Sozialkunde – leicht gemacht 16: Bayern 2 Radio-Wissen

Bayern 2 ist ein Radiosender des Bayerischen Rundfunks, dessen Themen breit gestreut sind: Politik, Kultur, Wissen und Musik. Wenn ich quer durch Deutschland fahre – Köln, Hamburg, Berlin und Neerstedt sind regelmäßige Ziele – vermisse ich auf den Fahrten diesen Sender eigentlich am meisten, wenn ich die bayerischen Grenzen überschreite. Ich kenne in anderen Sendegebieten nichts Vergleichbares.

Eine spannende Sendung ist hier RadioWissen, welche in kurzer Form viele Wissensthemen verarbeitet: Philosophisches, Politisches, Literarisches, Technisches usw.

Das Besondere dabei: viele Sendungen lassen sich aus dem Internet herunterladen als mp3 und einige Sendungen werden dabei mit Arbeitsblättern und Tafelbildern für den Unterricht ergänzt.

Eine Sendung, die ich aktuell verwenden möchte, dreht sich um den Begriff der Würde im Hinblick auf das Grundgesetz.  Mit Tafelbild und Arbeitsblättern.

Ergänzend dazu noch ein kleines Filmchen aus youtube über Menschenrechte.

httpv://www.youtube.com/watch?v=fjagWFEmnpg

Sozialkunde – leicht gemacht 15: Vom Fragen

Vorwort

Als ich in der 9. Klasse war, sind wir mit unserem Lehrer auf Klassenfahrt nach Münster gefahren. Dort gab es das übliche Programm, u.a. Führungen. Irgendwann in der Zeit danach wurde ich von meinem Klassenlehrer beiseite genommen und in ein Gespräch verwickelt, in dessen Verlauf er meinte, ich sei doch ziemlich intelligent. Im ersten Moment war ich baff, weil das so noch nie jemand zu mir gesagt hatte. Auf meine Nachfrage, wie er denn darauf käme, antwortete er, dass ihm das auf den Führungen in Münster aufgefallen sei. Ich gab meiner Verwunderung Ausdruck, dass ich dort doch hauptsächlich Fragen gestellt hätte. Ja, sagte er, aber das hätte meine Intelligenz deutlich gezeigt. Einer der Sätze, die ich mir bewahre bis heute – 30 Jahre später.

Vom Fragen in der Schule

In meinen 10. Klassen in diesem Schuljahr lasse ich in Sozialkunde Kurzvorträge halten über aktuelle politische Themen. Die ersten Vorträge, die ich hörte, waren eher enttäuschend. Dies vor allem, weil sie über eine Wiedergabe dessen, was man in den Zeitungen lesen, im Internet finden oder in den Nachrichten sehen konnte, nicht hinaus gingen. Sie waren eben vor allem Darstellung des Ereignisses, keine Vertiefung, keine wirkliche Problematisierung.

In den letzten Stunden wollte ich das thematisieren an einem x-beliebigen Inhalt und wollte sie zu einem Thema Fragen formulieren lassen. Und dann merkte ich das Problem, wieder mal. Das lag nämlich darin, dass sie zu sehr auf das gegenteilige Modell gepolt sind: nämlich Fragen zu beantworten. Klassisch: Sie sollen lernen, dann bekommen sie Fragen zum Gelernten und die Antworten sind das, was dann zählt und bewertet wird. Die Antworten stehen logischerweise schon vorher fest. Selbst Fragen zu stellen ist ihnen fremd, weil damit ja verbunden ist, etwas nicht zu wissen, was wiederum im Schulsystem als Niederlage Mangel einzuschätzen ist.

Im Kern also sind Fragen im Unterricht nicht dazu da, Wissen zu erlangen, weiter zu kommen oder etwas zu verstehen. Ja, ich weiß, natürlich dürfen Schüler im Unterricht fragen und dann erklärt der Lehrer es ihnen – diese Art Fragen meine ich aber nicht.

