Deutsch leicht gemacht 12: Punk und die Wortarten

Gleich als Warnung: Ich unterrichte seit einiger Zeit kein Deutsch – höre aber aktuell sehr gern deutsche Punk-Musik.

Aktuell die Band „Love A“. Auf dem Album „Eigentlich“ findet sich der Song „Freibad“:

Eis gekauft, Leckmuschel gekauft, Esspapier gekauft.
Hose runter – Freibad.
Fahrradschloss abgesperrt, Schülerausweis vorgezeigt, Caprisonne auf ex.
Hose runter – Freibad.
Wasserrutsche, Wasserrutsche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Rückencremen, Kaltwasserdusche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.

Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Fahrradschloss aufgesperrt, Susi Neumann abgecheckt, Bademeister – Mittelfinger.
Hose runter – Freibad.
Wasserrutsche, Wasserrutsche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Rückencremen, Kaltwasserdusche.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.
Nein, nein, nein, sie liebt dich nicht.

Könnte mir vorstellen, dass man anhand des Songs in irgendeinem Zusammenhang mal die Wortarten und ihre Bedeutung erörtern könnte. Es wird fast vollständig auf (finite) Verben vezichtet – außer in „sie liebt dich nicht“. Daneben dann Partizpien. Grundsätzlich unvollständige Sätze. Keine Adjektive.

Funktioniert das Lied? Und wenn ja, als was? Liebeslied? Entliebungslied? Coming of age? Wie werden die Lücken, die grammatikalisch entstehen, eigentlich gefüllt? Wie entsteht Bedeutung?

Ich habe vor langer Zeit, als ich untere Klassen unterrichtet habe, im Zusammenhang mit Wortarten gern Texte schreiben lassen, in denen auf bestimmte Wortarten verzichtet werden sollte – Liebesbriefe ohne Verben, Geburtstagseinladungen ohne Nomen, Postkarten aus dem Urlaub ohne Adjektive. Dies stelle ich mir als Erweiterung im Unterricht vor.

Und dann hören:

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https://www.youtube.com/watch?v=1RSHXahdwSI

PS: Ich hatte im Hinterkopf die ganze Zeit ein Lied der Kölner Band „Schröders Roadshow„, welches in den 80ern das erste mal gehört habe. Dabei dachte ich, dass dies nur aus einem Wort besteht, nämlich „Ulla“. Aber meine Erinnerung trog. Der Referain besteht daraus, ansonsten ist der Text sehr schlecht zu verstehen, aber es scheinen auch dort wenig Verben vorhanden zu sein :D. Wenn man reinhören will – die einzige Möglichkeit (außer Spotify?) ist bei amazon und der Platte „Anarchie in Germoney“:

https://www.amazon.de/Anarchie-Germoney-Schroeder-Roadshow/dp/B0000631H0

Nein, ich habe keine Partner-Dingsbums mit Amazon.

Essay – Heimat – 10. Klasse

Aufgabe: Schreibe ein Essay zum Thema „Heimat“.

Erläuterung: Was um Gottes Willen ist ein Essay?

Wikipedia sagt: „Ein Essay…ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit seinem jeweiligen Thema. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden; der Schreiber hat also relativ große Freiheiten.“

Also: Ein Essay ist geistreich, d.h. es ist klug verfasst – manchmal auch unterhaltsam, nicht etwa mit komischen Späßen oder billigen Witzen versehen. In ihm werden gesellschaftliche Phänomene behandelt, d.h. aktuelle wichtige Themen. Unser Thema ist „Heimat“ – ein Thema, was angesichts der vielen verschiedenen Nationalitäten in der Klasse ja ganz schön aktuell ist. Ganz wichtig dabei ist aber, dass der Autor (DU!) sich persönlich damit auseinandersetzt. Er steht im Mittelpunkt. Richtig gut finde ich die Formulierung, dass er dabei große Freiheit hat. D.h. es ist nicht vorgegeben, in welcher Form er sein Essay abgibt.

Kleine Hilfen:

(nicht zu verwechseln mit Fragen, auf die man einfach zwei Sätze zur Antwort aufschreibt)

Frage dich als erstes, was der Begriff „Heimat“ für dich bedeutet. Wofür steht er? Was verstehst du darunter? Zweitens bestimme für dich, wo deine Heimat liegt. Drittens entscheide dich für ein Objekt, wie ich es im Unterricht gesagt habe, fotografiere es, beschreibe es und erkläre, warum er für dich etwas mit Heimat zu tun hat.

