Gelesen: Schuljahr – Der ganz normale Wahnsinn. Erlebnisse eines Schulleiters.

Ulrich Knoll: Schuljahr.

Normal lese ich solche Bücher nicht oder nur ungern. Im Kern nicht mehr als eine Anekdotensammlung, literarisch/erzählerisch wenig anspruchsvoll und, naja, über meinen Beruf brauche ich keine Satire zu lesen – das habe ich täglich, und das ist nicht übertrieben und ohne Lachen gesagt.

Ich habe es dennoch gelesen, als E-Book, weil es natürlich pikant war aus verschiedenen Gründen:

  • der Autor war Schulleiter einer Realschule, die hier in der Nähe liegt
  • einige Kollegen, die beschrieben werden (und nur sehr unzureichend namentlich unkenntlich gemacht), kenne ich persönlich

Knoll unterteilt sein Buch nach den verschiedenen Phasen des Schuljahres, z.B. die Anfangswochen, bis Weihnachten, bis zum Zwischenzeugnis usw. Dabei tauchen verschiedene Lehrerrollentypen auf, die sicherlich so an jeder Schule existieren.

  • diejenigen, die noch vor Beginn der Unterrichtszeit auftauchen und bei den Stundenplanmachern herumlungern, um den Machern einige Vorteile im Plan herauszuholen und vor allem ihnen die Zeit zu stehlen
  • diejenigen, die immer jammern und der Meinung sind, dass auf ihren schultern alles ruht und sie alles zu stemmen haben, obwohl sie doch so angeschlagen sind
  • die eifrigen, die faulen, die unfähigen Lehrer

Kenn ich alles. Spannend ist es also nicht wirklich. Ich hatte gedacht/gehofft/gefürchtet, dass das Buch böse würde, aber das war es nicht. Dennoch grundsätzlich kathartisch. Ich habe heute in einer zehnten Klasse die Frage durchdenken lassen, warum wir (Menschen) überhaupt Geschichten erzählen und, noch viel wichtiger, Geschichten lesen, die andere erzählen. Und natürlich war einer der Punkte, dass es entlastet, und zwar das Schreiben und das Lesen. Entsprechend sehe ich die Lektüre. Neben dem schon beschriebenen Voyeurismus.

Ich vermute allerdings, dass viele Geschichten des Buches über die bayerischen Grenzen hinaus nicht nachvollziehbar sind, weil einige der krassesten Anekdoten eben gebunden sind an die Hauptpersonen und an ihren Charakter, abhängig von der hiesigen Schulhierarchie. Da mag man in Niedersachsen nicht ganz den Witz erkennen.

Apropos Witz. Ein (mittlerweile pensionierter) Amtsinhaber einer mir vorgesetzten, mittleren Schulbehörde der Realschule hat schon mal Einzug gehalten in die Literaturgeschichte, angeblich, und zwar als Dietmar Lodenbacher in den Allgäuer Kluftinger-Krimis (Einer der Autoren war selbst Realschullehrer in Bayern). Sein realer Nachfolger taucht in diesem Buch hier auf.

Angesichts einiger, dieser Umstände im Buch, so dachte ich bei mir, muss ich wohl bis zu meiner Pensionierung warten, bis ich nicht mehr wegen meiner unbedeutenden, begrenzten Meinungsäußerungen hier im Blog vor Vorgesetzte zitiert werde, weil oberschlaue Hochgebildete kein Problem darin sehen, über den Dienstweg unpassende Meinungen beiseite zu schaffen, die ihrem Selbstbild nicht entsprechen. Dann also offensichtlich ist alles möglich.

Jenseits von allem also immer Hoffnung.

5 Minuten Schulleitung – Metaphern

Position im Schuljahr:

  • mitten in der Abschlussprüfungzeit (zwischen dritter und vierter Konferenz, von vier Konferenzen)
  • kurz vor Notenschluss der restlichen Jahrgangsstufen
  • Endphase der Vorbereitung der 10-Jahres-Feier
  • und noch drei Wochen bis zu den Ferien

Letztes Jahr durfte ich ja zum ersten Mal die Abschlussprüfungskonferenzen allein vornehmen, jedenfalls die ersten drei. Dieses Jahr habe ich darum gebeten, es noch einmal zu übernehmen, um weiter zu lernen und routinierter zu werden.

