Das Problem der Evaluation – Handys im Unterricht II

Ich mache ja in der Schule manchmal Sachen einfach so – weil ich grad Lust drauf habe. Und denk dann erst später drüber nach, was das jetzt pädagogisch, didaktisch oder generell so für einen Sinn haben kann. Manchmal stimmt das dann zufällig überein mit den Sachen, die so in den Büchern stehen, an der Uni gelehrt oder auch in Twitter diskutiert werden.

Aber es bleibt immer ein seltsames Gefühl.

Jedenfalls bin ich heute in meiner Deutschstunde 5. Klasse mit der Frage eingestiegen, was denn die Kinder alles über Sätze schon gelernt haben. Das habe ich dann an die Tafel geschrieben und bin mit ihnen ein paar Übungen im Buch durchgegangen, um Haupt- und Nebensätze zu klären.

Am Ende der Stunde wurde es dann wieder hektisch und eigentlich habe ich ja gewollt, dass sie das noch von der Tafel abschreiben. Nunja, ich dachte mir dann: Das haben die schneller fotografiert als abgeschrieben.

Das Ergebnis war natürlich ein großes Hallo, weil bei uns in Bayern ja „digitale Speichermedien strengstens verboten sind in der Schule“ (vlg. dazu ein Blogpost bei Herrn Rau). Aber mit großem Johlen und Freude fotografierten einige, die ihre Handys dabei hatten, das TB ab. Die anderen bekommen morgen von mir eine Kopie.

Macht das Sinn?

Ich bin und war lange Jahre der Meinung, dass das Abschreiben schon ein Lernschritt ist. Dass es also absolut notwendig ist, wenn alles von der Tafel abgeschrieben wird und generell die Schüler viel in ihre Hefte schreiben sollen. Guter Lehrer = volle Hefte = viel gelernt.

Aber einen Beweis für diese Theorie habe ich eigentlich nicht. Der Gedanke, dass durch das Schreiben mehr behalten wird, klingt erstmal super einsichtig. Wenn ich bedenke, dass die Schüler das den ganzen Vormittag 6x machen, überkommen mich aber Zweifel.

Außerdem finde ich auch, dass es viele Tafelanschriebe gibt, die keinen Lerncharakter haben, sondern eher Dokumentationen sind oder ähnlich einer Notiz oder aber wie heute eben einfach nur eine Rekapitulation darstellen. Heißt also, eine Kopie würde reichen.

Würde man das Lernen wieder verstärken, wenn die Schüler zuhause das TB abschreiben müssten? Ich muss sagen, dass ich das für ganz schön abwegig halte, denn das wäre doppelte Arbeit. Und ich will nicht, dass sie hirnlose Dinge tun.

Unterm Strich also finde ich das Fotografieren von Tafelbildern sinnvoll, denn es ist eine sinnvolle Art sein Handy als Dokumentationsinstrument zu benutzen. Außerdem spart es der Schule Kopien und mir eben manchmal Zeit im Unterricht.

Wirklich?

Bei diesem Beispiel geht es jetzt nicht unbedingt um eine didaktisch oder medienpädagogische Neuerung, die in meinen Unterricht einführen will. Dennoch ging mir wieder die Frage durch den Kopf, wie ich den Lerneffekt überhaupt messen und bewerten kann. Und ob ich überhaupt die Möglichkeiten besitze, geschweige die Fähigkeit, eine Evaluation über die Wirksamkeit meines Unterrichtens gesicherte Aussagen zu treffen.

Ich selbst z.B. habe nie Probleme mit der Rechtschreibung gehabt und kann mich aber nicht erinnern, dass mir das jemand bewusst beigebracht hat. Also kann niemand sagen: „Hej, dem kubiwahn habe ich aber sauber das Rechtschreiben gelehrt.“ Und ebenso kann ich es bei vielen Dingen auch nicht.

Ich führe Projektschulaufgaben durch, lasse Portfolios erarbeiten, mache Lernzirkel, Freiarbeit, Diskussionen, Präsentationen usw. Ja sicher, neben anderen „normalen“ Sachen. Wird der Unterricht dadurch besser?

Man könnte meinen, dass ich es an den Noten festmachen kann – aber die Noten gebe ja ich.

Man könnte meinen, dass ich es an dem Spaß festmache, den die Beteiligten haben – naja.

Man könnte meinen, dass das Abschneiden in den entsprechenden Testverfahren eine Maßgabe wäre – das glaube ich nun auch nicht, denn die Testverfahren decken kaum meinen gesamten Unterricht ab.

Ich freue mich, wenn Schüler wirklich gute Noten in der Abschlussprüfung schreiben.