Letzter Tipp: Ich würde mindestens eine Seite Text erwarten, getippt, in der Größe wie hier.

Ganz letzte Sache. So würde der Anfang des Essays bei mir aussehen und sich lesen:

„Heimat ist ein seltsamer Begriff, der in meinem Leben einerseits keine Rolle spielt. Es geht dabei ja darum, dass man sich irgendwo dazugehörig fühlt –und das tue ich nicht, weder zu einem Land/einer Nation noch zu einer Idee. Meine Familie stammt aus Schlesien und wurde nach dem Krieg über ganz Deutschland verteilt, von Hamburg bis Stuttgart, von Köln bis Töging. So etwas wie ein Elternhaus gibt es nicht, gab es nie – jedenfalls nicht hier. Ich selbst bin in meinem Leben mehr als zehn Mal umgezogen und Abschiede waren nie schwer, Brücken abzubrechen auch nicht. Ich habe mal gelesen, dass das typisch für Kriegsenkel ist. Wie kann ich da wissen, was Heimat ist? Trotz alledem aber weiß ich, dass es bestimmte Gegenden gibt, die in mir ein wenig das Gefühl von „nach Hause kommen“ geben. Und diese Gegenden haben immer was mit Wasser zu tun, liegen also im Bereich der Nordsee, der nördlichen Elbe. Wenn ich also einmal im Jahr, wenn es klappt, nach 6 Stunden Autofahrt in Hamburg ankomme, die Menschen reden höre, das Wasser rieche, dann mag das etwas sein, was dem Gefühl Heimat recht nahekommt.“

Letzter Abgabetermin ist der 13.5.2016 um 13.15 Uhr in meinem Büro. Es gibt keine Zeitverlängerung. Du kannst es mir handschriftlich, ausgedruckt oder in jeder anderen beliebigen Form abgeben. Wenn du weitere Fragen hast, frage deine Mitschüler und diskutiere mit ihnen. Wenn du keine Antworten auf deine Fragen bekommst, ist das kein Grund nichts abzugeben.

Bewertet werden Inhalt (klug, unterhaltsam, ehrlich, tiefgründig), Form (Originalität – du kennst viele Textformen: Reportagen, Berichte, Romane, Gedichte, Briefe usw. , Sauberkeit – Handschrift kann auch sauber sein) und die erkennbare Mühe und Anstrengung in der Auseinandersetzung mit dem Thema.

Inhaltszusammenfassung 7. Klasse – Vorlage

Ich bin ein großer Fan des freien (absichtslosen) Schreibens aus verschiedenen Gründen. Einer der wichtigsten Gründe ist der, dass man im achtlosen Schreiben oftmals Dinge findet, die vielleicht nicht so auf der Oberfläche des alltäglichen Bewusstseins herumschwimmen. „Schreiben heißt sich selber lesen.“ So hieß es wohl mal bei Max Frisch.

So saß ich selbst neulich nachts mal am Schreibtisch, um ein schnelles Muster für eine Inhaltszusammenfassung für meine Schüler zu verfassen. Schulaufgabe stand an und sie sollten aus der aktuellen Lektüre ein Kapitel zusammenfassen – den formalen Rahmen wollte ich Ihnen vorgeben. Die Schülernamen sind gekürzt.

Und das sah dann so aus – ein tiefer Blick in meine Seele:

Der Roman „Ein wilder Haufen“ wurde von Thomas Kuban verfasst und erschien 2016 im DTV-Verlag München. Der Autor, der jahrelang als Lehrer arbeitete, beschreibt in seinem ersten Buch die vielen kleinen lustigen und traurigen Geschichten, die er mit einer 7. Klasse in einem Schuljahr erlebte. Das Buch erhielt den Literaturnobelpreis und heute arbeitet Thomas Kuban nicht mehr als Lehrer, sondern lebt mit seiner Frau und seinen Katzen auf der Insel Spiekeroog, die er sich vom Nobelpreis gekauft hat. Das vorliegende Kapitel 4 beschreibt einen Tag, an dem der Lehrer Kuban zwei Exen schreibt, worauf die Klasse sehr ärgerlich reagiert und am Ende  weinen die beiden Schüler E. und L.

