Anständig essen – Karen Duve

Bin schon länger ein Karen Duve Fan und wurde auch immer wieder überrascht von den jeweils neuen Tönen, die ich in neu erschienen Werken von ihr entdecken konnte.

Fing ich an mit dem Regenroman und Dies ist kein Liebeslied, bei dem ich jedes Mal mehrere Passagen öfter lesen musste – nicht, weil ich sie nicht verstand, sondern weil sie dermaßen vollgestopft waren mit bitteren und bösen Passagen, die sich in Nebenbemerkungen, Andeutungen, Abschweifungen ergingen, dass erst mehrfaches Lesen alle Facetten wahrnehmen konnte. Allein die ersten sechs bis acht Seiten von Dies ist kein Liebeslied ist ein Parforceritt (wo habe ich nur dieses Wort her?) durch die Gedankengänge einer jungen Frau, die nach London aufbricht, um die Liebe ihres Lebens zurückzugewinnnen. Im Flugzeug sitzend reflektiert sie nicht nur über ihre Situation, sondern, um nur ein Beispiel zu nennen, überlegt, welche Musik nun am besten zu einem Absturz ihre Flugzeugs passen würde. Ich sitze auch beim wiederholten Lesen dieser Stelle glucksend vor dem Papier.

Auf einer Lesung der hiesigen Literaturtage vor ein paar Jahren konnte ich sie dann noch hören und es war ein perfektes Zusammenspiel. Ihre leicht unterkühlte Stimme, die fehlenden Erklärungen zum Roman und dann der Vortrag des Textes waren immens eindrucksvoll – vor allem, weil man in einem Publikum saß, dass irgendwo zwischen Lachen und dem Gedanken schwankte, ob man lachen darf.

Las ich dann Weihnachten mit Thomas Müller. Einer tollen Weihnachtsgeschichte um einen Kleinen Teddybär, der in Hamburg verloren ging. Nicht nur, dass ich die Locations kannte aus meiner eigenen Kindheit und Jugend (Hamburger Innenstadt). Und ich las und las und dachte, dass irgendwann dieser Karen-Duve-Ton hoch kommt. Aber nichts weiter als eine tolle Weihnachtsgeschichte. Eine, die ich auch schon in der Schule vorgelesen habe.

Las ein paar kurze Erzählungen.

Schenkte meiner Frau dann Anständig essen – und las es selbst. Der Ausgangspunkt ist einfach: Eine Art Selbstexperiment, zwei Monate bio ernähren, zwei als Vegetarier leben, zwei als Veganer, zwei als Frutarier. Darüber schreiben. Das Motiv lag natürlich in dem doppeldeutigen Begriff des „anständigen“ Essens, also der moralisch-ethisch richtigen Weise der Nahrungsaufnahme, speziell unter Vermeidung der Ausbeutung, Quälerei und massenhaften Tötung von Tieren.

Ich hatte gehofft, dass der alte Karen-Duve-Ton wiederkommt und er war auch vorhanden, aber es ist kein launisches Buch geworden, von einer Autorin, die ohne Cola und Gummibärchen nicht leben konnte – nach eigener Einschätzung. Vielmehr ist es ein gut recherchiertes, persönliches und aussagekräftiges Buch entstanden. An deren Ende steht letztlich keine Rechtfertigung des eigenen (unveränderten) Ess- und Konsumverhaltens, sondern man nimmt der Autorin ab, dass sie hier eine Wandlung durchmachte, die nicht auf das „Ja, ich weiß, aber…“ hinaus läuft, sondern auf eine erfreulich differenzierte Antwort auf die Frage, wie man anständig essen kann – und eigentlich mehr noch: wie man anständig leben kann in einer Zeit, in der das eigene Konsumverhalten unmittelbare Auswirkungen nicht nur auf die Umwelt, sondern auch dadurch auf die Lebensbedingungen anderer Menschen hat.. Dass sie hierbei keine grundsätzliche und dogmatische Überzeugung abgeliefert wird, rundete für mich das Ganze am Ende ab. Sie formuliert einige Punkte, die sie für sich aus ihrem Experiment gezogen hat, steckt dabei aber auch Grenzen fest, wo sie selbst zugibt, dass hier nichts in ihrem Verhalten ändern möchte.

Unterm Strich also ein Buch, was ich genossen habe und welches mich nicht ganz so unberührt lässt. Auch meine Frau wird es freuen.

