5 Minuten Schulleitung – alea iacta est

Morgen läuft der dritte Stundenplan an, den ich erstellt habe. Dieses Mal lag es ausnahmsweise nicht an eigenen Fehlern, sondern an Problemen im Informationsfluss. So teilen wir z.B. unsere Küche (es gibt an der Realschule das Fach Haushalt/Ernährung) mit einer anderen Schule. Da wir keinen Stundenplan bekommen haben, dachte ich, dass es dieses Jahr ohne Teilung geht. nun, es kam ein Plan, der mit unserem kollidierte. Also habe ich mich noch einmal drangesetzt. Die Änderungen hielten sich in Grenzen, aber es musste eben neu ausgedruckt und verteilt werden.

Besondere Schwierigkeiten dieses Schuljahr: Kurzfristige Absagen von Aushilfen, Lehrer aus der sogenannten Mobilen Reserve, die aber schon für zwei Tage an einer anderen Schule verplant sind oder alternativ nur an zwei Tagen die Woche Zeit haben. Um diese herum muss quasi der Stundenplan angelegt werden. Wir sind dennoch froh, sie zu haben.

Das Positive: Ich glaube nun, dass ich die Software im Griff habe. Ich habe gemerkt, dass es einen Punkt in der Planung gibt, der zeigt, ob grundsätzlich ein Plan entstehen kann. Wenn an dem Punkt ein positives Ergebnis ausgeworfen wird, dann klappt jeder Plan zu jeder Zeit mit jeder Änderung. Das ist insofern auch beruhigend, da ich ab diesem Punkt keine Magenprobleme mehr habe. Ab diesem Punkt verschwindet die Angst, am Ende ohne Stundenplan dazustehen.

Ich muss dazu sagen, dass jeder dieser Pläne aber auch gut 6-8 Stunden gebraucht hat, nonstop am Computer.

Meinen alltäglichen Kram habe ich dennoch gut im Griff, was die Schulleitungssachen angeht. Den ersten Elternbrief habe ich nach jahren mal layouttechnisch aufgehübscht, mit dem neuen Schullogo versehen und versandfertig gemacht. E-Elternbrief-Software ist upgedatet. Schulhomepage ist bereit für neue Informationen. Zwei meiner Projekte laufen etwas schleppend an: Medienscouts und Akquise für ein elektronisch-digitales Schul-Informationssystem. Das dritte Projekt muss ich terminieren: Zusammenarbeit der Schulen vor Ort.

Der Stresslevel ist stellenweise hoch, was ich an meinem Tinnitus merke und an meinem Essverhalten an manchen Tagen. Golfen fiel aus Termin- und Wettergründen seit mehr als zwei Wochen flach. Ich muss auch zugeben, dass ich schon manchmal darüber nachdenke, ob dies der richtige Weg ist bzw. ob dies die richtige Entscheidung war. Bin aber leider jemand, der einen mal gemachten Schritt eher nicht wieder zurückgeht.

Vor einer Woche war ein erstes Ehemaligentreffen der Abschlussjahrgänge an unserer Schule. Habe dort, so war es ja auch geplant, viele ehemalige Schüler getroffen, auch und vor allem eine Gruppe von Schülern aus meiner letzten Klasse als Klassleiter. Diese Klasse hatte ich auf persönlichen Wunsch von der 7. bis zur 10. Klasse, also zum Abschluss. Normal ist hier der Wechsel nach zwei Jahren, aber ich wollte mal ausprobieren, ob es nicht schöner ist, wenn es zwei Jahre mehr sind. Und ja, sie sind mir ans Herz gewachsen und ich habe sie sehr gern wiedergesehen. So gern, dass ich entgegen meiner Natur doch etwas wehmütig wurde. Eine Kollegin feixte mich von weitem an, weil sie mich auf drei Fahrten mit dieser Klasse begleitet hatte und irgendwann meinte, sie hätte noch nie eine Klasse gesehen, die dermaßen auf ihren Klassleiter fixiert gewesen sei. Ich habe das damals als eine Art Kompliment gesehen. Als Schulleitungsmitglied habe ich keine Klassleitung mehr.