Aber oft frage ich mich: „Was habe ich damit zu tun?“ Wenn es so wäre, müssten doch alle gute Noten schreiben.

Und umgekehrt frage ich mich heute: Haben sie jetzt nicht zu wenig gelernt? Ist das nicht zu bequem gewesen? Hätten sie nicht mehr gelernt, wenn sie es abgeschrieben hätten?

Was auf jeden Fall für offene Bildungsmedien spricht

Ich bin weiter am Aufräumen. Das geht schon seit 3 Jahren so, seitdem wir auf’s Land gezogen sind. Beständig verringern wir unseren Besitz.

Heute war der Stapel an CDs dran, der sich in dem kleinen Regal an meinem Schreibtisch befindet. CDs mit Geschichtskarten, Literatur multimedial, Karikaturen im GU, Da Vinci, Duden Korrektor und weiß der Geier noch. Vieles davon habe ich in den letzten 3 Jahren nicht angeschaut und war knapp davor, es wegzuwerfen. Aber nun ist das Meiste erstmal nur im Vorhof des Recyclings: bei uns im Keller.

Anderes habe ich mir auf den Schreibtisch gelegt, vor allem die CD, die noch nicht mal vom Cellophan befreit war: „Literatur des 20. Jahrhunderts. Ein multimediales Zusatzangebot“ aus dem Schroedel-Verlag – ein Geschenk – und ein gutes Beispiel. Es geht mit dabei nicht mal um diese CD speziell, denn die anderen haben dasselbe Problem.

Erster Kritikpunkt: Erst auf der Verlagsseite lese ich den Hinweis „Eine Textsammlung für den Deutschunterricht der Oberstufe“. Hätte ich die CD gekauft, wäre ich schon jetzt reingefallen, denn darauf fehlt dieser Hinweis. Ich unterrichte aber an einer Realschule – nix Oberstufe.

Zweiter Kritikpunkt: Ich kann es nicht installieren. Technische Basis hier auf meinem iMac (von 2008, aktuellste OS: Lion) ist ein Windows 7, welches ich in einer virtualisierten Umgebung auf Parallels (aktuellste Version) installiert habe. Für die durchaus anspruchsvolle und komplexe Games „Call of Duty 2“ und „Call of Duty – Modern Warfare“ reicht das voll und ganz aus. Nicht für die Literatur des 20. Jahrhunderts. Es kommt ein unkommentiertes Fehlerprotokoll, welches ich einsenden kann, mit dem Hinweis „Geben Sie ihre Email-Adresse ein, wenn Sie eine Antwort wünschen“. Ein durchaus angebrachtes Anliegen, wenn ich dafür 27 Euro bezahlt hätte. Ein Support-Angebot auf der Verlagsseite, welches mir JETZT zur Verfügung stehen könnte, gibt es nicht. Ich bekomme eine Email. Nach Installation eines Updates kann ich das Programm ausführen. Ich hatte das auf der Seite übersehen. Nunja, macht sich beim Verkauf auch schlecht, zu sagen, dass die Version schon überholt ist.

Ich starte und sehe eine vorbereitete Lernumgebung. Bilder, Texte und andere Medien können mit und nach rudimentären Arbeitsanweisungen bearbeitet, montiert und kombiniert werden. Die Ergebnisse sind speicherbar und man kann sie ausdrucken. Der Nutzer kann auch eigenes Material einfügen. Als ich auf den Menüpunkt „Internet“ klicke, weil ich den Weg nach draußen vermute, wird die Verlagsseite mit dem Zusatzmaterial aufgerufen.

Sieht gut aus, man braucht halt einen großen Bildschirm. Das Programm, mit dem ich arbeite, ist in sich geschlossen. Bei 50 Computerplätzen wird das teuer. Und das, was an Mehrwert (über das Material hinaus) möglich ist, kann ich mit einem einfachen Word-Programm auch erreichen – nämlich die freie Kombination und Montage der Werke mit meinen Assoziationen.

Dritter Kritikpunkt: Das verwendet Material liegt überwiegend nicht in brauchbarer Form vor. D.h. ich habe nur Videodateien (10 Stck) und Audio-Dateien (77 Stck), die überwiegend im wav-Format vorliegen. Texte: Nada. Bilder: Nope. Sonstiges: Fehlanzeige. Ich weiß, es handelt sich um eine vorbereitete Lernumgebung, auf der Texte und andere Medien kombiniert werden können, „handlungsorientiert“. Aber ich finde nicht mal eine lesbare Datei, in der mir genau beschrieben wird, was jetzt alles auf der CD vorliegt. Die Frage ist wieder: darf ich die Rohdaten der Lernumgebung auch in anderem Zusammenhang im Unterricht benutzen – oder gibt’s dann eine Abmahnung?

