Landkind

38 Jahre habe ich in der Stadt bzw. in Städten gewohnt. Bis 30 hatte ich keinen Führerschein, weil ich ihn nicht brauchte. Und nun – lebe ich in einem Dorf mit zwei Bäckern und einem 4 Kilometer entfernten Supermarkt. Und der Nachbar verbrennt regelmäßig Dinge im Kamin, die einen so schwarzen Rauch erzeugen, dass alle anderen ihre Fenster schließen müssen. Außerdem fällt der Rauch so seltsam schwer links und rechts aus seinem Schornstein raus.

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5 Minuten Schulleitung aus dem Off (Alternativtitel: „42“)

Die erste Schulwoche vorbei. Montag Konferenz und anschließender pädagogischer Tag – Thema: Burnout – Ursachen, Symptome, Gegenmaßnahmen. Dienstag Klassleiterstunden. Von Mittwoch bis Freitag Unterricht nach Spezialplan – den ich aushecken musste, freihändig, ohne Computer. Freitag Schulgottesdienste. Ab Montag dann Unterricht nach Plan.

Für die Schulleitung war dies natürlich die zweite Arbeitswoche, da wir drei sowohl die erste als auch die letzte Ferienwoche vor Ort sein müssen. In der letzten Woche besteht meine Hauptaufgabe übrigens in der Planung und Durchführung der Prüfungen (Aufnahme-, Nachprüfung und Wiederholungstermin für den Probeunterricht).

Daneben wird der Unterricht verteilt und jeden Tag darauf gewartet, dass man alle Zuweisungen der Planstellen/Lehrer bekommt. Unsere Schule ist mit ca. 50 Lehrern bestückt, davon werden aber in jedem Jahr etwa 1/4 ausgetauscht, durch Versetzungen, Referendarabgang, Neuzuweisung oder Aushilfskräfte. Vor drei Jahren noch hatten wir ein Jahr, in dem 1/3 aller Kollegen ausgetauscht wurde.

Daraus ergibt sich der Umstand, dass der Stundenplan, an dessen Erstellung ich nicht beteiligt bin, erst sehr spät angegangen werden kann, denn es zeigt sich weiterhin, dass man zwar irgendwann alle Zuweisungen hat, die genaue Stundenzahl der Stellen aber noch mal ein paar Tage später kommen.

Nicht zu vergessen, dass unsere Schule zwar jung ist (2003/04 gebaut), aber schon von vornherein an den entscheidenden Stellen zu klein geplant wurde. Dies bedeutet, dass wir 16 Klassenzimmer, aber mittlerweile 25 Klassen haben. Man wartet auf den Schülerrückgang – seit mehreren Jahren schon. Dies engt den Stundenplan weiter ein.

Eine Entlastung hat gebracht, dass gerade eine zweite Sporthalle gebaut wird, so dass der Sportunterricht nicht mehr bis 17 Uhr gehen muss.

Mittlerweile steht der Stundenplan aber und muss sich ab Montag dem Alltagstest unterziehen.

Daher war meine weitere Aufgabe diese Woche, einen Plan für die stundenplanlose Zeit zu stricken. Dies war aufgrund verschiedener Rücksichtnahmen etwas schwierig. Und obwohl ich das im dritten Jahr als Konrektor mache, fällt es mir offensichtlich noch schwer, „Arbeit zu verteilen“. Ich merkte aber gleichzeitig, dass beim Großteil der Kollegen die Schwierigkeiten erkannt wurden und ich (persönlich) wenig bis kein Gemecker hörte. Dass diese Anfangszeit ohnehin immer holprig ist für alle Beteiligten, weiß ich selbst seit dem ersten Jahr.

Und auch wenn mir Listen charakterlich schon sehr abhold sind, bastelte ich noch einen Aufsichtenplan – der bei uns so gestaltet wird, dass ich eine leere Liste aushänge und die Kollegen sich selbst eintragen. Lücken, die entstehen, fülle ich dann aus. Dieses Jahr war der Plan gefüllt, als ich ihn abhing. Die Arbeit war schnell gemacht. Nächste Woche muss ich dann noch die Sprechstunden eintreiben. Dann die Homepage mit diesen Inhalten füllen.

Schwierig diese Woche: Ruhig zu bleiben, wenn irgendwas nicht  läuft, was ich mir vorher einfach dachte.