In einem nicht mehr einnerbaren Zusammenhang suchte ich neulich Aufnahmen von Herbert Wehner bei youtube und endete im Internet vor dem aktuellen Foto eines Mitschülers aus meiner Hamburger Schulzeit. Der Zusammenhang ist eigentlich schnell hergestellt. Ich war, gelangweilt vom Wahlkampf, auf der Suche nach alten Helden. Herbert Wehner war von 1949 bis 1983 Mitglied des Bundestags. In all diesen Jahren errang er das Direktmandat im Wahlkreis VII, heute Wahlkreis Harburg, Wilhelmsburg, Bergedorf (südliches Hamburg). Der Nachfolger wurde in diesem Wahlkreis Hans-Ulrich Klose, der nun 2013 nicht mehr angetreten ist. Mit dessen Nachfolger bin ich im Alter zwischen 12 und 14 um die Häuser gezogen und es scheint, dass auch er das Direktmandat für den Deutschen Bundestag erringt. Ich wünsche ihm eine glückliche Hand.

Ich weiß, der Absatz hat nichts mit Schulleitung zu tun, aber ich wollte das einfach noch schreiben.

Vorteile des Lehrerlebens, Teil 324

Folgende Szene spielte sich in der Ortschaft meiner Schule ab, in der zentralen Sparkasse. Vorgeschichte: Ich will Geld abheben, als Anzahlung eines Autos, das ich vor drei Wochen bestellt habe und welches nun endlich am Freitag bereitgestellt werden sollte. Es ist kurz vor Ladenschlusszeit der Sparkasse.

Ich: Guten Tag, ich würde gern eine größere Summe von meinem Konto abheben.

Die Dame von der Sparkasse: Sehr gern, bitte Ihren Personalausweis.

Ich: Oh, den hat mein Autohändler, weil er grad meinen Wagen zulässt.

Die Dame: Dann kann ich Ihnen leider nichts auszahlen.

Ich, in Gedanken: Oh Gott. Ich brauche die Kohle. Sonst kommt das Auto erst am Montag. Wäääh.

Ich: Reicht mein Führerschein nicht?

Die Dame: Nein, leider nicht.

Ich: Was machen wir jetzt?

Die Dame: Kennen Sie jemand hier in der Sparkasse, der Sie kennt?

Ich: Öhhhh….(lasse meinen Blick schweifen)

Die Dame am Nachbartresen: Hallo, Herr Kubiwahn.

Ich: Oh, Bianca (Name geändert) – du hier? (Abschluss vor 3-4 Jahren bei mir)

Die Dame vor mir: (nickend) Bitte hier unterschreiben.

Ich zu beiden Damen: Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

Manche meinen Lechts und Rinks kann man nicht velwechsern –

Werch ein Illtum (Ernst Jandl).

Mit dieser Überschrift steige ich oft in eine Sozialkundestunde über „Politische Denkfamilien“ ein. Diesen Begriff habe ich mal irgendwo aufgeschnappt (Ich meine bei der Bundeszentrale in einem Lexikon) und fand ihn für das Thema so passend, dass ich ihn gern verwende, was von Anfang an nicht leicht ist – vor allem, weil Viele bestimmte Vorstellungen von „links“ und „rechts“ haben, ohne dies aber wirklich zu reflektieren.

Erst heute las ich z.B. in der Zeitung ein Interview mit Bruno Jonas, wo er gefragt wurde, ob er denn nun ein linker Kabarettist sei. Auf diese schon nicht sehr überlegte Frage kam dann entsprechend eine ebenso wenig durchdachte Antwort: „Ich äußere mich nicht parteipolitisch.“

Also Lektion Nr. 1: Rechts und links sind keine Begriffe, mit denen man sich zu bestimmten Parteien einordnen kann. Wie z.B. kann es sonst sein, dass Heiner Geißler, CDU, gleichzeitig Mitglied bei attac ist, der Organisation, die (wie Geißler selbst) heftig und andauernd Kapitalismus und Globalisierung kritisiert?

Wer hat’s erfunden?

Der zweite Schritt meiner Stunde besteht darin, dass ich die Begriffe links und rechts links und rechts an die Tafel schreibe, eine horizontale Linie ziehe und den Schülern den Auftrag gebe, dass sie doch sich selbst und ihr politisches Denken einmal mit einem Kreide-Kreuz auf dieser Linie einordnen sollen. NATÜRLICH verlasse ich den Raum, wenn sie das machen.