Saudi Arabien lehnt die Wahl als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ab – Fragen und Lernen

Das Thema der letzten Stunde lautete aus aktuellem Anlass: Saudi Arabien lehnt die Wahl als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ab. Der Bezug zur Schülerwirklichkeit mag auf den ersten Blick etwas fern liegen, aber man mag mir glauben, dass ich den Bezug herstellen konnte – dies hat aber mit Umständen zu tun, die Dritte betreffen, daher erwähne ich sie hier nicht.

Ich habe zu der Stunde nichts weiter vorbereitet als die Themenstellung herauszusuchen.

Der Aufforderung, Fragen zum Thema zu stellen, kamen die Schüler gewohnt zögerlich, aber nach Ermutigung dann doch flüssiger nach. Letztlich konnte ich zusammenfassend die Fragen untergliedern in 3 Gruppen, steigernd im Anspruch:

  • Wissensfragen: Wo liegt Saudi Arabien? Was ist die Hauptstadt? Wie heißen die Nachbarländer? Was ist der Sicherheitsrat?usw.
  • Erkenntnisfragen: Wieso lehnen sie ab? Wer lehnt genau ab? Welche Vor-/Nachteile hat das Land? usw.
  • Transferfragen: Welche Folgen wird dies haben?

Im weiteren Verlauf der Stunde aktivierten wir unser Vorwissen und konnten versuchen die Fragen zu beantworten. Und wie erhofft, konnte sich so das Bild etwas konkretisieren. Es halfen dabei folgende Informationen, die bruchstückhaft vorhanden waren:

  • Nachbarländer oder nah dran sind: Israel, Ägypten, Syrien, Irak, Iran, Jemen
  • Problematisch sind dabei: Israel, Syrien und Iran
  • Es gab Nachrichten, dass Saudi Arabien von Deutschland U-Boote, Leopard 2- und Radpanzer kaufen will
  • Fußball-Weltmeisterschaft soll „dort“ stattfinden – also eigentlich in Katar, welches ein eigenständiges Land darstellt und an Saudi Arabien grenzt
  • Saudi Arabien ist kein demokratisches Land
  • Es ist ein bedeutendes erdölexportierendes Land
  • Der Sicherheitsrat ist ein Instrument der UNO, die wiederum Friedenssicherung betreibt
  • Gab es da nicht eine riesige Waffenmesse?

Alle diese Informationen konnten der Klasse entlockt werden, ohne dass externe Quellen angezapft wurden. In einer Klasse habe ich lediglich mein MacBook an den Beamer und ans Netz gehängt und wir haben uns die Lage Saudi Arabiens bei Googlemaps angeschaut, bzw. eine Grafik mit dem Aufbau des Sicherheitsrates.

Wir haben also gelernt – ohne eine minutiöse Unterrichtsvorbereitung und mit vielen Fragen als Ausgangspunkt. Das weitere Unterrichtsgespräch verruchte zwischen diesen Einzelpunkten Verbindungen herzustellen. Dabei drehte es sich um das Sicherheitsbedürfnis von Saudi Arabien und die Abhängigkeit westlicher Staaten vom Öl.

Wie geht es weiter?

Natürlich habe ich uns ein Arbeitsblatt besorgt zum Thema, vom Aktualitätendienst des Schrödel-Verlags. Das werden wir bearbeiten. Überraschenderweise aber wird dies nicht alle Fragen beantworten, denn es konzentriert sich auf die Reformforderungen Saudi Arabiens, die in ihrer Notwendigkeit sicher nicht von der Hand zu weisen sind. Nicht gefragt wird nach den Gründen der Ablehnung, die in den Zeitungen nachzulesen sind: die Haltung der UNO im Syrienkonflikt, in dem Saudi Arabien tatkräftig die Rebellen unterstützt und die aus ihrer Sicht weichen Position beim Thema Iran und Nutzung der Atomkraft. Beides sind Umstände, die die Lage des Landes aus ihrer Sicht unsicherer machen.