Fazit: Ich werde die lesbaren Dateien herunterholen und die CD wegwerfen. Hm, kann ich dann nachweisen, dass ich sie mal „gekauft“ habe – wegen der Rechte an den Materialien?

Seitenblick: Ich habe ja nun selbst an einem Geschichtsbuch mitgearbeitet (weil ich es so gern sage), zu dem wir auch Material für eine Zusatz-CD („Kranzmaterial“, schönes Wort) entwarfen. Wir waren uns recht schnell einig, dass dieses unbedingt so angelegt sein muss, dass man es in sein eigenes Unterrichtsmaterial verlustfrei einfügen und verarbeiten kann. So liegt dieses Zusatzmaterial nun eben auch als Word-, PDF oder JPG-Format vor, was ich mir unabhängig von der verwendeten Software herunterziehen kann.

Doch das da oben muss doch auch anders gehen. Also:

Andere Beispiele

Lernzirkel Moderne

WebQuest Jürgen Fuchs

Ursprünglich wurde Letzteres von mir als Wiki realisiert, jetzt in eXe umgesetzt. Noch unvollständig.

Geht doch: softwaretechnisch sicher, denn es läuft über den Browser. Das Produkt lässt sich frei wählen – mit demselben Material und derselben Technik.

Die Schüler sind nicht verloren im Netz, sondern werden hindurchgeführt. Daneben aber können sie natürlich zusätzliche Quellen anzapfen.

Die Umsetzung für Lehrer ist mit der passenden Software und ein wenig Know How einfach und schnell zu bewerkstelligen.

Es würde vor allem alles viel schneller gehen, wenn ich nicht bei jedem Schritt, den ich unternehme, Bild- oder Textrechte recherchieren müsste – und trotzdem bei allem mit einem schlechten Gewissen dastehe.

Ja, so stelle ich mir das eigentlich auch vor: freie (oder mindestens freiere) Nutzung von künstlerischen Werken im Rahmen der Bildung.

So naiv will ich sein: dass (die materielle Seite von) Bildung (eigentlich) nichts (so wenig wie möglich) kosten soll/kann/darf.

Was also spricht für offene Bildungsmedien?

Dass sie so offen sind, dass man sie technisch überall verwenden kann und sie ebenso frei den eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Situationen anzupassen vermag. Letztlich aber auch, dass sie nicht nur für mich frei sind, sondern auch für den Lerner. Frei bedeutet also nicht zwangsläufig umsonst.

Ein letztes Beispiel

Logo des Verbrecher-Verlags

Im Rahmen des Webquests bin ich auf Erich Mühsam gestoßen und erst jetzt bei der Arbeit an diesem Artikel auf die Seite des Verbrecher-Verlags Berlin. Dieser erarbeitet seit einiger Zeit eine Ausgabe der Tagebücher von Erich Mühsam von 1911-1924. Daran selbst ist noch nichts Aufregendes. Darüber hinaus aber stellen sie diese Ausgaben auch online, mit einem Almanach der Texte Mühsams und einem ausführlichem Register der Personen und Orte, die in den Tagebüchern erwähnt und online verlinkt werden. Und: Jede Seite, die handschriftlich vorliegt, kann über den Link des Datums als Bild abgerufen werden. Was also möglich ist für jeden Leser: eine eigenständige Auseinandersetzung mit einem Originaltext. Für mich als halbgebildeter Germanist ein Umstand, der mich ein wenig zum Sabbern bringt. „anmacht“.

Natürlich sind die hier veröffentlichten Texte nicht frei verwendbar bzw. zu verbreiten. Aber die Nutzung ist es und damit geht der Verlag in diesem Beispiel doch weit über andere Angebote hinaus. Vor allem, weil er das Internet / das Hypermedium ordentlich benutzt.

Kreatives Schreiben im DU 2 – Gestörtes Schreiben

Heute wieder ein schöner Tag: 2 Stunden regulärer Unterricht – plus 4 Vertretungsstunden. Ich erinnerte mich an meine Anfangsjahre, als sowas normal war und ich dachte, das fällt unter „Klappe halten und sich hochdienen“. Allein schon aus Selbstverteidigungsgründen habe ich mir einige Übungen zum Kreativen Schreiben parat gelegt, kombiniert und verfeinert.

Später habe ich solche Übungen dazu genutzt, den Schülern die Angst vor dem weißen Papier zu nehmen – einfach als Alternative zu dem genormten Schreiben. Und natürlich, um Spaß mit ihnen zu haben.