Schön diese Woche: sehen, dass die Kollegen mitdenken und -fühlen. Und das Freunde Freunde bleiben, auch wenn ich ein eigenes Büro und einen Titel habe.

Achja, die ersten Stunden Unterricht hatte ich auch. Fühlte sich aber eher fremd an. Wird sich ändern.

PS: 5 Minuten aus dem OFF hat jetzt 15 Minuten gedauert. Eigentlich wollte ich es auch gestern schreiben, in den letzten zehn Minuten meines Dienstes, bevor mich meine Frau abholte. Zu dieser Zeit fragte mein Chef nach den Briefen, in denen den Eltern die Prüfungsergebnisse mitgeteilt werden…Und ich bemerkte, dass ich 12 Elternbriefe in zehn Minuten schreiben kann.

Nun hoffe ich, wenn ich am Montag in die Schule komme, dass diese Briefe auch alle gestimmt haben.

Man wird halt älter. Ich übrigens heute 42. Und meine Frau sagt gerade: Ein Vorteil der Arbeit ist, dass sich das Wochenende wieder wie Wochenende anfühlt.

5 Minuten Schule aus dem Off.

Timo-off schrieb mal, dass er sich Schulleiter-Blogs wünschte. Ich fand das damals schwierig, vor allem auch, weil ein Schulleiter ja nun auch eher dezent sein muss mit dem, was er so aus der Schule erzählt.

Gerade letzteres habe ich in den letzten Jahren, seitdem ich selbst in der Schulleitung sitze, als besonders schwierig erachtet. Vor allem, wenn Entscheidungen, die in der Schule fallen, nach außen getragen werden, um sich dort dann zu Gerüchten zu verdünnen. Die große Schwierigkeit dabei ist, dass der Schule selbst weitgehend die Hände gebunden sind, denn sie kann natürlich über innere Vorgänge nicht öffentlich sprechen. Dies betrifft Konflikte zwischen Schülern und Lehrern ebenso wie disziplinarische Maßnahmen.

Nicht zuletzt auch einer der Gründe für temporär „erfolgreiche Veröffentlichungen“ vom Schlage des grad irgendwo gesehenen „10 Gründe, warum ich die Schule hasse“ – oder so.

Achja, seit einer Woche läuft die Schule schon bei mir. Die Schulleitung darf ja schon in der letzten Woche der Ferien die Arbeit aufnehmen, um das neue Schuljahr zu planen.

Niemand soll mir bei diesen Zeilen Jammerei unterstellen. Diese Arbeit ist sehr angenehm, wenn noch keine Lehrer oder Schüler im Schulhaus sind. Außerdem kann ich so das Büro vor-lüften, was sehr wichtig ist.

Zuhause noch mal Papier entsorgt. Dabei das Buch gefunden, welches ich mir zu Beginn der Ferien kaufte, mit dem Vorsatz es zu lesen: „Politik. Ein Studienbuch zu politischen Bildung“. Hm, ich habe dann mal heute angefangen – wirkt interessant.

In diesem Sinne: Mögen die Spiele beginnen.

 

Ich war wohl arbeiten – oder so.

„Die Bilder der brennenden und einstürzenden Zwillingstürme haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.“

Ich kann es nicht mehr hören.

Besonders medienkritisch muss man ja nun nicht sein, um zu vermuten, wer hier wem was eingebrannt hat.

Nachdem ich meinen inneren Geifer vom Mund gewischt habe, finde ich aber noch einen Leitartikel , der mir nicht ans Gemüt, sondern ans Hirn will.

Rückblick auf das Schuljahr I – Zeugnis für den Lehrer

Das „Zeugnis für den Lehrer“ gebe ich als Leerformular nicht jedes Jahr aus. Dieses Jahr aber hat es mich interessiert, weil es ein gefühlt schlechtes Jahr war. Ich war an sehr vielen Punkten zu ausgelaugt, um ordentlich zu arbeiten, zu viele offene Baustellen gehabt. Habe unverhältnismäßig viele Fehler gemacht. War, das passt wohl auch in die Reihe, zum ersten Mal seit einigen Jahren wirklich krank gewesen (Kehlkopfentzündung und Stimmbandprobleme durch eine verschleppte Erkältung) – „wirklich krank“ heißt in diesem Zusammenhang, dass ich mich habe krankschreiben lassen. Das war die erste Krankschreibung in meiner bisherigen Dienstzeit von 14 Jahren. Früher habe ich betont, dass ich nie krank bin(was natürlich nicht den Tatsachen entsprach) – mittlerweile bin ich zu alt für solche Prahlerei.

