18 Jahre Schulleiter: Alles zurück auf Start

Das neue Schuljahr hat begonnen, nicht ganz astrein, etwas holprig, aber es läuft. Erste Notiz an mich: Nicht immer nur die Fehler sehen.

Kaum hat es begonnen, fahre ich (morgen) nach Dillingen, und zwar zur ersten Kurs-Woche für neu ernannte Schulleiter an Realschulen in Bayern. Es folgen noch eine Woche im Januar und eine in den Osterferien. Einmal querbeet durch die Arbeitsbereiche des Schulleiters auf der Basis eines Gesamtkonzepts. Von morgens 9 Uhr bis abends um 20 Uhr. Unterbrochen von Mahlzeiten und wenn Sie Dillingen kennen: Nein, ich gehe nicht am Abend in den Akademiekeller. Weil ich zu den Menschen gehöre, die ihre sozialen Fähigkeiten als Akku betrachten, dessen Kapazität irgendwann einfach erschöpft ist und nur durch Ruhe und Kontemplation wieder aufgeladen werden kann. Zweite Notiz an mich: Denk an dich.

Beim Vorablesen einiger Unterlagen merke ich, dass es irgendwie doch ernst wird. Ernster noch als im vergangenen Halbjahr, wo ich mich immer rausreden konnte damit, dass ich ja nur die Vertretung bin. Dritte Notiz an mich: Lass dich endlich drauf ein, Chef. Der 5. Klässler, der auf dem Gang neulich hinter mir her lief und laut rief: „Hallo, Herr Direktor“ hat es ja auch kapiert.

Eine deutliche Veränderung aber ist der reduzierte Unterricht, der sich aktuell auf zwei Sozialkundeklassen beschränkt, also vier Stunden. Neulich kam mir der Gedanke, dass sich das auf Dauer nicht ändern wird. Dass ich auf Jahre hinaus wahrscheinlich mindestens eins meiner drei Fächer nicht mehr unterrichten werde. Ob das schade ist? Ob mir der Unterricht fehlt? Nicht wirklich muss ich sagen. Aus mehreren Gründen. Zum einen natürlich, dass ich so viel anders zu tun habe, dass daneben nicht wirklich noch ein großer Stundensatz Unterricht bewältigt werden kann – und das meine ich zeitlich und inhaltlich. Zum anderen übernehme ich aber jetzt natürlich auch die Beurteilung der KollegInnen, was Unterrichtsbesuche mit einschließt. Und vor allem auf die Unterrichtsbesuche freue ich mich, denn wann hat man sonst die Gelegenheit so viele ganz verschiedenen LehrerInnen in ihrem Unterricht zu sehen?

Was ansteht und mir quer hängt, ist die Amtsantrittsfeier. Es gibt Personengruppen, die mich sanft aber bestimmt dazu brachten, von meiner Antihaltung (ich kenne da noch einen Kollegen, der dieselbe Haltung hat) abzurücken. Man erklärte mir (und ihm), dass diese Feier durchaus wichtig sei, um sich, den KollegInnen und der Öffentlichkeit drumherum zu zeigen, dass man jetzt der Chef ist. Unsere Ablehnung, so klärte man mich auf, da wären wir ja nicht die einzigen, sei normal bei Konrektoren, die schon vor der Ernennung zum Schulleiter die Schule führen mussten, weil der Chef aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr aktiv war. Und dennoch: Die Vorstellung, dass Leute vor anderen Leuten über mich reden und das noch in meiner Anwesenheit, erzeugt in mir Unwohlsein.

Unterm Strich aber versuche ich grad nebenbei mein Leben neben dem Job zu stärken, denn zugegebenermaßen ist dies deutlich zu kurz gekommen. Selbst in den Ferien habe ich das Gefühl gehabt, dass es grad mal dazu reichte, Schlaf nachzuholen. Dies umso wichtiger, da dieser Blog zu einem Schulleiter-Blog verkommt.

Die E-Bike-Geschichte hat sich etwas festgesetzt. Die würde ich gern weiter verfolgen, vor allem, weil mir seit einiger Zeit das Autofahren auf den Senkel geht. Rund um und in Nürnberg werden grad Autobahn- und Straßenbauprojekte durchgezogen, die den Verkehr auf allen meinen möglichen Strecken nahezu täglich schwer machen. Neulich, ich saß im Auto und versucht zur Schule zu kommen, meldete der Vertretungsplanmacher über Threema, dass er jetzt aufgebe, den Plan weiter zu machen, weil immer mehr Lehrer sich meldeten, die irgendwoe stecken geblieben waren, er würde jetzt einfach nach Gehör durchs Haus gehen und die lehrerlosen Klassen einsammeln.