Interview FAZ.net mit Karen Duve

 

httpv://www.youtube.com/watch?v=SEOrMc9rXeE

 

Bild aus der Augsburger Allgemeinen

Die Einsamen – Håkan Nesser

Im August um diese Zeit suche ich im Urlaub normalerweise überall die Buchhandlungen auf, um den neuen Nesser zu finden. Diesmal war Amazon mein Freund und ich habe zuhause auf dem Sofa gelegen, vier Tage jedenfalls hauptsächlich, um „Die Einsamen“ zu lesen.

Dies nun der vierte Band mit dem Halbitaliener Barbarotti als Kommissar, der, ganz in Tradition schwedischer Krimis, selbst eine große eigene Rolle im Krimi einnimmt. Wie in den Bänden vorher spielt das Ermitteln, das Kriminale, das Detektivische eine seltsam beigeordnete Rolle. Beim ersten Auftritt von Barbarotti taucht dieser ja erst im hinteren Teil des Buches überhaupt auf und scheint dann den Fall beiläufig, eher durch Zufall zu lösen. Ebenso ist er hier nicht der klassische Ermittler, besteht seine Arbeit doch darin, alte Akten zu durchforsten und nachzuspüren, was dreißig Jahre vor ihm ein mittlerweile verstorbener Ermittler gesammelt hat.

Ein über 60jähriger Dozent für Mathematik fällt im Wald einen Abhang hinunter und stirbt. Ein Unfall oder Selbstmord? Die Ermittlungen beginnen dann interessant zu werden, als sich heraus stellt, dass dreißig Jahre vorher eine Frau an derselben Stelle, unter denselben ungeklärten Umständen gestorben ist. Darüber hinaus ist recht schnell klar, dass dies Frau die damalige Lebensgefährtin des Dozenten war. Die weiteren Ermittlungen laufen schleppend und sind oft kurz davor eingestellt zu werden. Alles konzentriert sich um eine Freundesclique von drei Pärchen, die sich Anfang der 70er gefunden hatte und die sich Mitte der 70er aus den Augen verlor, nachdem eine von ihnen an besagter Stelle im Wald umkam.

Der Stoff ist kein klassischer „Whodunit“-Fall, aber das waren die Romane von Nesser ja fast nie. Vielmehr entwickelt sich die Spannung aus den Figuren und ihre Handlungszwänge und inneren Konflikte einerseits und andererseits aus der Konstruktion der Erzählstränge. Somit vermag es Nesser, dass der Leser sich wechselnd schlauer fühlen kann als der Ermittler, manchmal genauso im Dunklen tappt wie dieser und sich schließlich auch von ihm helfen lassen muss. Die Erzählfolge ist hier sehr stark zergliedert und die Handlungen im einzelnen konstruiert, aber dennoch nicht so, dass es unglaubwürdig würde. Es wird parallel erzählt, in Rückblenden und jeweils aus verschiedenen Perspektiven. Grad dies scheint Nesser perfektionieren zu wollen und daraus entwickelt sich natürlich die Spannung des Falls. Letztlich aber erhält die Geschichte bis zum Ende hin immer wieder neue Wendungen oder neue Vertiefungen, so dass die eigentümliche Spannung bis zum Ende hält, weil man in seinen eigenen Erwartungen zwar bestätigt, aber nicht immer zufrieden gestellt wird.

Dass die Barbarotti-Figur hier einen stärkeren transzendentalen Anstrich bekommt, empfinde ich jedoch eher als störend. Sein Pakt mit Gott war in den ersten Bänden witzig, nun sollte dieser anscheinend mit Tiefgang gefüllt werden. Die daraus resultierende Botschaft wird schnell kapiert, dann aber wiederholt dargelegt, ohne dass wirklich etwas Neues hinzukommt. Einige Seiten habe ich hier nur gescannt, ohne wirklich zu lesen.

Unterm Strich aber schöne vier Ferientage, im Garten, auf dem Sofa, im Freibad – mit einem schönen Krimi.

 

Hier gibts eine Leseprobe bei krimi-couch.de, gelesen von Dietmar Bär.