Am Donnerstag in der ersten Stunde betritt der Lehrer Kuban das Klassenzimmer der 7d und hat die Sichtblenden dabei. Die Klasse merkt sofort, was los ist, rätselt aber erstmal, in welchem Fach jetzt die Ex geschrieben wird. Erleichtert stellen sie fest, dass es Deutsch ist. Deutsch, so glauben sie, fällt ihnen leichter. Am Ende der Stunde verlässt der Lehrer das Zimmer mit einem komischen Grinsen. Dennoch denkt sich niemand etwas dabei. Erst als in der vierten Stunde der Lehrer erneut mit den Sichtblenden das Zimmer betritt, wird allen klar, dass auch im Fach Geschichte eine Ex ansteht. J. und T. werden brutal und beginnen damit laut auf den Lehrer zu schimpfen. Doch Herr Kuban kann sie mit einem einzigen strengen Blick zum Schweigen bringen. Nachdem die Ex geschrieben worden ist, sind alle erschöpft und niedergeschlagen. Sie erkennen, dass es etwas gebracht hätte, wenn man die Seiten gelesen hätte, die der Lehrer am Tag vorher als Hausaufgabe aufgegeben hat. E. flüstert am Ende noch verzweifelt, dass sie Herrn Kuban blöd fände und bricht in Tränen aus. Dies steckt wiederum L. an, der aus Mitleid mitheult.

Das Kapitel 4 erzählt die Geschichte von Kapitel 3 logisch weiter, weil hier dargestellt wird, wie lustig und leicht die Klasse alles nimmt, dann aber, wenn es drauf ankommt, die Hausaufgaben und das Lernen nicht ernst genug nimmt. Das Ergebnis bekommt sie im folgenden Kapitel, als der Lehrer die Ergebnisse an die Tafel schreibt und dann die Zeugnisse überreicht. Herr Kuban macht seine Sache hier im Kapitel schon gut, wie ich finde, er ist wie im ganzen Buch fair und lustig, auch wenn er schlechte Noten gibt. Er sollte nur nicht immer die Schüler zum Weinen bringen.

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Irgendwo da hinten ist meine Insel.

Deutsch leicht gemacht – 11: Reportage, Bericht, Exilliteratur – Faraj Bayrakdar

Es geht auf die Abschlussprüfungen zu, Realschule 10. Klasse. Also wiederholt man Textsorten und macht zum Abschluss Exilliteratur (gern Brecht) für die mündlichen Prüfungen danach.

In der Woche vor den Ferien habe ich Brecht erwähnt und ein wenig Aboud Saeed thematisiert und verglichen, grober stümperhafter Vergleich.

Mein Material und Idee für die kommende Woche (ein, zwei Stunden). Eine Reportage aus der taz als Zentrum.

„Gefangener Nr. 13“ – taz-Reportage vom Wochenende über Faraj Bayrakdar, hier als Text, im Original auf Seite 17 der taz vom aktuellen Wochenende.*

„Verse auf Zigarettenpapier geschmuggelt“ – Kolumne aus dem Gießener Anzeiger von Anfang 2014, verlinkt über Gefangenes Wort e.V.

Ansatzpunkte:

  • Vergleich von Reportage mit „Bericht“ (Ich weiß, diese Kolumne ist kein eindeutiger Bericht aber etwas hinreichend Ähnliches)
  • Schwerpunkt auf dem Wechsel von sachlicher Information und schildernden Elementen / und den Zusammenhang zwischen beiden
  • damit zusammenhängend auch Thematisierung des Wechsels der Sprachebene
  • „Gegenwartsbezug“ der Themen Exil, Exilliteratur (Was heißt Gegenwartsbezug? Exilliteratur kann ja nicht und nie nur auf deutsche Literatur zwischen 33 und 45 bezogen sein)

Worterklärungen

Syrien – Fakten und Worterklärungen

„palästinensische Flüchtlingsfamilien“ – Syrien grenzt an Israel und den Libanon, im Zuge der Kriege zwischen dem neu gegründeten Saat Israel und den umliegenden arabischen Ländern kamen viele palästinensische Flüchtlinge nach Syrien und die anderen umliegenden Länder

„die illegale Kommunistische Arbeiterpartei“ – nachdem Hafiz al-Assad, der Vater des aktuellen syrischen Herrschers, 1970 an die Macht gekommen war, wurden die meisten Parteien verboten; als einzige Partei galt nun die

„Baath-Partei“ – der heute der Sohn von Hafiz, Baschar al-Assad, vorsteht; dieser hatte in England studiert und man setzte große Hoffnungen in ihn, als er 2000 nach dem Tod seines Vaters Präsident wurde; es folgte der