Wenn ich den Raum wieder betrete findet sich meist ein ähnliches Bild: Viele Kreuze befinden sich in der Mitte der dreiteiligen Tafel, wenige ganz links, rechts aber will keiner so recht sein. Vereinzelt finde ich welche, selten.

Die Deutung lässt sich verschieden aufziehen.

Zum einen tun sich viele, nicht nur Jugendliche, schwer, sich politisch einzuordnen – viele Menschen verweigern sich auch, weil sie angreifbar werden. Dann tituliert man sich gern als jemand, „der sich nicht einordnen lässt oder will“. Dies soll dann von unabhängigem Denken zeugen, was es in der Regel nicht ist. Um aus dem Konflikt herauszukommen, macht man das Kreuz in der Mitte und glaubt, damit muss man keine Stellung beziehen.

Zum anderen frage ich danach auch einfach ins Plenum, was ihrer Meinung nach links und rechts bedeutet. Dann läuft alles in die Richtung, dass die Rechten ja die Nazis seien und die Linken sind (mittlerweile erst) diese Partei aus der DDR. Und rechts will keiner sein und links in diesem Sinne ist nebulös.

Eine dritte These bezüglich des Tafelbildes ist die, dass linkes Denken entwicklungstechnisch früher als auftritt als rechtes. Dies mag in der Natur der Sache liegen („Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz…) beleidigt aber vielleicht linkes Denken als kindisch. Dies aber beleidigt Kinder ebenso wie linkes Denken.

Also erkläre ich:

Übereinstimmend wird auf die Französische Revolution verwiesen, in dessen Verlauf die ersten Nationalversammlungen einberufen wurden. Hier wurden die Abgeordneten (ohne dass es wirklich Parteien gegeben hat) entsprechend ihrer Ausrichtung gesetzt: Links (vom Präsidenten aus gesehen) saßen die Revolutionären, Progressiven (Fortschrittlichen) – Rechts wiederum die Königstreuen, Monarchisten, Konservativen (Bewahrenden).

Gegensätze und/oder Alternativen

Nach dieser Erklärung sollen die verschiedenen Denkfamilien erarbeitet werden. Dies geht wunderbar mit Texten aus dem Politiklexikon der bpb.de:

Konservativismus

– Hauptbegriffe: Tradition, Bewahrung der aktuellen politischen Ordnung, Verteilung von Macht und Eigentum, Nation, starker Staat

Liberalismus

– Hauptbegriffe: Freiheit, Ablehnung/Einschränkung jeder (staatlichen )Einflussnahme,   Selbstregulierung der Wirtschaft über einen freien Markt

Sozialismus

– Hauptbegriffe: Freiheit UND Gleichheit, Abschaffung der Herrschaft über Menschen, Ablehnung des Kapitalismus, Schaffung von Gleichheit durch staatliche Eingriffe

Die Texte werden gekürzt. Im Überblick reichen oft die einleitenden Absätze, ohne genauer auf Unterströmungen einzugehen. Arbeitet man die Hauptbegriffe heraus, findet man Überschneidungen und Unterschiede.

Danach kann man den Denkfamilien aktuelle Parteien zuordnen. Parteiprogramme sichten. Wahlplakate analysieren und zuordnen lassen. Vor allem aber auch erklären, was in diesem Zusammenhang links- und rechtsextrem bedeutet, bzw. am Tafelbild des Einstiegs deutlich machen (ich gehe dann in rechte Ecke des Klassenzimmers, um zu erklären, dass das, was sie unter rechts verstehen, eigentlich rechtsextrem ist – Also: Überbetonung des „Volks“, Ablehnung/Unterordnung persönlicher Freiheit, Rassismus, radikal nationalistisch.

In diesem Zusammenhang habe ich neulich in einer Klasse ein sehr gutes Material der Bundeszentrale benutzt: „Was denken Nazis?

