5 Minuten Schulleitung: T -6

Mir ist im Übrigen erst gestern, im Verlauf meiner eigenen verquasten Ansprache in der Konferenz, aufgefallen, was derzeit noch ganz schön anstrengend ist bei meinem Schulwechsel. Das ist der Versuch, Wissen in der Schule zu lassen.

Ich kann ja ohne Übertreibung sagen, dass mit mir auch ein Haufen Wissen die Schule verlässt. Dieses reicht von den mit den Raspberry Pi betriebenen Infoboards bis hin zum Kontakt mit dem Tischler/Schreiner, der die Computerboxen für die Klassenzimmer getischlert hat – und noch einiges dazwischen. Daneben die annähernd 8.000 Fotos, die ich in den letzten Jahren als „Schulfotograf“ geschossen habe. Die Schulhomepage. Einige Formulare. Ablage- und Verteilorte für Stundenpläne. Mehrarbeitsabrechnungen. Statistik.

Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr fällt mir ein. Und nicht nur habe ein wenig die Befürchtung, etwas zu vergessen. Amtliche Passwörter und Zugänge werden natürlich unmittelbar nach meinem Abgang geändert, in anderen Systemen bleibe ich erstmal im Übergang erhalten, um eventuell Probleme bearbeiten zu können.

Und doch wundere ich mich, dass es für Schulen keine System gibt, die dieses Wissen speichern können. Schulen werden nicht die einzigen Bereiche sein, in denen das ein ungelöstes Problem ist, aber gerade sie als Wissensvermittler (und Bildner, ich weiß) müssten doch so etwas beherrschen. Eigentlich.

Jedenfalls könnte das ein neues Projekt für mich werden oder mindestens mal ein neues Recherchefeld: Schulisches Wissensmanagement.

Also:

  • Wie kann ich das Wissen der Kollegen und des Personals (oder der Schule als System im Ganzen)  sichtbar und zugreifbar machen?
  • Wie lässt sich daraus neues Wissen entstehen und vor allem fehlendes Wissen identifizieren (und dann diese Lücken schließen)?
  • Wie lässt sich dieses Wissen teilen und anwenden?

PS: Eine kurze Internet-Recherche bietet doch eine Menge von ersten Ansätzen zur Information.

5 Minuten Schulleitung: T -7

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Eine Woche bis zum Dienstantritt. Bin schon jeden möglichen Tag an meiner neuen Schule, um mich zu orientieren, ein paar neue Kollegen kennzulernen, ein wenig umzuschauen halt. Mein Büro einzurichten, notwendiges Arbeitsmaterial zusammenzustellen.
Heute dann sozusagen der erste offizielle Teil: Allgemeine Konferenz, Vorstellung. Ich hatte mir vorher Gedanken gemacht, wie so eine „Einführungsrede“ aussehen kann, aber so ganz schlau wurde ich nicht aus mir und meinen Absichten. Will ich mich neu erfinden? Endlich das sein, was ich als „ordentlichen Konrektor“ bezeichnen würde? Einfach ich sein, wer auch immer das sein könnte? Jedenfalls hatte ich alle Überlegungen 5 Minuten vor Beginn verworfen und dann aus dem Bauch raus geredet. Schon nach dem dritten Satz hatte ich wie üblich das Gefühl, ein völliges Chaos von Sätzen abzulassen, obwohl ich mir vorher so schöne Stichworte gemacht hatte. Ein paar Lacher, dazwischen ein bisschen Ernstes. Das wars dann auch schon. Mit Worten kann ich eh nichts beweisen. Das weiß ich.
Seltsamerweise, und das passt so gut wie gar nicht hier rein, habe ich das erste Stichwort aufgeschrieben und mir ging der Gedanke durch den Kopf, dass ich wirklich irgendwann in ferner Zukunft noch ein paar Jahre mit meiner Frau dort verbringen will, wo man irgendeine Art norddeutschen Dialekt spricht.
Schüler werde ich wohl dann erst nächsten Montag kennenlernen. Ich bin gespannt. Nette Kollegen habe ich ja schon mal.

3 Monate Schulleitung: Umbrüche, Abschiede

September

Ich bin eine Hausbesetzung.

Das ist ein Satz, der mir gefällt. Er beschreibt den Umstand, dass ich als Mitglied des Kollegiums in die Schulleitung gewechselt bin.

