Zweier ohne

Osterzeit – Lektürezeit. „Zweier ohne“ von Dirk Kurbjuweit hat mich neulich am Bücherstand eines Verlages überrascht, der auf einer Lehrerfortbildung stand. Überrascht deswegen, weil ich die Verfilmung schon gesehen hatte – und eigentlich dachte, dass es dazu keine literarische Vorlage gibt.

Die Novelle dreht sich um zwei Freunde, die sich versuchen sich über Jahre hinweg in ihrer Freundschaft immer weiter anzugleichen – um, so drückt es der Erzähler aus, wie Zwillinge zu werden. Ihr Fixpunkt wird schnell das Rudern, eben im Zweier ohne Steuermann. Dabei dulden sie keine anderen Freundschaften. Bald zeigen sich nicht nur ähnliche Gedankengänge bei ihnen, sondern sie organisieren auch bewusst gleiche Erfahrungen, so z.B. wenn sie nacheinander mit demselben Mädchen schlafen. Es kommt zum unsichtbaren Bruch zwischen beiden in dem Moment, in dem sich Johann, der Erzähler, in die Schwester von Ludwig, dem zweiten und radikalerem im Bunde, verliebt. Am Ende schließlich wird Ludwig tot sein und Johann blickt Jahre später auf diese Phase seiner Jugend zurück. Es scheint, so dachte ich als Leser am Ende, als würde er eine Geschichte berichten, die er nicht selbst erlebt hat.

Spannend und interessant wird die Novelle vor allem durch seinen Erzähler, dem man nicht so ganz beikommt. Erst im Verlauf der Geschichte wird ganz klar, dass er aus einem größeren zeitlichen Abstand von ein paar Jahren zurück blickt und die Story erzählt. Die Motivation dafür erwähnt er nicht und in seinen Worten kommt so etwas wie Aufarbeitung, Trauerarbeit oder Verarbeitung nicht vor. Er bleibt die ganze Zeit über seltsam auf Abstand, gegenüber sich selbst und gegenüber dem Erzählten.

Für den Deutschunterricht scheint mir dieses kleine Buch gut umsetzbar, weswegen ich es kurzerhand meiner 10. Klasse aufs Auge drücken werde. Die Charaktere bieten genug Projektionsfläche, die Struktur und Erzählhaltung ist im besten Sinne literarisch und es bietet einen spannenden Plot, der bis zum Ende fesselt.

Material dazu, welches meiner Meinung nach interessant aussieht :

(zum heutigen Zeitpunkt, habe ich nur 1 begutachtet, 2 angelesen, 3 überflogen)

1. In der Ausgabe aus dem Buchners Verlag gibt es hinten einen brauchbaren Materialteil.

2. Ich habe mir dazu gekauft (weil ich Input brauche) die Dissertation von Sabine Pfäfflin: Auswahlkriterien für Gegenwartsliteratur im Deutschunterricht , hier gibt es eine Unterrichtssequenz dazu.

3. Das NG (Nordsee Gymnasium) in Büsum hat ein Wiki dazu angelegt .

4. Rezensionen sind leicht und schnell zu finden.

5. Der Film dazu ist eine nach meiner Meinung ziemlich gute Umsetzung des Buches, mit Eigenwert und buchgetreu.

Das Bild oben stammt von buecher.de

Deutsch – schnell gemacht 1

Immer wieder auf der Suche nach Texten, die man mal lesen will. Vielleicht im Unterricht, vielleicht auch einfach mal so.

Durch die Lektüre „Die Selbstmordschwestern“, die ich grad in meiner 9. lesen möchte, kam ich drauf, mal gezielt zu suchen. Denn das Googeln zum Roman hat mich zur Rowohlt-Leseprobe geführt. Die ersten 17 Seiten reichten mir im Unterricht als Teaser aus, um ein Stimmungsbild in der Klasse zu bekommen und in einer bis zwei Unterrichtsstunden schon mal den Einstieg zu wagen. (Erarbeitung der Thematik, Erzählhaltung, Personencharakterisierung).