Überraschenderweise aber werden auch in den Zeitungen nicht alle Fragen des Unterrichts beantwortet. Vor allem die Fragen, warum ein nicht demokratisches Land in den Sicherheitsrat gewählt wird und warum ein Land, das in den letzten Jahren zum besten Waffenkunden deutscher Firmen aufgestiegen ist, einen Sitz im Sicherheitsrat ablehnt.

Deutschland forderte übrigens im September Reformen.

Unterm Strich

Ich will mir hier keinen pädagogisch-didaktischen Heiligenschein aufsetzen, aber wir haben in dieser Stunde gelernt, ohne dass ich sie vorbereitet hätte im klassischen Sinn. Und müsste (Violinen im Hintergrund) Schule nicht so sein (Pauken): Lernort? (Finale ausblendend).

Gelernt:

  • Schüler wissen mehr als man allgemeinhin denkt
  • Sie bekommen viel mit von der Welt
  • Das Zusammentragen von Wissensbruchstücken kann ein Gesamtbild erzeugen
  • Fragen erzeugen Wissen, nicht die Antworten (bestätigt)
  • die Nachbarländer von Saudi Arabien
  • Antworten auf Fragen erzeugen immer wieder neue Fragen

Projekte/Unterricht zum neuen Schuljahr

Nachdem die allgemeinen Aufgaben nun abgearbeitet wurden und ich die zweite Version meines Fachartikels über Googlemaps im Geschichtsunterricht abgegeben habe, kann ich mich meinen eigenen Ideen für den Unterricht widmen.

Medienscouts / Medienkonzept

Ein größeres Projekt, was wir anschieben, sind die Medienscouts, die wir grad zusammen mit der Mittelschule und dem Gymnasium vor Ort ausbilden möchten. Unterstützung finden wir dabei im Kreisjugendring, der ähnliche Projekte grad an anderen Schulen im Kreis durchführt. An unserer Schule ist dies Bestandteil eines Medienkonzepts, welches von zwei Lehrern und mir seit letztem Jahr vorangebracht wird.

Wiki again

Nachdem ich im letzten Jahr mit meiner Wiki-Arbeit im Untericht nicht so zufrieden war, möchte ich dieses Jahr wieder zufriedener werden und hier verstärkt dran arbeiten. Mein erstes Wiki, was ich in Zusammenhang von mir aus aufgesetzt hatte, lief über Wikispaces und begleitete die Vorbereitung zu einer Kurzarbeit im Fach Geschichte. Mittlerweile habe ich das vom ersten Halbjahr (im zweiten Halbjahr hatte ich nicht mehr genug Zeit, weil ich schon die ersten Aufgaben des Ersten Stellvertreters übernehmen musste – daher ist der zweite Teil recht brüchig) überführt in ein Schulwiki (MediaWiki), welches ich an die Schulhomepage angehängt habe. Letzteres würde auch gern weiter ausbauen. Meine ersten Versuche habe ich ja schon einmal beschrieben.

Zu diesem Zweck habe ich in der letzten Stunde meine 9. Klässler (Deutsch) animiert, sich auf dem Schulwiki anzumelden und dort auf einer vorbereiteten Seite ein Wunsch-Erörterungsthema zu notieren. Außerdem gehörte dazu, eine Quelle mit Link anzugeben, wo es Informationen zum entsprechenden Thema im Netz gibt. Das empfand ich als niedrigschwelligen Einstieg in die eigene Erarbeitung von Artikeln im weitesten Sinn. Habe wenig dazu erklärt und bisher haben es die meisten geschafft. Ist eine pfiffige Klasse, die mir bisher Freude macht.

Unterm Strich also zweigleisig: Einmal ein Wiki, welches ich zur Darstellung und Erweiterung meines Unterrichts nutzen möchte und auf der anderen Seite eines, welches die Schüler selbst füllen sollen. Ich bin hier immer noch ein großer Fan von Andreas Kalt.

In diesem Rahmen möchte ich Wikis in Deutsch, Geschichte und Sozialkunde einsetzen. Dazu werde ich im Kollegium Wiki-Fortbildungen anbieten.