Im Oktober, nach Dillingen, steige ich für vier Wochen auf den ÖPNV um, um den anzutesten und wenn der Winter rum ist, könnte das Fahrrad eine Lösung sein – wie ich hoffe, für mehrere Probleme, nicht nur den Verkehr.

Ist das jetzt noch Nischen-Bloggen oder schon Tagebuch, Herr Rau?

Ich bin letzte Woche 49 geworden.

Disclaimer: Voriger Post

  1. Ich war vom 26.2. bis Ende Juli allein Schulleiter. Ab dem 1. August sind wir wieder komplett, das heißt ein Stellvertreter und ein weiterer Stellvertreter sind an der Schule.
  2. Ich kenne mich sehr gut und diese Symptome sind mir vertraut. Zugegebenermaßen nicht so gehäuft in so kurzer Zeit.
  3. Mir war nicht bewusst, wie ich in der Zeit auf andere gewirkt habe. Heute meinte eine Kollegin, sie hätte sich manchmal gefragt, ob ich am nächsten Tag noch komme.
  4. Ich habe sehr viel Unterstützung „von oben“ bekommen. Ich habe z.B. kaum einen Abgabetermin wirklich eingehalten, aber man war geduldig mit mir. Andere steckten mir ihre privaten Handynummern zu.
  5. Ich habe ein Kollegium, was mir – gefühlt – viel Vertrauen entgegengebracht hat und zwei sehr wichtige Mitarbeiter der Schulleitung – ohne diese ganzen Menschen (und das ist jetzt kitschig , aber wahr) hätte es ohnehin alles nicht funktioniert.

Und schauen Sie mal: In der aktuellen Woche bin ich an vier Tagen mit dem E-Bike (ausgeliehen) zur Schule und wieder zurück geradelt. Das sind 22km einfach: 10km durch den Wald, 5km an der Pegnitz entlang, 4km Park und Auen und See, 3km Hauptstraße. Das beste, was ich grad erlebe.

Deutsch leicht gemacht 12: Punk und die Wortarten

Gleich als Warnung: Ich unterrichte seit einiger Zeit kein Deutsch – höre aber aktuell sehr gern deutsche Punk-Musik.

Aktuell die Band „Love A“. Auf dem Album „Eigentlich“ findet sich der Song „Freibad“:

Eis gekauft, Leckmuschel gekauft, Esspapier gekauft.
Hose runter – Freibad.
Fahrradschloss abgesperrt, Schülerausweis vorgezeigt, Caprisonne auf ex.
Hose runter – Freibad.
Wasserrutsche, Wasserrutsche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Rückencremen, Kaltwasserdusche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.

Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Fahrradschloss aufgesperrt, Susi Neumann abgecheckt, Bademeister – Mittelfinger.
Hose runter – Freibad.
Wasserrutsche, Wasserrutsche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Rückencremen, Kaltwasserdusche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.

Könnte mir vorstellen, dass man anhand des Songs in irgendeinem Zusammenhang mal die Wortarten und ihre Bedeutung erörtern könnte. Es wird fast vollständig auf (finite) Verben vezichtet – außer in „sie liebt dich nicht“. Daneben dann Partizpien. Grundsätzlich unvollständige Sätze. Keine Adjektive.

Funktioniert das Lied? Und wenn ja, als was? Liebeslied? Entliebungslied? Coming of age? Wie werden die Lücken, die grammatikalisch entstehen, eigentlich gefüllt? Wie entsteht Bedeutung?

Ich habe vor langer Zeit, als ich untere Klassen unterrichtet habe, im Zusammenhang mit Wortarten gern Texte schreiben lassen, in denen auf bestimmte Wortarten verzichtet werden sollte – Liebesbriefe ohne Verben, Geburtstagseinladungen ohne Nomen, Postkarten aus dem Urlaub ohne Adjektive. Dies stelle ich mir als Erweiterung im Unterricht vor.

Und dann hören:

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https://www.youtube.com/watch?v=1RSHXahdwSI

PS: Ich hatte im Hinterkopf die ganze Zeit ein Lied der Kölner Band „Schröders Roadshow„, welches in den 80ern das erste mal gehört habe. Dabei dachte ich, dass dies nur aus einem Wort besteht, nämlich „Ulla“. Aber meine Erinnerung trog. Der Referain besteht daraus, ansonsten ist der Text sehr schlecht zu verstehen, aber es scheinen auch dort wenig Verben vorhanden zu sein :D. Wenn man reinhören will – die einzige Möglichkeit (außer Spotify?) ist bei amazon und der Platte „Anarchie in Germoney“:

Nein, ich habe keine Partner-Dingsbums mit Amazon.