 

Bild/Cover von randomhouse

Rückblick auf das Schuljahr I – Zeugnis für den Lehrer

Das „Zeugnis für den Lehrer“ gebe ich als Leerformular nicht jedes Jahr aus. Dieses Jahr aber hat es mich interessiert, weil es ein gefühlt schlechtes Jahr war. Ich war an sehr vielen Punkten zu ausgelaugt, um ordentlich zu arbeiten, zu viele offene Baustellen gehabt. Habe unverhältnismäßig viele Fehler gemacht. War, das passt wohl auch in die Reihe, zum ersten Mal seit einigen Jahren wirklich krank gewesen (Kehlkopfentzündung und Stimmbandprobleme durch eine verschleppte Erkältung) – „wirklich krank“ heißt in diesem Zusammenhang, dass ich mich habe krankschreiben lassen. Das war die erste Krankschreibung in meiner bisherigen Dienstzeit von 14 Jahren. Früher habe ich betont, dass ich nie krank bin(was natürlich nicht den Tatsachen entsprach) – mittlerweile bin ich zu alt für solche Prahlerei.

In Umkehrung habe ich aber auch in diesem Jahr meine Schlüsse gezogen und an einigen Stellen die Bremse gezogen. So habe ich die Mitarbeit an einem Geschichtsbuch für die bayerische Realschule vor dem letzten Band 10 aufgegeben. Außerdem meine junge „Karriere“ an der Uni eingestellt, wenn man es so sagen möchte. Schließlich aber auch schulintern einige Dinge „neu geordnet“.

Dennoch blieb ein großes Durcheinander.

In diesem Jahr jedenfalls wollte ich mal wissen mit Hilfe eines Feedback-Bogens, ob meine eigene Unzufriedenheit von den Schülern mitreflektiert wurde oder wird.

Mein Zeugnis für den Lehrer, welches ich in zwei Deutschklassen verteilte, sieht so aus.

Ich präsentiere die Ergebnisse der Klasse, die mich in diesem Jahr zum ersten Mal hatte.

Was ich sehr toll an ihnen finde, ist, dass

  • wir oft raus durften (ich gebe ihnen Arbeitsaufträge und stelle ihnen frei zu arbeiten, wo sie wollen)
  • wir viel frei erarbeiten durften
  • das Internet eine Rolle spielte
  • sie immer für einen Spaß zu haben sind
  • sie ehrlich und direkt sind
  • sie uns nicht nicht nur den vorgegebenen Stoff beibringen, sondern mehr darüber hinaus
  • wir so viel Gruppenarbeit machen durften
  • sie auch auf Freaks eingehen und sie nicht anders behandeln
  • sie Unterricht auch spontan gestalten
  • man sie im Internet auch was fragen kann
  • wir unsere Meinung sagen dürfen
  • man bei ihnen über Sachen lacht, für die man bei anderen Lehrern bestraft wird
  • sie uns sagen, wenn wir gut sind

Auf manche dieser Äußerungen bin ich mächtig stolz und möchte sie quasi 1:1 meinen Referendaren und Praktikanten ins Poesiealbum schreiben. Und ich freue mich, weil ich einfach merke, dass einige meiner Absichten durchkommen. Auf keinen Fall muss ich hier was kommentieren.

Entsprechend dann das andere Gesicht meines Unterrichts und meiner Lehrerpersönlichkeit.

Was ich an ihnen gar nicht mag, ist, dass

  • wir manchmal etwas wenig für die Schulaufgaben gemacht haben
  • sie manchmal echt zu direkt sind
  • sie manchmal lustig sein wollen, was nicht immer so ist
  • sie manchmal Sachen zu kompliziert erklären
  • sie manchmal gar keinen Unterricht vorbereitet haben
  • sie manchmal schlechte Laune haben und an uns auslassen
  • der Unterricht bei ihnen manchmal keinen Zusammenhang hat
  • sie Schüler manchmal nicht ernst nehmen

Da habe ich schon geschluckt. Mehrmals. Denn das ist natürlich nicht das, was man als Lehrer hören will. Und leider muss ich bei allen Punkten nicken. Sicher kann ich manche Sachen miteinander erklären, so z.B. dass ich einen speziellen Humor habe und einige damit nichts anfangen können. Dass jeder Lehrer ja mal schlechte Laune hat. Usw. Usf.

Dennoch treffen mich einige Punkte. Und so lang ich sie auch durchlese, so finde ich keine Rechtfertigung dafür. Und es wäre mir zu leicht, wenn ich sagen würde, dass ich das nun einfach nächstes Jahr alles besser machen werde.

Muss erstmal auf die Reihe bekommen, ihnen zu signalisieren, dass sie mit diesen Anmerkungen durchaus auch ins Schwarze getroffen haben. Und dann schauen, was geht.

Aber ich will erstmal Ferien.