Damit auch schon die zweite Baustelle oder das zweite Experimentierfeld: die ursprüngliche Idee war es, dem Schreiben im Deutschunterricht mehr Raum zu geben, gleichzeitig damit auch dem Lesen eigener und anderer (speziell fiktiver/literarischer) Texte. Im Rahmen meines Unterrichts also verstärkt folgende Dinge:

Schreibportfolios again

In 8 und 9 jeweils über die Halbjahre.

In 8 im ersten Halbjahr vor allem eigene Texte entsprechend der Schulaufgabenformen im ersten Halbjahr (Erzählen zu einem Bild und Inhaltsangabe), sowohl in Entwurfsform als auch in Reinform (in „schön“). Im zweiten Halbjahr bildet bei mir zunächst ein Zeitungsprojekt einen Schwerpunkt, welches als Schulaufgabe benotet wird. Das heißt hier verlange ich dann ohnehin ein Portfolio. In 8 habe ich vor Jahren, als es diese Schulaufgabenform noch gab, die Bildbeschreibung durchgeführt. Klingt angestaubt, aber als Vorbereitung sollten die Schüler in Kurzvorträgen Gemälde vorstellen. Hier habe ich selbst, der ich mich bis dahin wenig um Bildende Kunst / Galerie-Dingsbums gekümmert habe, selbst noch am meisten herausgezogen. Zugegeben beflügelt durch Scarlett Johansson. Und diese Vorträge lasse ich heute noch halten in 8.

httpv://www.youtube.com/watch?v=dIcrCFh0aM8

In 9 dreht sich im ersten Halbjahr im Schreibportfolio alles um die Vorbereitung von Erörterungen. D.h. es finden sich dort Materialien aller Art, Mustergliederungen, Zeitungsausschnitte usw. Einzelne Themenbearbeitungen sollen auch im Wiki erscheinen. Eventuell auch Einzelteile von Musteraufsätzen.Es geht also wieder um die erweiterten Erörterungsschulaufgaben. Die Schüler können sich vor der Schulaufgabe Mappen zusammenstellen mit Material, welches sie in der Schulaufgabe selbst dann benutzen dürfen. Im zweiten Halbjahr, wo es um den sogenannten „Textgebundenen Aufsatz“ gehen soll (Interpretation von Sach- und/oder literarischen Texten), bin ich noch nicht sicher, wie ich ein Schreibportfolio unterbringen möchte.

Unterm Strich sollen also die Portfolios dem Schreibprozess dienen und jeweils eine mündliche Note ergeben.

Dazu lesen, lesen, lesen. In 9 angefangen mit Woyzeck, Schnelldurchlauf. Aber es folgt mehr.

Und am Rande

Habe leider im ganzen Durcheinander meiner neuen Position ein wenig zwei Dinge aus dem Auge verloren, die ich eigentlich weiter verfolgen wollte, und zwar die ganze OER-Geschichte und damit verbunden ein vermehrtes Engagement in diesem Bereich. Dazu versuchte ich die Aktivitäten bei der ZUM zu verfolgen und mich in der digitale-schule-bayern einzubringen. Aber ich muss sehen, was der Tinnitus zulässt.

Dieser Artikel wurde begleitet von Selah Sue.

httpv://youtu.be/FE29S_Kd5l4

Ach, wär‘ doch Schule – Aktuelle Sozialkundethemen

Vor allem, wenn man es gewöhnt ist, Sozialkunde zu unterrichten.

