Wenn’s brennt. Stephan Reich.

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In den Besprechungen gehandelt als „Tschick“-Fork, was ich anfangs ständig im Hinterkopf hatte. Im weiteren Lesen verfliegt das. Weder erzähltechnisch noch von Anlage der Charaktere oder Handlung etwas mit Tschick gemeinsam (außer vielleicht die Rahmenhandlung, hm, nunja). Sonst müsste man alle kommenden Coming-of-Age-Geschichten derart einordnen.

Durchgängig auffällig das Motiv der Kleinstadt, die nie benannt wird und so zum locus terriblis wird, mit stillgelegten Geschäften, Brachen und der dazugehörigen Stimmung (Ich habe das gerade nachgeschlagen, weil mir aus dem Studium der locus amoenus einfiel, mir war nicht klar, dass es auch einen Gegenbegriff gibt…unglaublich, was da passiv im Kopf rumschwappt).

Am lustigsten: Der Ich-Erzähler neigt in seinem Leben dazu, manchmal gedanklich gehörig abzuschweifen, was ihm ordentlich Probleme vor allem mit seiner Freundin einhandelt (entsprechend wunderbare Sex-Szene). Dazu auch noch die Angewohnheit, die ihn umgebende Szenerie in seiner Vorstellung in eine Action-Film-Umgebung einzubetten. Manchmal geschieht dies so unvermittelt, dass man nicht gleich unterscheiden kann, was Wirklichkeit und was Fantasie ist.

Grundsätzlich hat der Roman sehr gut gefallen (in zwei Tagen gelesen, was für mich schon rekordverdächtig ist), wenn er sich auch bis Ende nicht recht entscheiden kann. Zum einen ausschweifende Alkohol-Drogen-Exzesse in der Kleinstadt vor dem Hintergrund, dass der Ernst des Lebens fremdbestimmt über die beiden Hauptfiguren hereinbricht, mit einem etwas plakativen Ende, was ziemlich viele Fragen* offen lässt.

Zum anderen surrealistische Groteske aus der Provinz, ansatzweise als Porträt, Sittenbild oder eben was?

 

*Diese Fragen aber sind nicht die, von denen meine Schüler so gern am Ende der Behandlung von Kurzgeschichten sprechen („der Leser muss sich selbst Gedanken machen“), sondern eher solche, die auf das Innere des Romans zielen, auf die inneren Konflikte, die sie austragen und damit auch auf die Beziehungen, die sie zueinander pflegen und mit denen sie vielleicht scheitern. Diese werden zwar erlebt und dargestellt, aber für mich nicht wirklich nachvollziehbar vertieft.

Eric Berg. Schrei.

9783845807751Ein nicht näher beschriebenes Verbrechen ist passiert und alle auftretenden Figuren, die sich äußern, sind irgendwie darin verwickelt. Aus ihren Perspektiven heraus werden die Ereignisse rekonstruiert. Im Zentrum steht Lulu, die auch in den Augen der anderen eine undurchsichtige Rolle im ganzen Spiel bietet.

Die Spannung bleibt bis zum Ende hin erhalten und die Auflösung ist nicht vorhersehbar. Gut erzählt allemal.

Kommt auf die Liste der möglichen Schullektüren.

Elizabeth Laban. So wüst und schön sah ich noch keinen Tag

LaBan_25082_MR1.inddIch habe das Buch nach dem Titel ausgewählt, nachdem es mir über Lovelybooks in meinen Feedreader geschwemmt wurde, es wurde gehypt. „So wüst und schön sah ich noch keinen Tag“ von Elizabeth Laban. Die inhaltliche Beschreibung schien vielversprechend (amerikanische College-Geschichte mal anders), die Form war interessant (Einbettung einer Geschichte in eine Geschichte, also zwei Erzähler).

Duncan kommt nach den Sommerferien zurück an die Schule, einem renommierten College irgendwo in der amerikanischen Provinz. Eine besondere Überraschung erwartet ihn, denn es ist üblich, dass die vorigen Bewohner der Zimmer ihren Nachfolgern einen „Schatz“ hinterlassen. Er findet in seinem Zimmer besprochene CDs von Tim.

Tim erzählt ihm die Geschichte des Vorjahres aus seiner Sicht. Es war etwas Aufsehenerregendes passiert, bei dem auch Duncan eine Rolle spielte. Nach und nach eröffnen sich die Ereignisse, die zunehmend zu einer Katastrophe führen.