Weitere Leseprobenquellen – in der Regel gibts die ersten Seiten:

Rowohlt hat weitere Leseproben anderer Romane – mir jedenfalls ist das neu – zusätzlich auch Videos mit Interviews und Lesungen. Das Gute: alles ist als PDF lesbar, speicherbar, druckbar.

www.bilandia.de ist ein Bücherversender, der ebenfalls Leseproben zeigt. Diese sind, ebenso wie bei Rowohlt, als PDF speicher- und ausdruckbar.

Amazon weist dies auch auf mit dem „Blick in Buch“-Feature. Leider kann man hier nicht bequem ausdrucken.

Auf der Seite des Carlsen-Verlags bin ich somit nun auch auf eine Leseprobe für die Lektüre der 10. Klasse gestoßen. Diesmal würde ich gern von Mischa-Salim Verollèt „Warum ich Angst vor Frauen habe“ lesen. Alternativ ein anderes Buch von ihm. Wird mal Zeit für Poetry Slam u.ä. Auch hier gibt es eine Leseprobe – leider in einem hauseigenem Reader. Was aber nicht alles mit Bildschirmfotos möglich ist :).

Leseproben scheint es aber wohl von jedem Verlag zu geben, in der Mehrzahl als PDFs. Nicht alle sind so schön zentral zu erreichen wie bei Rowohlt. Also: mal suchen.

Der Aufsatz als Königsform des Deutschunterrichts

Bauchgepinselt fühlte ich mich, als ich gefragt wurde, ob ich nicht an der Uni lehren möchte, in einem Semester, zu einem Thema.

Ich dachte: „Aufsatz mache ich seit zehn Jahren, kann ich. Noten gebe ich auch ne ganze Menge, kann ich auch.“ Also mache ich was zu den Themen Aufsatzunterricht und Leistungsbeurteilung.

Das klingt selbstbewusst, aber ich hatte schon seit geraumer Zeit gedacht: Da lernen und machen wir Gruppenarbeit, Standbilder, Kugellager, Präsentationen, Websites, Foto-Storys uvm. im Unterricht, weil wir es wichtig finden und in Ordnung. Aber wenn es auf die Schulaufgabe zugeht, dann gilt der schriftliche Aufsatz als Königsform des Deutschunterrichts.

An ihm jubelt oder scheitert der Schüler. Ihn gilt es in festgelegter Zeit zu schreiben. Er wird korrigiert in nächtlichen Sitzungen. Herausgegeben. Schon wieder ein Schnitt von 3,47. Mit den Eltern diskutiert. Die Rechtschreibung war diesmal in Ordnung. Sprachlich ist er etwas monoton. Die Behauptungen fehlten und die Einleitung war auch nicht sehr originell. Ich konnte früher auch nie Aufsätze. Das vererbt sich nicht, höhöhö. Und dann die nächste.

Ja, ich finde das Schreiben wichtig und jeder, der kurz drüber nachdenkt, wird viele Aspekte nennen können, die dem Schreiben in jedem Fall über das Richtig-Schreiben-Können hinaus große Bedeutung geben. Aber wie sieht es im Unterricht aus, wenn ich eine Aufgabe stelle, bei der die Schüler schreiben sollen. Immer kommt die Frage: „Wird das beurteilt?“ Und wenn ich das verneine, dann wird sich i.d.R. auch keine Mühe gegeben. Klar, wird ja nicht benotet.

Hinzu kommt meine Unzufriedenheit, denn die Aufgaben, die ich in den Schulaufgaben stelle, würde ich, wären sie an mich gerichtet, ablehnen. Denn wie bitte sollte ich über ein Thema, von dem ich vorher nie was gehört habe, sprachlich einwandfrei und ausdrucksstark, abwechslungsreich, womöglich eloquent argumentativ oder einfach nur kreativ, inhaltlich reich an Fakten formulieren? In einer Stunde, meinetwegen zwei. Ohne, dass ich wirklich überarbeiten könnte, ohne die Chance, nach ein paar Tagen Abstand noch einmal drüber zu reflektieren? Ohne echtes Korrekturlesen?