Was gäbe es derzeit nicht alls zu besprechen und zu lernen:

Der Sport muss natürlich in der Tat darauf achten, dass das Stadion nicht zum Nebenschauplatz für die Auseinandersetzungen nationalistischer oder religiöser Eiferer wird. Aber es muss schon einen Unterschied geben, ob ein Sportler sich für allgemeine Freiheitsrechte einsetzt, die darauf abzielen, dass es in einer Gesellschaft am Ende mehr Menschen besser geht, weil weniger diskriminiert werden – oder ob er Propaganda für irgendwelche Kriegsparteien betreibt. Die großen Sportverbände machen diesen Unterschied offensichtlich nicht. Und das ist keine sehr beruhigende Perspektive, wenn man bedenkt, dass die Verbände von sich sagen, sie seien wirklich gute Kindererzieher. (SZ – erster Link)

  • Wahlen, Wahlen, Wahlplakate 2013 (einfach mal bei Google, Bildersuche eingeben) analysieren lassen – (für mich)neu entdeckt: Wahlprogramme in leichter Sprache und als Einstieg dann diese Nachricht
  • Snowden, NSA und Co – hier ein Rückgriff auf das Thema Wikileaks, z.B. durch Arbeitsblätter der Zeit vom Januar 2011 (etwas abgespeckt auch in Sek I, 10. Klasse möglich), immer noch mein Lieblingsbild zum Einstieg, ganz viel von Zum.de, dann die aktuellen Umstände oder einfacher als Kinder-Reportage; wenn ich Geheimdienste bespreche, benutze ich oft das Arbeitsblatt von dieser Seite weiter unten,  amerikanische Nachrichtendienste gut erklärt – irgendwo habe ich gelesen, dass man sich nicht Gedanken machen sollte über Nachrichtendienste, deren Abkürzung man kennt, sondern eher um die, die nicht bekannt sind. Man sollte auch nicht vergessen, dass z.B. die CIA eine eigene Kinderseite unterhält, wo es ganz tolle Spiele gibt. Und ganz toll: beim Mi6 (SIS) seiner Majestät kann man sogar online einen Test durchlaufen, um seine Eignung als Aufklärungsoffizier zu klären.

Schade eigentlich.

Manche meinen Lechts und Rinks kann man nicht velwechsern –

Werch ein Illtum (Ernst Jandl).

Mit dieser Überschrift steige ich oft in eine Sozialkundestunde über „Politische Denkfamilien“ ein. Diesen Begriff habe ich mal irgendwo aufgeschnappt (Ich meine bei der Bundeszentrale in einem Lexikon) und fand ihn für das Thema so passend, dass ich ihn gern verwende, was von Anfang an nicht leicht ist – vor allem, weil Viele bestimmte Vorstellungen von „links“ und „rechts“ haben, ohne dies aber wirklich zu reflektieren.

Erst heute las ich z.B. in der Zeitung ein Interview mit Bruno Jonas, wo er gefragt wurde, ob er denn nun ein linker Kabarettist sei. Auf diese schon nicht sehr überlegte Frage kam dann entsprechend eine ebenso wenig durchdachte Antwort: „Ich äußere mich nicht parteipolitisch.“

Also Lektion Nr. 1: Rechts und links sind keine Begriffe, mit denen man sich zu bestimmten Parteien einordnen kann. Wie z.B. kann es sonst sein, dass Heiner Geißler, CDU, gleichzeitig Mitglied bei attac ist, der Organisation, die (wie Geißler selbst) heftig und andauernd Kapitalismus und Globalisierung kritisiert?

Wer hat’s erfunden?

Der zweite Schritt meiner Stunde besteht darin, dass ich die Begriffe links und rechts links und rechts an die Tafel schreibe, eine horizontale Linie ziehe und den Schülern den Auftrag gebe, dass sie doch sich selbst und ihr politisches Denken einmal mit einem Kreide-Kreuz auf dieser Linie einordnen sollen. NATÜRLICH verlasse ich den Raum, wenn sie das machen.

Wenn ich den Raum wieder betrete findet sich meist ein ähnliches Bild: Viele Kreuze befinden sich in der Mitte der dreiteiligen Tafel, wenige ganz links, rechts aber will keiner so recht sein. Vereinzelt finde ich welche, selten.

Die Deutung lässt sich verschieden aufziehen.