Meine Lieblingsform ist das „Gestörte Schreiben“. Jedenfalls meinte ich mich zu erinnern, dass die Ausgangsform so hieß. Die folgenden Ausführungen passen hervorragend in eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten und man muss quasi nichts mitnehmen.

Ich selbst habe der Einfachheit halber immer einen Stapel kleiner Zettel (DINA 9 ?) in der Büchertasche.

Als Vorbemerkung

Der Umstand, dass ich das in vielen Vertretungsstunden in unbekannten Klassen entwickelt habe, hat dazu geführt, dass ich das eigentliche Schreiben mit einigen Schutzfunktionen versehen habe. Ich wusste nie, welche sozialen Gefüge mich erwarteten, sprich: wer in welcher Klasse der Außenseiter war oder wo welche Lehrer nicht angesehen waren. D.h. ich musste diese vorab schützen. Diese Schutzpunkte markiere ich hier kursiv.

Wenn ich in eine Stunde hineingehe, erkläre ich vorab nicht großartig, was kommt, sondern fange einfach an. Manchmal schreibe ich aus Spaß „Deutschtest 1“ an die Tafel oder alternativ in Bayern „2. Stegreifaufgabe aus dem Deutschen“. Dann habe ich die Aufmerksamkeit. Bisher habe ich, und das kann ich komischerweise wirklich so sagen, noch keine Klasse erlebt, die daran nicht Spaß hatte.

Ablauf (zur Abwechslung in der Ich-Perspektive)

Ich betrete den Raum und verteile stumm mitgebrachtes liniertes Papier. Die Schüler werden aufgefordert, unten vom Blatt einen fingerdicken Rand abzureißen und diesen wiederum zu halbieren. Die eine Hälfte sollen sie im Mäppchen verwahren.

Ich gebe meine Anweisung: „Ihr habt jetzt genau 5 Sekunden Zeit, um auf dieses Blättchen ohne Schwatzen und Abgucken das erste Wort aufzuschreiben, was euch einfällt.“ Danach sollen sie diese Blättchen zwei Mal (!) falten. Ich gehe rum und sammle diese ein.

Ich erkläre das weitere Vorgehen: „Ich gebe euch jetzt den Anfang einer Geschichte vor und ihr schreibt diesen, wenn ich es sage, einfach weiter. Ihr schaut nicht vom Nachbarn ab oder erzählt ihm, was ihr schreibt. Ihr schreibt ohne Unterbrechung bis zu dem Punkt, wo ich ein Blatt ziehe und euch das Wort vorlese, was darauf steht. Eure Aufgabe ist es dann, dieses Wort sofort in eure Geschichte einzubauen. Ich werde alle zwei Minuten ein Blatt ziehen.“ Auf Nachfrage versichere ich, dass nicht die Rechtschreibung bewertet wird, sondern es nur um die Geschichte geht. Ein Sinn ist auch erstmal nicht wichtig (der kommt von allein) – auch andere gelernte Vorgaben sind nebensächlich. Namen sollen sie nicht drauf schreiben (!).

Den Anfang der Geschichte erarbeite ich mit ihnen zusammen. Dazu lasse ich mir folgende Dinge nennen: Jahreszeit, Tag, Uhrzeit – manchmal noch andere Sachen. Daraus erfolgt dann der Geschichtsanfang: „An einem wunderschönen Mittwoch im Sommer wachte ich am Nachmittag in meinem Zimmer auf. Ich stand auf und ging durch den Flur zur Tür. Ich öffnete sie und plötzlich…….“

Die Erarbeitung dieser Stichworte erfolgt durch ein Zufallssystem. Ich frage nach der Anzahl der Haustiere (Wer hat mehr als 5 Haustiere? Wer hat mehr als zwei Hunde? oder Geschwister) und der Gewinner darf dann seine Lieblingsjahreszeit nennen usw. Erstens bekomme ich so schon einen Einblick in die Klasse – ich sehe, wer vorlaut ist, wer das große Wort führt usw. Und diejenigen, die Haustiere haben, sind oftmals die „netten“ Schüler – ja, ich weiß, alle Schüler sind nett….

Ich lasse sie schreiben und ungefähr alle 2 Minuten ziehe ich ein Wort und lese es vor. Was ich auf keinen Fall vorlese: Namen oder Begriffe, die irgendwie dazu geeignet sein könnten, „Codewörter“ für die besagten Außenseiter zu sein. Das erkläre ich nicht, das ist halt einfach so.

Ich lasse sie etwa 15-25 Minuten schreiben.

Dann sammle ich alle Blätter ein. (Ohne Namen!)

