allen Kontrasten, die aber vielleicht nur ich so deute.

Ergänzungen zu M