Zum einen tun sich viele, nicht nur Jugendliche, schwer, sich politisch einzuordnen – viele Menschen verweigern sich auch, weil sie angreifbar werden. Dann tituliert man sich gern als jemand, „der sich nicht einordnen lässt oder will“. Dies soll dann von unabhängigem Denken zeugen, was es in der Regel nicht ist. Um aus dem Konflikt herauszukommen, macht man das Kreuz in der Mitte und glaubt, damit muss man keine Stellung beziehen.

Zum anderen frage ich danach auch einfach ins Plenum, was ihrer Meinung nach links und rechts bedeutet. Dann läuft alles in die Richtung, dass die Rechten ja die Nazis seien und die Linken sind (mittlerweile erst) diese Partei aus der DDR. Und rechts will keiner sein und links in diesem Sinne ist nebulös.

Eine dritte These bezüglich des Tafelbildes ist die, dass linkes Denken entwicklungstechnisch früher als auftritt als rechtes. Dies mag in der Natur der Sache liegen („Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz…) beleidigt aber vielleicht linkes Denken als kindisch. Dies aber beleidigt Kinder ebenso wie linkes Denken.

Also erkläre ich:

Übereinstimmend wird auf die Französische Revolution verwiesen, in dessen Verlauf die ersten Nationalversammlungen einberufen wurden. Hier wurden die Abgeordneten (ohne dass es wirklich Parteien gegeben hat) entsprechend ihrer Ausrichtung gesetzt: Links (vom Präsidenten aus gesehen) saßen die Revolutionären, Progressiven (Fortschrittlichen) – Rechts wiederum die Königstreuen, Monarchisten, Konservativen (Bewahrenden).

Gegensätze und/oder Alternativen

Nach dieser Erklärung sollen die verschiedenen Denkfamilien erarbeitet werden. Dies geht wunderbar mit Texten aus dem Politiklexikon der bpb.de:

Konservativismus

– Hauptbegriffe: Tradition, Bewahrung der aktuellen politischen Ordnung, Verteilung von Macht und Eigentum, Nation, starker Staat

Liberalismus

– Hauptbegriffe: Freiheit, Ablehnung/Einschränkung jeder (staatlichen )Einflussnahme,   Selbstregulierung der Wirtschaft über einen freien Markt

Sozialismus

– Hauptbegriffe: Freiheit UND Gleichheit, Abschaffung der Herrschaft über Menschen, Ablehnung des Kapitalismus, Schaffung von Gleichheit durch staatliche Eingriffe

Die Texte werden gekürzt. Im Überblick reichen oft die einleitenden Absätze, ohne genauer auf Unterströmungen einzugehen. Arbeitet man die Hauptbegriffe heraus, findet man Überschneidungen und Unterschiede.

Danach kann man den Denkfamilien aktuelle Parteien zuordnen. Parteiprogramme sichten. Wahlplakate analysieren und zuordnen lassen. Vor allem aber auch erklären, was in diesem Zusammenhang links- und rechtsextrem bedeutet, bzw. am Tafelbild des Einstiegs deutlich machen (ich gehe dann in rechte Ecke des Klassenzimmers, um zu erklären, dass das, was sie unter rechts verstehen, eigentlich rechtsextrem ist – Also: Überbetonung des „Volks“, Ablehnung/Unterordnung persönlicher Freiheit, Rassismus, radikal nationalistisch.

In diesem Zusammenhang habe ich neulich in einer Klasse ein sehr gutes Material der Bundeszentrale benutzt: „Was denken Nazis?

Grenzen

Links und rechts sind sehr grobe Begriffe. Vor allem, weil sie nicht wirklich etwas über politische Inhalte aussagen. Nicht umsonst spricht man ja auch innerhalb von Parteien von linken/rechten Flügeln, Traditionellen, Konservativen und Fortschrittlichen. Daher ist eine eigene Zuordnung schwer. Wenig überraschend werden links/rechts ja auch eher gebraucht, um jemand von außen zuzuordnen. Da ist man dann eine „linke Zecke“ oder „eine rechte Glatze“. Aber dann wiederum gibt es die „Linksfaschisten“ und „Godwin’s Law„.