Ich habe mir nach der Anfangszeit zur Regel gemacht, die Blätter einzusammeln und selbst vorzulesen. Erstens schaffen es Schüler selten ohne zu lachen, ihre eigenen Texte vorzulesen. Außerdem kann ich so kontrollieren, was geschrieben wurde. Mir machen derbe Sprache oder Zombistories nichts aus – aber ich vermeide so, dass potentielle Mobbingopfer in der Klasse durch ihre Rollen in den Geschichten bloßgestellt werden. Es geht nicht darum wegzuschauen – ich frage immer die Klassenleiter, wenn mir etwas spanisch vorkam – aber im Rahmen einer mir unbekannten Klasse bin ich da in der Stunde selbst vorsichtig.

Ich frage nach Geschwistern, weitester Urlaubsfahrt oder beste Note in Mathematik. Der Sieger darf mir eine Zahl nennen zwischen 1 und der Anzahl der Schüler in der Klasse und ergänzt dabei oben oder unten. Währenddessen mische ich den Stapel durch und zähle dann die Zahl den Stapel runter oder hoch und lese dann die jeweilige Geschichte vor. Dieses „Zufallsprinzip“ akzeptieren alle und es verhindert oft das „Lesen Sie meine Geschichte vor!“-Gebrülle.

Dabei lese ich still immer zwei bis drei Sätze voraus, um die Beleidigungen o.ä. herauszufiltern und wegzulassen. Wenn es zu viel wird, dann sage ich einfach „Ach ne, langweilig“ und lese nicht zuende. Alles das mache ich natürlich freundlich bis lustig und so fühlt sich niemand angegriffen.

Ich schaffe nicht alle Geschichten. Den Rest überfliege ich nur und suche schnell die witzigen heraus.

Ich nehme alle Blätter wieder mit.

Abrundung

Vielleicht sind meine Schutzvorkehrungen etwas übertrieben, aber ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass Schüler diese Sachen nutzen, um irgendwelchen anderen Schülern einen reinzuwürgen. Und ich habe bei Hospitationen erlebt, dass dies passiert, ohne dass der Lehrende es merkt.

Aber ich mache das auch in Klassen, die ich kenne und die mir vertrauen. Dann wird es wirklich spannend – auch wenn ich selbst mitschreibe. Es kommen auch lange Geschichten heraus. Die meisten Schüler sind von sich selbst überrascht, wie viel sie in der kurzen Zeit schreiben können. Und immer wieder entdecke ich Perlen.

Ich mache in einer Klasse nie dieselbe Übung mehr als zwei Mal, weil die Schüler dann gezielter ihr Begriffe nennen – und es dann wirklich schwierig wird. Aber in Abwandlung lasse ich sie auf die kleinen Blätter Kurzsätze mit drei Worten oder alternativ Fragen aus zwei Worten formulieren.

Ein Nebeneffekt ist oft beim zweiten Mal, dass man erkennt, was in der Klasse wichtig ist. Beim ersten Mal kommen oft Worte wie „Hallo“ oder „Schule“, später ist das dann interessanter, ohne abgedreht zu sein.

Auffällig fand ich es in manchen Klassen, wenn auf 50% der Zettel „Hunger“ steht.

Einmal habe ich die Blätter im Klassenzimmer liegen lassen und ein nachfolgender Kollege hat darin gelesen – das gilt es auch zu vermeiden.

Eigene Schulbücher schreiben?

Im Zuge dieser „Schultrojaner“Geschichte hat sich die Diskussion auf einigen meiner Hoodie-Blogs in Richtung eines spannenden Themas entwickelt – Der Lehrkörper hat mal ein wenig Links zum Trojanerthema zusammengefasst.

Schnell kam man hier aber auf die nicht mehr ganz neue Idee, eigene Schulbücher zu entwerfen. Dies klang erstmal grotesk, aber dann doch gar nicht so doof. Und ich war, wie so oft, überrascht, wie weit solche Ideen schon entwickelt sind.

Die Diskussion im Kleinen: gleich8.de.

Drei Probleme wurden gewälzt, jedenfalls, wenn ich alles richtig verstanden habe

  • Organisation: Wie wird die Arbeit daran organisiert und qualitativ begleitet?
  • Werkzeuge und Präsentation: Mit welchen Werkzeugen kann am einfachsten gearbeitet werden? Wie soll das Buch aussehen?
  • Reichweite: Wie groß soll es werden?

Herr Rau macht sich dazu viele Gedanken, die es allemal wert sind, gelesen zu werden.

In jedem Fall ein faszinierender Gedanke, die Lehrerzusammenarbeit auf eine neue Ebene zu bringen.