Grenzen

Links und rechts sind sehr grobe Begriffe. Vor allem, weil sie nicht wirklich etwas über politische Inhalte aussagen. Nicht umsonst spricht man ja auch innerhalb von Parteien von linken/rechten Flügeln, Traditionellen, Konservativen und Fortschrittlichen. Daher ist eine eigene Zuordnung schwer. Wenig überraschend werden links/rechts ja auch eher gebraucht, um jemand von außen zuzuordnen. Da ist man dann eine „linke Zecke“ oder „eine rechte Glatze“. Aber dann wiederum gibt es die „Linksfaschisten“ und „Godwin’s Law„.

Wenn man sich jedoch mit den Begriffen der „Denkfamilien“ auseinandergesetzt hat, wird das Ganze meiner Meinung nach schon leichter. Vor allem, weil man dann auch handfeste Grundbegriffe in Diskussionen und Auseinandersetzungen mit anderen hat.

Muss man sich politisch-gedanklich überhaupt verorten?

Generell bin ich der Meinung, dass es notwendig ist. Aber natürlich muss man mehr als das – sich auch mit dem beschäftigen, was man so „meint“. Notwendig vor allem, um sich zu wappnen gegen alle, die Redegewandtheit als Waffe einsetzen.

Für die Politische Bildung existiert der sogenannte Beutelsbacher Konsens, nach drei Grundpinzipien im Politikunterricht beachtet werden müssen: 1. Das Überwältigungsverbot, nach dem kein Schüler mit der Meinung des Lehrers überrollt werden darf, 2. Das Gebot der Kontroversität, nach der politische Themen, die in der Wirklichkeit umstritten sind, auch so im Unterricht dargestellt werden müssen und 3. das Ziel, den Lernenden inhaltlich und methodisch zu befähigen, dass er sich seine eigene Meinung bilden kann.

Klingen alle drei Punkte vernunftmäßig einsichtig, sind sie doch nicht ganz unumstritten. Ich erwähne nur zum ersten Punkt, dass hier schnell geschlossen werden wurde, dass der Lehrer keine Meinung äußern darf, um die Schüler nicht zu beeinflussen. Dies ist im laufenden Unterricht oft schwer, denn die Schüler fragen natürlich nach. Halte ich mich aus einer Meinungsbildung mit meiner Meinung heraus, bin ich ja doch ein schlechtes Vorbild – so als Meinungsloser. Nun ist man aber soweit zu sagen, dass eine solche Äußerung notwendig ist, wenn man sie am Ende eines schulischen Meinungsbildungsprozesses stellt und nicht an den Anfang. Und wenn man diese eigene Meinung auch begründet.

Wer es etwas genauer nachlesen möchte, ist im Netz an der richtigen Stelle.

Ein Linker?

In diesem Zusammenhang taucht in der genannten Stunde von mir auch ein Gedicht von Erich Fried auf. Dies enthält eine Definition von rechts/links, die ich persönlich sehr schön finde und für mich gern beanspruche – auch und vor allem als Lehrer. In dessen ersten Zeile heißt es:

Wer Kindern sagt
Ihr habt rechts zu denken
der ist ein Rechter
Wer Kindern sagt
Ihr habt links zu denken
der ist ein Rechter

Und es endet mit

Wer Kindern sagt
was er selbst denkt
und ihnen auch sagt
dass daran etwas falsch sein könnte
der ist vielleicht
ein Linker

Verunsicherungen (damit wollte ich eigentlich einleiten)

Ich lese mich grad ein in linke Positionen und Theorien: Autonome, Antifa, Kommunismus, Anarchismus. Veröffentlichungen dazu sind bunt. Zum Anarchismus gab es ein Comic (im Sozialkundeunterricht wird man oft mit Fragen / Anmerkungen bezüglich des Anarchismus konfrontiert), zur Antifa einen Theorieband, die Autonomen werden in einem Abriss behandelt und der Kommunismus findet seinen Ausdruck in einem Kinderbuch.

Diese Liste habe ich auch zusammengestellt, weil mich seit einiger Zeit irritiert, dass der Begriff „Kapitalismus“ in der öffentlichen Diskussion immer öfter auftaucht – ohne an sich in die Kritik zu geraten. Vor 20 Jahren existierte dieser aber noch als „Kampfbegriff“ und jeder, der ihn benutzte, bekam zu hören, dass er noch „nach Moskau gehen“ solle.

Mittlerweile aber darf man den Kapitalismus kritisieren, ohne Kommunist zu sein (zu müssen). Das überrascht mich.