In den zurückliegenden Jahren war das sehr angenehm, weil man viel von den sozialen Anpassungsvorgängen überspringen konnte. So gesehen, ist das Leben für mich an meiner Schule sehr bequem.

Mittlerweile habe ich aber gemerkt, dass mich die Hausbesetzung eher hindert. Hindert daran zum Beispiel, bestimmte Dinge anzusprechen und neue Dinge anzuregen, Gespräche ordentlich zu führen – und ja, letztlich auch meinen Platz in meiner Rolle zu finden. Ich weiß, es gibt Konrektoren, die das schaffen – für mich gilt das nicht. In den zurückliegenden Ferien habe ich das irgendwie herausgefunden, beim Wandern glaube ich ist mir das klar geworden. Irgendwo an einem Ort, wo ich das Gefühl hatte, dass sich mein Verstand mal wieder ungehindert ausbreiten konnte. Und seitdem ich diesen Gedanken mal hatte, hat er mich nicht mehr losgelassen.

Vor zehn Tagen habe ich diesen Gedanken konkreter werden lassen, nach einem langen Gespräch mit meiner Frau, das sich nicht nur um den Beruf drehte, sondern allgemein auch um den Umstand, seit 18 Jahren im Beruf zu stehen und noch 22 Jahre vor sich zu haben – und sich nicht richtig vorstellen zu können, ob das Aktuelle noch für die ganzen folgenden Jahre reicht.

Manche nennen das Midlife Crisis – ist es wahrscheinlich auch.

Aber ich habe mal die Konsequenz draus gezogen und mir einen Porsche gekauft.

Nicht.

Auch kein Motorrad.

Ich habe mich neu beworben, an zwei andere Schulen.

Bewerbungen

In Bayern werden Funktionsstellen vom KM ausgeschrieben. Auf diese bewirbt man sich dann. Das geht einfach in einem formellen Schreiben und angehängtem Lebenslauf. Die Beurteilung liegt ja sowieso vor.

Ausschreibung von Funktionsstellen: KMS Nr. IV.3 – BP 6001.1 – 5a.122 560

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit bewerbe ich mich um die Stelle des ständigen Vertreters des Schulleiters an der Staatlichen Realschule …

Hochachtungsvoll

Danach wartet man und wird irgendwann zu einem Bewerbergespräch eingeladen, welches auf jeden Fall mit dem neuen Schulleiter zusammen stattfindet. Dort beschnuppert man sich gegenseitig und schaut, ob es passt.

Abschließend werden Bewerbungen, Notizen und Überlegungen an das KM geschickt und dort entscheidet dann jemand, mehrere, wer auch immer.

Alles recht unspektakulär.

Meine Schulen

Ich habe mich auf zwei extremst gegensätzliche Schulen beworben. Auf der einen Seite Landschule, gut ausgestattet, eingesessenes Kollegium. Auf der anderen Seite Stadtschule, mitten drin, in einem Übergangsgebäude, anstehender Neubau, junges Kollegium.

Beide Schulen interessant. Beide Schulen mit sympathischen Schulleitern. Beide jünger als ich – zugegeben, es geht um Wochen jünger. Beide Schulen reizen mich.

Ich habe mich nicht auf Aufstiegsposten beworben, sondern auf Posten auf meiner Ebene. Ich weiß, dass ich für den Chefposten noch nicht reif bin. Ich muss sicher lernen. Viel mehr lernen.

Auf den Ausschreibungen habe ich allerdings einen Rektorposten gesehen, der mich zögern ließ. 5 Minuten lang sicherlich. Ich denke mir grad, ich hätte es versuchen sollen. Nein. Doch. Egal. Nein. Es war der Rekorposten der ersten Schule, auf der ich nach dem Referendariat 1999 war. Erste Stelle als Junglehrer. Aber mein Hang zu seltsamen Scherzen hat Grenzen.

Oktober

Vorbereitung

In dem Moment, in dem ich den letzten Abschnitt geschrieben habe und eben diesen jetzt, sind die Bewerbergespräche gelaufen. Beide liefen gut, nach meinem Empfinden. Ich denke, ich habe bei beiden Schulen Chancen. Soweit kann ich das einschätzen. Aber es wird eben doch woanders entschieden. In München.