Organisation

Materialaustausch in den letzten Jahren fand ich immer sehr anstrengend. Vor allem, weil sich viel anhäufte, ohne dass man wirklich den Durchblick hatte. Wenn ich jemanden fragte, ob er was über Kinder- und Jugendliteratur hat – was mich leider nie besonders interessierte – dann bekam ich meist eine Linksammlung, alternativ einen Stapel Kopien mit Titeln. Gebracht hat mir das nichts – außer die Aussicht auf eigene Recherchearbeit.

Nicht falsch verstehen: ich bin nicht faul. Ich arbeite gern. Aber auf meine Fragen wollte ich nie einen Stapel Papier, sondern Ideen, Erfahrung, Anregung.

Was also die Arbeit an einem solchen Projekt betrifft, würde ich mir wünschen, dass, entgegen einem herkömmlichen Schulbuch, eben persönliche Erfahrung und Einblicke mit in die Arbeit einfließen. Eben nicht nur die Aussage „XY ist ein gutes Jugendbuch“, sondern „XY halte ich für ein gutes Jugendbuch, denn ich habe es unter folgenden Aspekten im Unterricht behandelt und dafür soundsoviel Stunden gebraucht – ich bin nicht dazu gekommen, dies und jenes zu besprechen.“

Dabei geht es nicht nur um Material, Arbeitsblätter, sondern auch grundlegende Artikel zu gängigen Inhalten und Voraussetzungen des Faches. Um Fragenkataloge, wie Herr Rau sie beschreibt, die dieselben Materialien (im Fach Deutsch) aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und für verschiedene Jahrgangsstufen aufbereitet.

Kurz gefasst die eierlegende Wollmilchsau: Bücher, die

  • Grundlagentexte bieten,
  • Umsetzungen im Unterricht beschreiben, vorschlagen oder anregen,
  • Material an die Hand geben können.

Werkzeuge und Präsentation

Zwei Aspekte erscheinen mir wichtig. Da schließe ich mich dem grundlegenden Duktus von Herrn Rau an: Es gibt Material und es gibt Bücher.

Die Werkzeuge zur Erstellung der Bücher muss einfach zu handhaben sein, bzw. schnell erlernbar. Ich bin hier zuversichtlich, dass es so etwas schon gibt – Beispiel weiter unten.

Als zweites, und das habe ich oben schon angedeutet, ist Material m.E. nichts wert, welches unbewertet und unkommentiert herumliegt, bzw. auf das nicht durch eine ordentliche Suchfunktion zugegriffen werden kann.

Beides muss gelöst sein.

Herr Rau verweist auf eine Seite, die mehrere „fertige“ Bücher aus dem amerikanischen Bildungsraum präsentiert. Als Beispiel sei auf eine verwiesen, die sich um das Thema Commonsense Composition dreht (In diesem Zusammenhang scheint das „FlexBook“ als Tool wirklich interessant zu sein). Vor allem, weil ich diese Form zunächst einmal sehr wichtig finde, da sie verschiedene Funktionen erfüllen kann:

  • als Nachschlagewerk für Schüler UND Lehrer
  • als Dokumentation von Schulinhalten nach außen
  • zur Schaffung eines Grundlagenkatalogs
  • Verständigung über grundlegende Fragen des eigenen Faches.

Besonders der letzte Punkt erscheint mir wichtig, in vielerlei Hinsicht. Zum einen kann dies innerhalb einer Schule innerhalb einer Fachschaft zur Sicherheit der einzelnen Lehrkraft beitragen was das Stoffgebiet angeht. Weiterhin kann dadurch eine Vergleichbarkeit der Vermittlung von Inhalten erreicht werden, die die ganzen Teste und Veras etc. nicht erreichen können – Ich rede nicht von Objektivierbarkeit sondern davon, dass man sich unter den Kollegen einig wird, wie Inhalte zu verstehen sind.

Als Beispiel: so doof es klingt, aber wenn man sich in der Deutsch-Fachschaft mal zusammen setzt und darüber redet, was eine Inhaltsangabe umfasst, kommt man zwar auch ähnliche Inhalte, aber irgendwie weichen die einzelnen Ansichten doch auch schon mal voneinander ab. Oder es schleifen sich Ungenauigkeiten ein, weil man es dauernd oder zu wenig unterrichtet. Ein gemeinsames Buch kann hier eine Grundlage schaffen, auf die man im Zweifelsfall zurückgreift.

Der letzte Punkt ist aber auch wichtig, wenn man die verschiedenen Schulformen der verschiedenen Bundesländer betrachtet. Oftmals erkenne ich im Netz, dass ich mich mit Lehrern aus anderen Bundesländern unterhalte und oftmals muss man sich in der Diskussion über Inhalte, Prüfungen und auch rechtliche Fragen erstmal klar werden, was im jeweiligen Bundesland gelehrt oder (schul-) gesetzlich verankert wird. Gemeinsame Grundlagen würden hier auch eine übergreifende Arbeit vereinfachen.