Nein, so würde ich nicht schreiben wollen.

Ich fordere es aber seit Jahren von meinen Schülern.

Was aber gehört zum Schreiben?

1. Eine gründliche Recherche.

2. Ausführliches Formulieren in mehreren Varianten.

3. Gründliches Überarbeiten.

Geht das im Unterricht?

Ich probiere etwas stümperhaft derzeit zwei Dinge aus: Das Schreibportfolio und das mehrstufige Korrigieren. Zwei einfach Sachen.

Im Schreibportfolio werden die Texte, die der Schüler schreibt, gesammelt. Ich grenze die Anzahl ein, betone aber, dass sowohl Entwürfe wie die Überarbeitungen und vor allem aber die Reinfassung am Ende hinein sollen. Die Formen orientieren sich an den vorgebenen Schulaufgaben – plus ein freier Text im Umfang einer DINA4 Seite. Ein Hinweisblatt für die Schüler erklärt es. Das Portfolio wird benotet im Halbjahr als (in Bayern sogenannter) Kleiner Leistungsnachweis. Meine Schüler dürfen zudem ihr Portfolio auch in den Schulaufgaben mitnehmen, sozusagen als Formelsammlung.

Im mehrstufigen Korrigieren soll ebenfalls vor allem die Möglichkeit gegeben werden, Texte zu überarbeiten. Dazu schreibt der Schüler seinen Text zu einer Schreibaufgabe in einer ersten Fassung. Diese werden eingesammelt und nach ein paar Tagen wieder ausgeteilt – dabei muss nichts gelesen worden sein, geschweige korrigiert. Der Schüler erhält die Möglichkeit, mit Abstand seinen Text zu überarbeiten. Dieser wird erneut eingesammelt und nun etwas genauer betrachtet. Dabei geht es nicht um Rechtschreibung o.ä. in vorderster Linie, sondern es werden Vorschläge gemacht und notiert, wie der Text überarbeitet / verbessert werden könnte. Diese Vorschläge können vom Lehrer kommen oder von den Mitschülern, wenn man die Texte durch die Klasse auf eine Reise schickt. Es kann ergänzt werden durch einen Bewertungsbogen. Dann erhält der Schüler die Möglichkeit, eine endgültige Reinfassung anzufertigen (er kann dabei die Vorschläge der anderen annehmen oder nicht), die er dann als Endprodukt abgibt. Diese wird dann benotet.

Vorteile – das hoffe ich doch: man kann die Entwicklung eines Textes nachvollziehen und somit den Prozess erfassen. Beurteilt wird also auch die Fähigkeit des Schülers zu überarbeiten und mit Vorschlägen anderer umzugehen. Und, das hoffe ich wirklich, durch die Möglichkeit, dem Text wirklich eine gute und ordentliche Form zu geben, wächst auch die Beziehung des Schülers zu dem, was er schreibt.

Klingt nach Mehrarbeit…höre ich es wieder (sind es dieselben, die auch über ihre Korrekturen beständig jammern?). Nö, ist es nicht, sage ich.

PS: Diesen Text müsste ich auch noch überarbeiten, aber das habe ich schon so oft. Irgendwann muss man auch mal Schluss machen.

Kreatives Schreiben im DU – 1: Dialektgedichte

Kreatives Schreiben hat in meinem Schulalltag mal ziemlich breiten Raum eingenommen, als ich ein halbes Jahr lang ein Abo für den Vertretungsplan hatte. In dieser Zeit sammelte ich mir einige Schreibübungen zusammen, veränderte sie ein wenig und garnierte sie mit mir und meinem unwiderstehlichen Charme. Dadurch konnte ich auch pubertierendste Klassen für 45 Minuten focussieren. „Kreatives Schreiben im DU – 1: Dialektgedichte“ weiterlesen