In Umkehrung habe ich aber auch in diesem Jahr meine Schlüsse gezogen und an einigen Stellen die Bremse gezogen. So habe ich die Mitarbeit an einem Geschichtsbuch für die bayerische Realschule vor dem letzten Band 10 aufgegeben. Außerdem meine junge „Karriere“ an der Uni eingestellt, wenn man es so sagen möchte. Schließlich aber auch schulintern einige Dinge „neu geordnet“.

Dennoch blieb ein großes Durcheinander.

In diesem Jahr jedenfalls wollte ich mal wissen mit Hilfe eines Feedback-Bogens, ob meine eigene Unzufriedenheit von den Schülern mitreflektiert wurde oder wird.

Mein Zeugnis für den Lehrer, welches ich in zwei Deutschklassen verteilte, sieht so aus.

Ich präsentiere die Ergebnisse der Klasse, die mich in diesem Jahr zum ersten Mal hatte.

Was ich sehr toll an ihnen finde, ist, dass

  • wir oft raus durften (ich gebe ihnen Arbeitsaufträge und stelle ihnen frei zu arbeiten, wo sie wollen)
  • wir viel frei erarbeiten durften
  • das Internet eine Rolle spielte
  • sie immer für einen Spaß zu haben sind
  • sie ehrlich und direkt sind
  • sie uns nicht nicht nur den vorgegebenen Stoff beibringen, sondern mehr darüber hinaus
  • wir so viel Gruppenarbeit machen durften
  • sie auch auf Freaks eingehen und sie nicht anders behandeln
  • sie Unterricht auch spontan gestalten
  • man sie im Internet auch was fragen kann
  • wir unsere Meinung sagen dürfen
  • man bei ihnen über Sachen lacht, für die man bei anderen Lehrern bestraft wird
  • sie uns sagen, wenn wir gut sind

Auf manche dieser Äußerungen bin ich mächtig stolz und möchte sie quasi 1:1 meinen Referendaren und Praktikanten ins Poesiealbum schreiben. Und ich freue mich, weil ich einfach merke, dass einige meiner Absichten durchkommen. Auf keinen Fall muss ich hier was kommentieren.

Entsprechend dann das andere Gesicht meines Unterrichts und meiner Lehrerpersönlichkeit.

Was ich an ihnen gar nicht mag, ist, dass

  • wir manchmal etwas wenig für die Schulaufgaben gemacht haben
  • sie manchmal echt zu direkt sind
  • sie manchmal lustig sein wollen, was nicht immer so ist
  • sie manchmal Sachen zu kompliziert erklären
  • sie manchmal gar keinen Unterricht vorbereitet haben
  • sie manchmal schlechte Laune haben und an uns auslassen
  • der Unterricht bei ihnen manchmal keinen Zusammenhang hat
  • sie Schüler manchmal nicht ernst nehmen

Da habe ich schon geschluckt. Mehrmals. Denn das ist natürlich nicht das, was man als Lehrer hören will. Und leider muss ich bei allen Punkten nicken. Sicher kann ich manche Sachen miteinander erklären, so z.B. dass ich einen speziellen Humor habe und einige damit nichts anfangen können. Dass jeder Lehrer ja mal schlechte Laune hat. Usw. Usf.

Dennoch treffen mich einige Punkte. Und so lang ich sie auch durchlese, so finde ich keine Rechtfertigung dafür. Und es wäre mir zu leicht, wenn ich sagen würde, dass ich das nun einfach nächstes Jahr alles besser machen werde.

Muss erstmal auf die Reihe bekommen, ihnen zu signalisieren, dass sie mit diesen Anmerkungen durchaus auch ins Schwarze getroffen haben. Und dann schauen, was geht.

Aber ich will erstmal Ferien.

PS: Lese diesen Artikel hier grad Korrektur und sichte den Reader. Fällt mein Blick auf einen Artikel von Martin Kurz, der sich grad schon auf das neue Schuljahr vorbereitet. Ich selbst muss die nächste Woche auch noch arbeiten, obwohl schon Ferien sind, denn die Schulleitung plant natürlich schon das nächste Jahr. Aber ich stimme Martin zu: Schule ohne Schüler hat auch was für sich ;).