Unterm Strich: Ich mache nicht weniger Fehler, sondern andere. Und ja, ich weiß, jeder macht Fehler. Aber mir fallen meine Fehler ein, wenn ich abends im Bett liege oder morgens, kurz vor dem Aufwachen. Und dann will mir schier der Kopf platzen.

Es ist krass – manchmal weiß ich den ganzen Vormittag den Vertretungsplan auswendig, den ich morgens gemacht habe. Und wenn ein mir unbekannter Schüler einer Klasse, die ich nicht unterrichte, fragt, in welchem Raum er jetzt Vertretung hat und ich es ihm ohne zu Zögern sage, dann ist das der helle Wahnsinn.

Wenn ich andrerseits am Tag vor der Konferenz ein Formular neu entwerfe und optimiere, es dann kopiere für die Konferenz und dann in der Konferenz bei der Begrüßung bemerke, dass ich das Formular mit einem anderen verwechselt habe, unterbreche, losgehe und das andere Formular in seiner alten Fassung ausdrucke, neu kopiere, austeile – und mir dann abends im Bett einfällt, dass ich wahrscheinlich vergessen habe, das korrekte Datum aufzudrucken – ja dann…

Ich versuche einiges. Die Tür von meinem Büro zu schließen, klappt gut. Dann bin ich wirklich allein und kann konzentriert arbeiten. Das Problem ist, dass eine Wand meines Büros das Archiv aller Leistungskontrollen ist, d.h. da müssen immer mal wieder Kollegen ran. Die kommen zwar still rein, und bewegen sich ohne zu reden – aber sie sind halt da.

Einer Kollegin/Freundin habe ich erklärt, dass ich mich grad so fühle, als wenn ich an einem leeren Tisch säße und jemand würde einen Sack Murmeln auf diesem ausleeren. Mein Auftrag wäre es, mit meinen Armen und Händen alle Kugeln am Herunterfallen zu hindern.

Was wiederum dazu führt, dass ich fast ununterbrochen mit einem schlechten Gewissen herumlaufe oder der Angst, irgendwas vergessen zu haben. Letzteres ist nahezu immer wahr.

Die wirklich einzig entlastenden Stunden, in denen mein Kopf nahezu frei von diesen Gedanken ist, finden auf dem Golfplatz statt. Und ich müsste morgen meiner Frau danken, dass sie mir vor fast zehn Jahren einen Gutschein für einen Schnupperkurs geschenkt hat. (Aber Schatz, du wirst dieses Posting ohnehin morgen schon gelesen haben über den Twitterlink – Danke.) Mein Golfspiel ist, überraschend genug, derzeit exorbitant gut.

Ich habe schon immer Referendaren und Junglehrern empfohlen, sich Hobbys zu suchen, bzw. ihre Hobbys in der Ausbildung und am Anfang im Beruf nicht aufzugeben, um keinen Preis. Das ist auch auszudehen auf den Einstieg in Funktionsstellen.

Wenn mir jetzt nur jemand einen Tipp geben könnte, wie ich weniger vergesslich sein kann.

Das ist eine ernsthafte Frage an die Leser.

PS: Wenn jemand bis hierhin das Gejammer gelesen hat, dann kann ich auch weiter fragen. Derzeit teste ich das Stundenplanprogramm „Turboplaner“ von Haneke.de. Wir haben an der Schule das Programm von „Klinger“, also ABC-Soft, welches ich nicht so gern mag. Ich kenne sonst noch WILLI, was mich derzeit überfordert. Und Untis, was sehr teuer ist.

Meine Fragen wären a) Lohnt es sich, beim Turboplaner über die Anfangsschwierigkeiten (Ich habe grad Probleme mit den Räumen/Raumplanung) hinaus am Ball zu bleiben? und b) Welche Programme sind noch zu empfehlen? Womit arbeitet ihr?