Leider ist der Roman sehr schematisch ausgefallen. Man begegnet dem üblichen College-Muster amerikanische Vorbilder: Auf der einen Seite die beliebten Schüler, die die Regeln nach ihren Maßstäben auslegen, auf der anderen Seite die Sonderlinge und Auffälligen, die unter die Räder kommen. Dazwischen die Liebesgeschichte zwischen einem Sonderling und dem Mädchen, welches eigentlich die Freundin des beliebtesten Schülers ist.

Und das war es eigentlich auch schon.

Die Charaktere bleiben blass – das einzig Auffällige an Tim ist, dass er ein „Albino“ ist. Duncan selbst gehört zu den weniger beliebten Schülern, warum, erfährt man nicht. Und größere Konflikte hat er deswegen auch nicht auszukämpfen.

Das Einbetten einer Geschichte in die Geschichte war vielversprechend, konnte mich aber nicht wirklich überzeugen. Das lag vor allem daran, dass die einzige Funktion darin bestand, die Handlung zu verzögern, also im einfachen Sinne Spannung zur erzeugen. Der Erzählstil änderte sich nicht, nicht mal die Sprache oder der Erzählfluss. Ich bekam zwar erzähltechnisch mit, dass nun eine CD ablief, auf der eine Person ihre Geschichte erzählte, aber ich vergaß das nach nur wenigen Sätzen und manchmal wusste ich, ob ich nun die CD höre oder den ursprünglichen Ich-Erzähler lese.

Weiterhin soll die Tragödie im literarischen Sinne als Rahmen dienen, vor dessen Hintergrund auch die Hauptfiguren mit den Namen „(Tim) Macbeth“ und „Duncan“ agieren. Das einzige, was hier wirklich gespiegelt wird, sind aber eben nur die Namen. Weiter geht dieses Spiel nicht.

Den Maßstab, den ich ansetzte, war und ist der Roman „Das also ist mein Leben“ von Stephen Chbosky. Vielleicht ist das ein Fehler, da dieser alles das richtig gut macht, was hier eher schwach funktioniert: Intelligente, lebendige und gebrochene Charaktere, spannende Form (Briefe an einen toten Freund) und eine fesselnde Geschichte, die sich nicht in alten Mustern erschöpft.

Ich denke mittlerweile, dass nicht Vietnam das Ur-Trauma der USA ist, sondern das alljährliche Homecoming.

Als Gegenmittel lese ich nun „Schrei“ von Eric Berg (http://www.presseportal.de/pm/102011/2942412) und darunter liegt schon „Wenn’s brennt“ von Stephan Reich (NDR Kultur/Audio: http://www.ndr.de/ndrkultur/Stephan-Reich-Wenns-brennt,audio272562.html).

Auf manche Nacht folgt kein Tag. Leonie Haubrich

Ich weiß ja auch nicht immer, wie ich auf Bücher komme, aber da bin ich drauf gekommen. Ich glaube, wahllos aus der Kindle-Bücherei ausgeliehen über den Prime Zugang.

Das fällt unter Selbstveröffentlichung, also über Amazon. Geschichte im Ansatz nett und interessant, aber die Figuren etwas wenig unterfüttert, etwas sehr eindimensional.

Bin ja schon froh, wenn ich dieser Tage ein Buch zu Ende bekomme.

Habe aber jetzt grad als Reaktion darauf, ein Papierbuch in die Hand genommen. Mal sehen.

Bücher der letzten Zeit, die ich nicht zu Ende gelesen habe

Und ich kann nicht sagen, dass sie mir überhaupt nicht gefallen haben. Aber irgendwie bekam ich sie nicht bis zum Ende:

Jonathan Franzen: Unschuld (55%)

Der rote Faden fehlt mir.

Sybille Berg: Vielen Dank für das Leben (75%)

Berg war für mich immer (lasst mich poetisch sein) Literatur wie ein Schlag in die Magengrube. Vor vielen Jahren habe ich schon die Kolumnen im Zeit-Magazin so empfunden – und genossen. Vielleicht bin ich alt geworden, empfindlicher. Aber irgendwie war das Lesen eine Achtbahnfahrt. Manchmal habe ich das Buch wochenlang liegengelassen, dann wie wieder aufgenommen, gelesen, gehofft mit der Hauptfigur – bis zum nächsten Tiefschlag. Selten so gelitten mit einer literarischen Figur.

Das einzige Buch in dieser Reihe, was ich ganz sicher wieder anfassen werde.

Max Frisch: Ignoranz als Staatsschutz (50%)

Belanglos. Bringt mir nichts Neues. Schade, irgendwie.

Jakob Arjouni: Ein Freund (25%)

Nach seinem Tod einiges gelesen von ihm. Hier hängen geblieben.