Reichweite

Herr Rau und die anderen bei gleich8.de greifen mit ihren Ideen nach meinem Geschmack ganz schön weit aus. Der deutsche Versuch des Open(Schul)Book ist groß angelegt, dass er sich wohl deshalb schleppend entwickelt, jedenfalls wenn man meine Fächer betrachtet. Woran dies genau liegt, ist mir erstmal Wurst. Ich glaube, es liegt zum Teil daran, dass sich die Mitarbeit an alle richtet und damit – wie wir es aus dem Unterricht kennen – an keinen. Ich muss jedenfalls sagen, dass ich mich daran nur ungern beteiligen würde, obwohl ich mich mit dem Werkzeug auskenne. (Ich weiß grad auch nicht genau, warum. Vielleicht auch, weil mich die Qualität der bisherigen Beiträge in meinem Fachbereich nicht überzeugen).

Viel eher fände ich es aber wichtig und wertvoll, wenn sich innerhalb einer Schule zu Schulbuchteams zusammen fänden. Diese könnten die oben erwähnten Synergien viel einfacher und schneller nutzen und sich bei Problemen schneller verständigen.

Wenn man dann noch Werkzeuge hätte, die diese lokalen Schulbücher in einem größeren Rahmen verbinden könnte.

Ich weiß, das Unausgereifte daran ist, dass dan viele Bücher mit „identischen“ Inhalten entstehen. Aber ich meine, dass man innerhalb einer Schule die Kollegen viel einfacher motivieren kann und man die Zusammenarbeit hier am effektivsten verbessert.

PS

Ich bin übrigens kein grundsätzlicher Gegner von Schulbüchern und Schulbuchverlagen. Habe selbst ein paar Jahre an einem Geschichtsbuch mitgearbeitet und weiß daher um die Mühe, die so etwas macht. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an die vielen Diskussionen, die sich um einzelne Abschnitte, Quellenauswahl oder auch nur Bilder drehten. Und wir waren nur zu sechst. Aber im Endeffekt bin ich stolz auf diese Bücher. (Dass ich sie hier nicht nenne oder den Verlag verlinke hat nichts damit zu tun, dass ich mich ihrer schäme – aber es passt auch irgendwie nicht)

Ich benutze Bücher für meine Arbeit und reflektiere sie nicht immer tiefgehend, auch weil ich einen stressigen Beruf habe. So schätze ich Schulbücher, mit denen ich einfach ein Klassenzimmer betreten kann, um zu unterrichten. Ich nenne mich einen Profi, weil ich dieses Material – was die Schüler immer bei sich haben (sollten) – nutze.

Bei meinen Überlegungen hier gehe ich vom herkömmlichen Unterricht aus und blende alle modernen Formen, vor allem technischer Natur, erstmal weg. Bücher wie ich sie mir hier vorstelle, können im Unterricht genutzt werden, wenn die Technik vorhanden ist, für das Heimstudium, für die Vorbereitung und Dokumentation von Unterricht – also für Lehrer UND Schüler UND alle Interessierten.

PPS

Was mich an der Schultrojanergeschichte aber am ehesten nervt, ist, dass die Kultusminister der Länder nicht etwa Verträge mit Verlagen schließen, in denen die Arbeit der Lehrer unterstützt oder vereinfacht wird (z.B. Bereitstellung von Arbeitsstunden von Lehrern zur Erstellung von Schulbüchern wie sie beschrieben wurden), sondern Ihnen nachgeschnüffelt wird. Und das mit dem Argument der „Rechtssicherheit“ (für uns) – für mich hat dieser Begriff in diesem Zusammenhang immer den Touch von „Schutzhaft“.

Außerdem ist dies der längste Artikel, den ich hier je geschrieben habe. Man mag ihn als Steinbruch einiger Ideen nehmen. Etwas unaufgeräumt vielleicht.

Deutsch – schnell gemacht 5: Interpretation von Kurzgeschichten mit dem Handy

Eine einfache Idee.

Das Bauen von Standbildern oder kurze Szenen zur Unterstützung der Interpretation von literarischen Texten mache ich recht gern, aber viel zu selten. Ich entschuldige mich dann mit allem Möglichen, z.B. dass die Klasse nicht bereit ist dafür oder oder oder. Meist bin ich nur feige.

Ich habe gemerkt, dass immer Bauchschmerzen darüber bleiben, ob die Schüler jetzt wirklich genau so viel „begriffen haben“ wie in einer herkömmlichen Interpretation. Und daher schiebt man schnell noch „richtige Interpretation“ hinterher.