5 Minuten Schulleitung: Ein Schulhaus wurde gebaut oder Die Handwerker kommen…oder auch nicht

Unser Schulhaus ist, gemessen von der Grundsteinlegung, 10 Jahre alt. Es wurde insgesamt in drei Phasen gebaut. Zwei Scheiben Hauptgebäude plus Turnhalle und im dritten Teil dann eine zweite Turnhalle.

Wenn Eltern ihre Kinder bei uns anmelden, dann sagen sie oft, dass ihnen das Schulgebäude so gut gefallen hat von außen.

Das Dach ist begrünt und ich weiß, wo es hinauf geht, ein idealer Platz für einen Liegestuhl. Auf der einen Seite schaut man über den angrenzenden Wald.

Es gibt einen großen Balkon nach vorn raus, eine Terrasse, auf der wir als Lehrer manchmal grillen.

Mein Büro hat einen Holzfußboden. Die Toiletten sind super.

Der Boden im ganzen Schulhaus ist derselbe Boden, der in großen Firmen verlegt wird: schwarz, extrem belastbar. Der war das erste, was bei uns Risse bekam. Erst an den Kanten zu den Treppen hin, dann auch mitten im Gang. Die Firma kann man nicht mehr belangen, weil sie pleite ist. Einen zweiten Riss gibt es im Putz der Wand im Verwaltungstrakt. Der geht vom Keller bis zum Dach.

Wir haben 16 Klassenzimmer und 25 Klassen. Klassenzimmer sind u.a.: ein Kunstraum, ein TZ-Saal, ein Computerraum, der Raum der Mittagsbetreuung und viele Zimmer, die als Ausweichräume galten. Am Gymnasium gegenüber geht das Gerücht, dass bei uns die Klassenzimmer klimatisiert sind. Das liegt an dem einen Computerraum, der als Klassenzimmer genutzt wird, aber eben ursprünglich wegen der Geräte eine Klimaanlage besitzt. Im letzten Jahr ist die Klimaanlage mal kaputt gegangen, das hieß, dass sie im Hochsommer ununterbrochen auf Hochtouren lief und die Lehrer mit Jacken in das Zimmer gingen – bei 30 Grad Außentemperatur.

Die zweite Hälfte des Gebäudes wurde später gebaut. Man merkt das an manchen Stellen, weil offenbar andere Materialien verwendet wurden – fast gleiche Farben, aber eben anders, billiger. Die Technik in dieser zweiten Hälfte des Gebäudes fällt übermäßig oft aus. Dies ist recht blöd, weil in den Klassenzimmern die Lüftungen (Oberfenster), die Jalousien, das Licht, das Internet und die Tafelbeleuchtung zentral über Paneele neben der Tafel gesteuert werden, die nicht mehr hergestellt werden. Vor Kurzem wurde eine Firma gefunden, die sich darum kümmern soll – kurz heißt in diesem Fall vor einigen Wochen. Gekommen ist bisher keiner. Ein Klassenzimmer kann nicht geregelt werden, andere fallen aus und können notdürftig repariert werden. Die Spezialisten sollen ja kommen.

Zur Abdunklung der Fenster hat man Außenjalousien eingeplant, aus Stoff, die man per Knopfdruck herunterfahren kann. Es gibt eine Sicherung, so dass bei Wind diese automatisch hochfahren. Man zeigt also im Sommer etwas am Beamer und ein Wind geht. Danach kann man den Beamer wieder einpacken, ebenso den Overhead und das Smartboard ohnehin. Nach zehn Minuten geht die Jalousie wieder herab. Aber eigentlich ist das auch schon egal, denn der Bespannungsstoff ist lichtdurchlässig. Für die Computerräume, wo ständig über Beamer gearbeitet wird, wurden mittlerweile Rollos angeschafft.

In die Hälfte der Klassenzimmer scheint ab 9/10 Uhr morgens die Sonne, bei Wind keine Möglichkeit abzudunkeln oder die Hitze draußen zu halten.