„Damaszener Frühling“ (von Damaskus, der Hauptstadt Syriens) – mit demokratischen Reformen, die sich schnell verbreiteten; der Dichter Bayrakdar kam in dieser Zeit aus dem Gefängnis frei; die Reformen verbreiteten sich so schnell, dass man sie nach einem Jahr wieder zurücknahm und damit begann, erneut politische Gegner zu verfolgen

das „PEN-Zentrum“ – P.E.N. ist ein internationaler Verband von Schriftstellern, der sich u.a. auch für inhaftierte und verfolgte Schriftsteller in aller Welt einsetzt


Aufgaben zum Text

1. Streiche am Rand alle Stellen an, die sachliche Informationen zum Thema der Reportage beinhalten (keine Schilderungen, Gefühle, Andeutungen)

2. Finde Stellen, die diese sachlichen Informationen verstärken und betonen mit schildernden/erzählerischen Elementen.

3. Erkläre mit eigenen Worten, warum die Reportage dir näher kommt als der Zeitungsbericht aus der Gießener Zeitung. Belege deine Aussagen am Text.

 
* Ich habe eine Mail an die taz geschrieben, um zu fragen, ob man die Zeitungsseite fotografieren und veröffentlichen darf zur Verdeutlichung des Layouts, welches auch eine Rolle spielen soll im Unterricht. Dieses Foto könnte nachfolgen.

**Tut es nicht. Schade.

Facebook und die literarische Charakterisierung

Stundeneinstiege sind noch nie meine Stärke gewesen. Oft gehts mir so: Die Stunde steht einigermaßen und dann denke ich tagelang über einen Einstieg nach. Der wird dann krampfig. Oder noch besser: Es fällt mir erst nach der Stunde was ein. Jedenfalls ist das für mich immer Pareto: Die 80/20 Regel  (80% des Arbeitserfolgs in 20% der Zeit), die eben darauf hinausläuft für 20% (=Einstieg) noch mal 80% Zeit draufzulegen. Ich würde gern 80/20 arbeiten…klappt selten, aber das erwähnte ich schon.

Letzte Woche aber für mich ein kleines Highlight erlebt. 5 Minuten vor der Stunde zum Thema „Eine literarische Figur charakterisieren“ die Idee gehabt, mit einem Facebook-Profil einzusteigen, welches ich schnell aus dem Internet geholt habe.

Also die Frage zu Beginn: Wenn ihr ein neues Profil von jemandem betrachtet – was schaut ihr euch in welcher Reihenfolge an? Warum?

In zumindestens zwei Klassen dieselben Antworten:

  1. Profilbilder: Um zu sehen, wie derjenige aussieht und sich zu vergewissern, dass er/sie auf der ist, den man adden wollte, bzw. der/die ist, die er/sie vorgibt zu sein.
  2. Infoseite: Um die wesentlichen Daten über denjenigen/diejenige zu erfahren.
  3. Postings: Um herauszufinden, was derjenige/diejenige mag an Musik, Filmen, Büchern etc., wo er Bemerkungen oder Likes hinterlässt
  4. Freunde / Postings von Freunden: Denn: Sag mir, wer dein Freund bist und ich sag dir, wer du bist (Zitat aus dem Unterricht).

Und schon die vier wesentlichen Aspekte der literarischen Charakterisierung:

  • Aussehen, Erscheinungsbild, Auftreten
  • Wesentliche Informationen wie Alter, Beziehungsstatus, Ausbildung
  • Einstellungen, Vorlieben und Äußerungen über sich selbst
  • Äußerungen von anderen Figuren über die Figur, bzw. Beziehungen zu anderen Figuren, soziales Umfeld

Dabei überraschend im Unterricht, dass sich automatisch auch ergab, dass dem, der dieses Profil angelegt hat, nicht immer zu trauen ist, denn er stellt sich natürlich in einer bestimmten Absicht so dar.

Und schon waren wir beim Problem des Ich-Erzählers und der Erzählperspektive. Denn bei allen Antworten schwang mit, dass man die Profile anderer Leute in Facebook immer schon mit dem Hintergedanken liest, dass der Urheber geschönt hat oder sich eben in einem bestimmten Licht darstellen möchte. Und so produziert und rezipiert man mit dem Facebookprofil eben auch eine (künstliche-literarische?) Figur.

Also: Wem trauen wir wirklich beim Erzählen?

Teachsam – Literarische Charakteristik

Fachdidaktik Einecke – Literarische Charakteristik