Dumm. Weil

  • das Szenische Interpretieren oder auch der kreative Umgang mit Literatur damit eindeutig in die Schmuddelecke der Spielerei gesteckt wird
  • eine Doppelung entsteht, denn der Schüler durchläuft ja hier im Standbildbauen dieselben Arbeitsschritte wie beim schriftlichen Interpretieren
  • der geschätzte Prozentsatz der Schüler, die mit dem einen nichts anfangen können, mit dem anderen auch nicht „mehr begreifen“oder weniger
  • der durchschnittliche Realschüler, den ich unterrichte, mit der schriftlichen Interpretation in seiner Zukunft nicht viel anfangen kann – die Einfühlung in Charaktere oder literarische Figuren ihm aber deutlich mehr bringt.

Es kann nun an meinem fortgeschrittenem Alter liegen, dass mich die Meinung anderer nicht kümmert oder ich dem Lehrplan gegenüber entspannter bin (als ob das je anders war), aber ich überwinde mich in letzter Zeit immer mal wieder und lasse die SchülerInnen spielen.

Heute war es der Fall im Rahmen der Behandlung der Kurzgeschichte „Die Tochter“ von Peter Bichsel in einer zehnten Klasse. Es gab folgende verschiedene Aufgaben:

Geht in 3er Gruppe zusammen (die Gruppen zogen eine der folgenden Aufgaben)

  1. Baut ein Standbild, in dem eine Szene der Geschichte dargestellt wird.
  2. Entwickelt eine kurze Szene (1Minute) ohne Text, in der eine Szene der Geschichte dargestellt wird.
  3. Entwickelt eine kurze Szene (1 Minute) mit Text, in der eine Szene der Geschichte dargestellt wird.

Haltet eure Ergebnisse (Foto oder Film) mit dem Handy fest und gebt mir diese morgen auf CD, USB-Stick oder SD-Card.

Warum ist diese Aufgabenstellung nun gleichwertig zu einer herkömmlichen schriftlichen Interpretation?

Weil, wie oben schon gesagt, die Schüler zur Lösung ihrer Aufgabe

  • den Inhalt des Textes erfasst,
  • die Charaktere verstanden,
  • die Beziehungen geklärt haben müssen.

Ich gebe den SchülerInnen der Klasse die Möglichkeit sich auf dem gesamten Schulgelände ein Plätzchen für ihre Arbeit zu suchen. Dies klappt in der Regel. bisher immer. Letztes Jahr haben sie Szenen aus einer Buchverfilmung nachstellen müssen, die Fotos wurden dann in Facebook in der Klassengruppe eingestellt und dort von den Schülern bewertet (was diese noch sehr zögerlich getan haben). Das heißt, sie kennen das schon.

Die Ergebnisse zur Bichsel-Geschichte präsentiere ich morgen über Beamer und dann schauen wir, wie gut die Szenen getroffen wurden, bzw. wie „gut“ die Geschichte „interpretiert“ wurde. Leider kann ich hier aus nachvollziehbaren Gründen keine Ergebnisse einstellen.

Warum eigentlich das Handy?

Eigentlich nur aus einem einfachen Grund, oder zweien. Einmal fand ich es immer sehr schade, dass diese Handlungsprodukte so flüchtig waren – das Foto kann hier leicht Abhilfe schaffen. Außerdem ist das Reden über diese Ergebnisse oftmals schwierig, wenn es nur aus dem Gedächtnis heraus geschieht. Schließlich, wenn ich es mal mit Didaktik versuchen darf, vertieft es meiner Meinung nach die Arbeit durch den Umstand, dass die Schüler durch Nutzung der Kamera viel stärker in die Rollen des Beobachters und Beobachteten geraten – und dadurch tiefer reflektieren – nunja, ist nur ein Versuch, ganz ohne Bezug zu schlauen Theorien.

Edit: Eine erste Reflexion ergibt, dass ich in Zukunft in der Aufgabenstellung auf jeden Fall ändern muss. Es fehlte der Zusatz: Komme mit ein oder zwei Requisiten aus. Das Problem war nämlich, dass mich die Sekretärin nach der Stunde ansprach und scherzhaft meinte, dass mein Unterricht sie von der Arbeit abgehalten habe. Es kamen nämlich alle möglichen Schüler und brauchten Schürzen o.ä. Andere wiederum hatten sich vom Musiklehrer einen Plattenspieler ausgeliehen – und ich frage mich, ob sie in seinen Unterricht gegangen sind. Da muss ich mal nachfragen. Morgen. Beschwert hat sich noch keiner.