In beiden Computerräumen fielen nach etwa 5 Jahren innerhalb weniger Tage alle Computer aus (die Firma, die diese eingebaut hatte, war schon pleite zu dem Zeitpunkt). Die Realschule hat IT (Informationstechnologie) verpflichtend ab der 6. im Fächerkanon. Erst als wir deutlich machten, dass der entsprechende Unterricht auf Dauer entfallen muss, kam Bewegung in die Sache und nach wenigen Wochen hatten wir eine neue Ausstattung. Trotz laufendem Haushaltsjahr.

Als ich meine erste Konrektorenstelle antrat, 2009, rauchte mein Rechner in der Verwaltung ab. Und ich meine abrauchen, denn es war das Netzteil, das rauchend den Dienst aufgab. Im ersten Jahr habe ich auf einem privat angeschafften MacMini gearbeitet.

Bei den meisten Sachen, die kaputt gehen, müssen wir lange warten. Welche Firma hat das noch mal gemacht? Gibt es sie noch? Wer kann Ersatz liefern? Was sagt der Sachaufwandsträger? Kommen die Handwerker?  Und wer macht endlich das Dach dicht, durch das es manchmal in die Aula regnet?

Als die neue Schulsoftware installiert wurde und anlief, brach das gesamte Netzwerk der Verwaltung zusammen. Die neue Software hatte den gesamten Arbeitsspeicher der Server gefressen.

Die Toiletten sind übrigens fantastisch. Hatte ich das schon erwähnt?

Manchmal, wenn ich in Vertretungsstunden der 5. Klassen gehe, die also neu sind an der Schule, mache ich mit ihnen ein Kurzprojekt „Mein Lieblingsort in der Schule“. Dann sollen sie ihren Lieblingsort beschreiben und wenn sie das getan haben, gebe ich Ihnen mein iPad oder einen Fotoapparat, damit sie diesen Ort fotografieren.

Immer ist die Toilette dabei.

590 Wörter bis zu diesem Zeitpunkt und eigentlich wollte ich noch über das Problem des Personals sprechen, wenn Kollegen mal längerfristig ausfallen, aus welchen Gründen auch immer. Aushilfen, Mobile Reserven – hat schon mal jemand erfolgreich versucht im laufenden Schuljahr eine Mobile Reserve zu bekommen? Oder eine Aushilfe für 5 oder 6 Wochen? Wir haben grad einen Glücksgriff getan mit einer Aushilfe. Das ist nicht immer so.

Ich übernehme diese Woche eine dritte Deutschklasse (9. Jahrgangsstufe) zur Vertretung. Dies tue ich hauptsächlich aus Verantwortungsgefühl und dem Gedanken, dass die Schüler nicht länger ohne Deutschunterricht sein sollten. Damit stocke ich dann auf 21 Stunden Wochenunterricht auf (Zugegeben „nur“ bis zum Beginn der Abschlussprüfung am 5. Juni, dann fallen meine 10. weg). Zwei andere Kollegen übernehmen ebenfalls Klassen. Ich habe mit ihnen geredet – sie überredet, denke ich, wahrscheinlich Sympathien ausgenutzt. Und doch – im offenen Gespräch war uns klar, dass es notwendig ist, aber wir es auf unsere eigenen Kosten durchziehen. Auch mit Aufstockung der Teilzeit und Mehrarbeitsabrechnung. Immer auf eigene Kosten.

5 Minuten Schulleitung – Bremsen, Atmen

Osterferien. Ich war schon eine Woche krankgeschrieben, bevor diese begonnen haben.

Meinungen.

Mein Arzt: Entzündung der Nebenhöhlen, des Kehlkopfes, Bronchitis, Reizung der Stimmbänder.

Meine Frau: Mit Erkältung am Freitag zur Schule gegangen, mittags Vortrag in Nürnberg und dann noch nach München fahren, um einen weiteren Vortrag zu halten. Kein Wunder.

Ich: Aber mir hat das Spaß gemacht. Röchel.

Dieses Posting will ich seitdem schreiben. Je nach Tageslaune oder -umständen bekommt es einen anderen Grundton. Ich weiß nicht, worauf es jetzt hinausläuft. Es geht mir seit 11 Tagen nicht so gut.