PS: Lese diesen Artikel hier grad Korrektur und sichte den Reader. Fällt mein Blick auf einen Artikel von Martin Kurz, der sich grad schon auf das neue Schuljahr vorbereitet. Ich selbst muss die nächste Woche auch noch arbeiten, obwohl schon Ferien sind, denn die Schulleitung plant natürlich schon das nächste Jahr. Aber ich stimme Martin zu: Schule ohne Schüler hat auch was für sich ;).

 

Neues Spielzeug: Trackpad (und Lion)

Ich war schon seit einigen Wochen drumrum geschlichen. Wieder die übliche Quälerei: Brauche ich das? Muss das sein? Ist das nicht zu teuer? Was sagt die Frau dazu?

Naja, und dann war wieder Geld am Ende des Monats übrig. Und das war’s dann auch schon.

Die erste Eingewöhnung war etwas anstrengend, weil ich kurz vorher auch noch auf Lion umgestiegen war.

Erste Lion-Erfahrungen

Dieses Update hatte ich in grenzenlosem Vertrauen zu Apple einfach per Klick über den Appstore fahren lassen – und war mit dem Ergebnis recht zufrieden. Mein iMac (Early 2008) lief danach gefühlt etwas flotter, außer bei Mail seltsamerweise, welches beim Scrollen ab und an stockt, ebenfalls ins Stocken gerät manchmal der Wechsel zu Spaces und zwischen den einzelnen Spaces. Aber seit ich in der Schule in meinem Büro mit Windows 7 arbeiten muss, schätze ich Spaces daheim enorm.

Mir ist wie vielen anderen auch auf den ersten Blick aufgefallen, dass auch die Optik von Lion schlichter geworden ist. Scheinbar, so meine unbedeutende Einschätzung, wurde auch das in Richtung iPad-Layout hin gebogen. Heißt: alles wirkt zweidimensionaler als die Vorgänger, etwas flacher und etwas farbneutraler – alles etwas lichtgrau. Ich muss aber sagen, dass ich dies im Vergleich mit der Windows 7 Oberfläche als eher beruhigend empfinde, denn jene wirkt auf mich nahezu psychedelisch grell in Bezug auf Farben und Animationen.

Am auffälligsten bei der Bedienung sicherlich die umgekehrt Scrollrichtung. Bei Apple wird das euphemistisch als „natürliche Fingerbewegung“ bezeichnet, im Alltag erfordert das die meiste Umgewöhnung, denn nur um ein Beispiel zu nennen: wenn nun die Seite nach unten bewegt werden soll, muss ich nach oben scrollen. Dies ist, wenn man wie ich woanders mit Windows arbeitet, manchmal ganz schön nervig. Aber in der Apple-Welt ist dies eher fantastisch, denn die Bedienung von iPad, iPhone und iMac etc. gleichen sich einander an (Böse Zungen meinen dann wohl, dass die Abhängigkeit vertieft wird).

Trackpad

Das Trackpad ist wie so vieles andere der Familie von außen schlicht, aber in seiner Bedienung intuitiv und sinnhaft (wunderbares Wort). Was ich nicht wusste: Es ist nicht nur Trackpad Oberfläche, sondern mit Druck klickt das Ding auch wie eine Maus, und zwar rechts und links.

Das Klicken habe ich aber abgeschaltet. Meine eingestellten Gesten richten sich zum größten Teil nach der Voreinstellung, hier nur die wichtigsten:

  • ein Tippen mit einem Finger = Klick links, Doppeltipp: Doppelklick
  • ein Tippen mit zwei Fingern = Klick rechts (Kontextmenü)
  • Streichen mit zwei Fingern = Scrollen in alle Richtungen
  • Streichen mit drei Fingern =  Klick und Festhalten, z.B. Bewegen von Fenstern, Vergrößern von Fenstern, Markieren
  • Streichen mit vier Fingern horizontal = Wechsel zwischen den Spaces

So lässt sich mit wenig Übung und wenig Bewegung eine Menge im OS steuern. Und es macht einfach mehr Spaß als mit der Maus, u.a. weil man keinen Laufplatz mehr braucht. Natürlich lassen sich alle Gesten eines Trackpads an diesem auch realisieren, z.B. Zoom etc. Unterm Strich habe ich auch das Gefühl, dass ich mit dem Cursor zielgerichteter unterwegs bin.

Größter Nachteil: Ich habe jetzt eine Magic Mouse hier rumliegen.