Wenn man sich jedoch mit den Begriffen der „Denkfamilien“ auseinandergesetzt hat, wird das Ganze meiner Meinung nach schon leichter. Vor allem, weil man dann auch handfeste Grundbegriffe in Diskussionen und Auseinandersetzungen mit anderen hat.

Muss man sich politisch-gedanklich überhaupt verorten?

Generell bin ich der Meinung, dass es notwendig ist. Aber natürlich muss man mehr als das – sich auch mit dem beschäftigen, was man so „meint“. Notwendig vor allem, um sich zu wappnen gegen alle, die Redegewandtheit als Waffe einsetzen.

Für die Politische Bildung existiert der sogenannte Beutelsbacher Konsens, nach drei Grundpinzipien im Politikunterricht beachtet werden müssen: 1. Das Überwältigungsverbot, nach dem kein Schüler mit der Meinung des Lehrers überrollt werden darf, 2. Das Gebot der Kontroversität, nach der politische Themen, die in der Wirklichkeit umstritten sind, auch so im Unterricht dargestellt werden müssen und 3. das Ziel, den Lernenden inhaltlich und methodisch zu befähigen, dass er sich seine eigene Meinung bilden kann.

Klingen alle drei Punkte vernunftmäßig einsichtig, sind sie doch nicht ganz unumstritten. Ich erwähne nur zum ersten Punkt, dass hier schnell geschlossen werden wurde, dass der Lehrer keine Meinung äußern darf, um die Schüler nicht zu beeinflussen. Dies ist im laufenden Unterricht oft schwer, denn die Schüler fragen natürlich nach. Halte ich mich aus einer Meinungsbildung mit meiner Meinung heraus, bin ich ja doch ein schlechtes Vorbild – so als Meinungsloser. Nun ist man aber soweit zu sagen, dass eine solche Äußerung notwendig ist, wenn man sie am Ende eines schulischen Meinungsbildungsprozesses stellt und nicht an den Anfang. Und wenn man diese eigene Meinung auch begründet.

Wer es etwas genauer nachlesen möchte, ist im Netz an der richtigen Stelle.

Ein Linker?

In diesem Zusammenhang taucht in der genannten Stunde von mir auch ein Gedicht von Erich Fried auf. Dies enthält eine Definition von rechts/links, die ich persönlich sehr schön finde und für mich gern beanspruche – auch und vor allem als Lehrer. In dessen ersten Zeile heißt es:

Wer Kindern sagt
Ihr habt rechts zu denken
der ist ein Rechter
Wer Kindern sagt
Ihr habt links zu denken
der ist ein Rechter

Und es endet mit

Wer Kindern sagt
was er selbst denkt
und ihnen auch sagt
dass daran etwas falsch sein könnte
der ist vielleicht
ein Linker

Verunsicherungen (damit wollte ich eigentlich einleiten)

Ich lese mich grad ein in linke Positionen und Theorien: Autonome, Antifa, Kommunismus, Anarchismus. Veröffentlichungen dazu sind bunt. Zum Anarchismus gab es ein Comic (im Sozialkundeunterricht wird man oft mit Fragen / Anmerkungen bezüglich des Anarchismus konfrontiert), zur Antifa einen Theorieband, die Autonomen werden in einem Abriss behandelt und der Kommunismus findet seinen Ausdruck in einem Kinderbuch.

Diese Liste habe ich auch zusammengestellt, weil mich seit einiger Zeit irritiert, dass der Begriff „Kapitalismus“ in der öffentlichen Diskussion immer öfter auftaucht – ohne an sich in die Kritik zu geraten. Vor 20 Jahren existierte dieser aber noch als „Kampfbegriff“ und jeder, der ihn benutzte, bekam zu hören, dass er noch „nach Moskau gehen“ solle.

Mittlerweile aber darf man den Kapitalismus kritisieren, ohne Kommunist zu sein (zu müssen). Das überrascht mich.