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(Hier wird’s entschieden: Staatskanzlei, München; Naja, etwas entfernt davon, glaube ich, beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus, in Spuckweite der Feldherrnhalle)

Doch egal, was dabei heraus kommt, ich muss mich wohl vorbereiten. Logischerweise muss ich meinen Ausstieg aus der alten Schule planen, was ich/wir (in der Schulleitung) schon tun. Arbeitsweisen, Datenablage und Vorgänge müssen er- und geklärt werden. Passworte gesichert. Ich habe schon schlechte und sehr schlechte Übergänge von einem zum anderen Schulleitungsmitglied erlebt. Ich will es gut machen.

Derzeit bin ich bange ob des Termins, an dem ich dem Kollegium offenbaren muss, dass ich gehe. Ich kann die Reaktionen nicht abschätzen. Und eigentlich möchte ich so wenig Aufsehen wie möglich. Ob es noch in diesem Jahr sein wird, weiß ich nicht. Weiß auch nicht, ob es ein schönes Weihnachtsgeschenk werden wird. Ebenso wenig freue ich mich darauf, mich von meinen Klassen zu verabschieden. Besonders die Kleinen sind mir doch ans Herz gewachsen, schon wieder, schon nach wenigen Wochen.

Und dann die Vorbereitung auf die neue Schule. Da der Wechsel im Halbjahr stattfinden wird, wird es keine Ferien geben. Wenn es ganz dumm läuft, dann heißt das, am Freitag aus der einen Schule rausgehen und am Montag in die neue rein. Das wird im besten Falle sehr interessant werden.

November

Nachrichten

Durch ein offensichtliches Missverständnis habe ich letzte Woche erfahren, in welche Schule ich versetzt werden soll. Ich wusste aber zum Glück, dass einer solchen Information immer die „Schweigephase“ folgt. In dieser muss abgewartet werden, ob Einspruch gegen die Entscheidung erhoben wird. Also schwieg ich.

Zwei Tage nach diesem Missverständnis bekam ich dann quasi inoffiziell-offiziell dieselbe Nachricht noch einmal. Mit dieser Information werden dann die Absagen per Post verschickt. Ich müsste also eine Absage bekommen, vom KM über die Stelle an der anderen Schule. Ich darf aber erst in 14 Tagen etwas sagen.

Das Kollegium weiß noch nichts. Ich muss dennoch einige Kollegen langsam vorbereiten, weil ich merke, dass ich, trotz des Wissens um meinen baldigen Abgang, dennoch Pläne mit Kollegen schmiede oder sie mit mir, so als wenn ich nicht im Februar gehen würde. Das sollte ich bremsen – ich habe keine Lust als derjenige in die Geschichte einzugehen, der Arbeit plant und sich dann vom Acker macht. Auch wenn ich scheinbar weiterhin gute Ideengg habe.

Ich habe 1997 mein erstes Staatsexamen abgelegt und bin danach im September ins Referendariat gegangen. 1999 habe ich dann die erste Stelle angetreten. 2000 habe ich mich auf eigenen Wunsch versetzen lassen. 2003 habe ich mich auf eigenen Wunsch versetzen lassen. 2005 habe ich mich auf eigenen Wunsch versetzen lassen. 10 Jahre bin ich jetzt also hier – und lasse mich auf eigenen Wunsch versetzen.

Dezember

Ich bin aufgeregt, das lässt sich nicht leugnen. Vor allem diese Schweigephase ist nicht so mein Ding. Ich laufe durch eine Schule und spreche mit Kollegen als wenn alles so weiter ginge. 14 Tage noch.

Den Brief aus dem KM bekommen: Absage für die eine Stelle, auf die ich mich beworben habe. Den hatte ich erwartet. Ein zweiter kommt nicht, ich weiß es ja.

Irgendwann ruft das KM an und ich muss das Telefon abnehmen. Ein netter Herr und ich muss mich mit ihm kurz über die Personalfragen des weiten Halbjahres unterhalten – quasi mit ihm über die Besetzung meiner wegfallenden Stunden. Ich weiß, dass mein Chef nicht amused ist ob dieser Arbeit. Während des Jahres Aushilfen zu bekommen, ist sehr schwierig, trotz der niedrigen Einstellungszahlen. Viele haben schon etwas oder schulen um, andere wollen nicht so weit fahren (auch das gibt es) oder nicht für nur wenige Stunden. So reibungslos wie ich dachte, wird mein Abgang dann wohl doch nicht.

14 Tage später: Die Bombe im Kollegium bezüglich meines Weggangs habe ich nun mittlerweile nicht selbst gezündet, sondern – nach Absprache – mein Chef. Ich bin leider krankgeschrieben und es war notwendig, dass im Kollegium Klarheit herrscht, auch weil die Umschichtung des Unterrichts ansteht.

Ich treffe in den nächsten Tagen meinen neuen Chef dann, um die ersten Absprachen  bezüglich meiner Amtseinführung und der kommenden Arbeit zu klären.

Es wird spannend.

Aber das wollte ich ja.

Januar

Ich habe die schriftliche Bestätigung bekommen. Es wurde übrigens die Stadtschule.

Seit heute wissen es die Schüler.

Und ihr jetzt auch.

5 Minuten Schulleitung: Schulbeginn, nichts sagend

Der Anfang wie üblich mit Stundenplanmacherei verbracht. Das neue Programm hat viele Stärken, die Feinheiten muss man lernen, lernt man. Nicht ganz ohne Reibungsverluste.

Schule beginnt seitdem ich Konrektor bin immer wieder mit was Neuem. Immer anstrengend. Was mich, gerade in diesen Tagen so ganz nebenbei, stört, ist immer wieder die Haltung von Personen, die meinen, dass man an der Schule nicht viel anderes zu tun hat, sich gerade um sie/ihr Problem zu kümmern. Es scheint sich noch nicht überall rumgesprochen zu haben, dass man, sobald man die Schule betritt, arbeitet, dass man als Schulleitungsmitglied darüber hinaus mindestens zwei Jobs erfüllt. Und wenn ich um halb acht mit jemandem spreche über ein Problem, dann habe ich es 30 Minuten später nicht gelöst, sondern einfach einige andere Dinge gemacht und dann nützt es nicht, vor meiner Bürotür zu stehen, die halb offen ist, und mir bei der Arbeit zuzuschauen. Vielleicht nicht unbedingt ein schulleitungsspezifisches Problem.

Das ist der Nebeneffekt. Das Hauptnervding kann ich hier nicht mal ansatzweise anreißen.

Ein weiterer, vielleicht positiver Nebeneffekt jedenfalls dieser Tage war, dass ich nun 5 km Laufen schaffe. An einem der zurückliegenden Tage kam ich nachmittags heim und war dermaßen innerlich auf Touren, dass ich Walken ging, aber schon nach einem Kilometer die Stöcke in die Hände nahm und lief, um hier Entspannung zu bringen. Das ging gut. Tat hinterher aber weh. Heute dagegen ging ich auf die Golfrange, um einige Dutzend Bälle zu schlagen. Hier geht es mir weniger um Ernergieabbau, sondern um das Gefühl nach 50 oder 60 geschlagenen Bällen in einen Rhythmus zu kommen, der meinen Kopf beruhigt.

Ich habe durchgängig neue Klassen in diesem Jahr. Eine 7. Klasse in Deutsch, was ich schon lang nicht mehr hatte, eine 9. auch. Beide Klassen auch in Geschichte, was ich seit einigen Jahren nicht mehr unterrichtet habe. Dann eben noch Sozialkunde. Alles läuft hier im Klassenzimmer beruhigend entspannt an. Ich habe viele Ideen, muss nur noch an einem ruhigen Tag mal aufschreiben und sortieren.

Ernüchternd: Ich habe mich im letzten Jahr mit eingesetzt, dass wir die Hälfte unser Klassenzimmer mit Computern ausstatten konnten – und in keinem meiner Zimmer gibt es dieses Equipment.

Außerdem leider wieder gegen eigene Vorsätze verstoßen. Wieder Nebenjobs. Liege in den letzten Zügen einer ganz kleinen freien Mitarbeit an einer Online-Plattform eines Schulbuchverlags. Und im Oktober werde ich noch als Referent auf einem Fachtag zum Thema „Die Arbeit mit dem Grundgesetz: Ideen zu den Themen Grundrechte und Institutionen“ was machen.

Ich freue mich dennoch auf morgen, wenn die erste Woche rum ist und dann hoffentlich etwas Ruhe einkehrt. Ich bin heute 46 geworden.