Wollte schreiben über Belastungen meines Berufs. Über innere Defizite, die ich mir bewusst machen muss, weil ich wahrscheinlich mit meiner Arbeit diese auszugleichen versuche. Über die Erkenntnis, dass Improvisation und Bauchgefühl für meine Arbeit als Lehrer lange Zeit hilfreich waren – dass sie mir Probleme in meiner derzeitigen Position machen. Über das Problem Privatleben und Arbeit voneinander zu trennen, was immer schwerer geworden ist – manchmal habe ich das Gefühl, ich habe den Versuch zu trennen schon aufgegeben. Über das Fehlen von guten Unterrichtsideen im Alltag. Über das Abwiegeln der eigenen Belastung mit immer demselben „aber andere arbeiten auch sehr viel und schaffen mehr.“

Ich merke.

Auf der einen Seite sehe, lese und höre von vielen guten Ideen und Projekten, für den Unterricht, die Schulleitung, Schule insgesamt. Und alles klingt spannend, manches witzig, vieles interessant. Und ich kann nicht mal einen Bruchteil davon umsetzen. Projekte in der Schule sind oftmals sehr schwer in Gang zu halten, selbst wenn ich mit wirklich guten und engagierten Kollegen zusammenarbeite (diese berichten mir ähnliche Erfahrungen). Manchmal sind Schüler schwer in einem Termin zusammenzufassen. Manchmal hat man selbst arbeitsintensive Phasen und muss sich selbst antreiben. Manchmal frustrieren schulische Verwaltungswege, die lang und ermüdend sind. Dann sind Ferien. Und Prüfungen. Und dann über solche Phasen die Spannung zu halten, ist wirklich schwierig.

Und dann habe ich noch nicht einmal unterrichtet oder in meinem Büro gesessen und Vertretungspläne usw. gemacht.

Und dann kommen eben die ganzen Projekte, die ich für mich machen möchte. Die mir Spaß machen. Ich rede halt auch gern über die Sachen, die ich so mache. Und merke, dass die mich auch anstrengen.

Dann erkälte ich mich.

Kurzum.

  1. Ich habe einige meiner Projekte gestrichen, bzw. vertagt und
  2. versuche mich auf zwei oder drei zu konzentrieren.
  3. Ich nehme erstmal keine externen Termine mehr an.
  4. Ich habe zwei Karten für Dockville 2014 bestellt.
  5. Ich mache kurze Listen.

Epilog I.

Ich denke über Coaching nach, nicht über schulnahe Coaches.

Epilog II.

Mich erreichte heute eine Email. Sie endet mit:

„Abschließend:
Danke für die Mühe die Sie sich damals gemacht haben um einen Schüler außerhalb des Unterrichts ein bisschen zu fördern,
manchmal sind es genau diese kleinen Dinge die ein Leben in eine bestimmte Richtung drehen und genau dafür werde ich Ihnen immer dankbar sein!“

Ich bekomme solche Nachrichten nicht so oft.

Zum Glück aber zum richtigen Zeitpunkt.

15 Minuten Schulleitung – Warum Schulleitung? Warum ich?

Um diesen Beitrag habe ich mich lang herumgedrückt. Und auch jetzt – Spoiler!!! – werde ich ihn zu keinem zufriedenstellenden Ende bringen. Ich kann versuchen von mir zu erzählen, vielleicht chronologisch, vielleicht auch nicht. Vielleicht bekomme ich von Herrn Rau einen Stern mehr in der Rubrik „Ankedoten“.

1. Schritt

Ich war 1,5 Jahre im Dienst, grad ein halbes Jahr an einer neuen Schule, als der Posten des Fachbetreuers Deutsch vakant wurde. Aus gewissen innerschulischen Gründen gab es keinen neuen Bewerber für das Amt. Ich war wohl das kleinste Übel und sagte zu. Damals äußerte ich auf einer Konferenz, dass ich mich irgendwann für den MB bewerben werde (die Position zwischen Schulleiter und Kultusministerium) – mein jetziger Chef erinnert mich daran von Zeit zu Zeit.

Ergo: Ich fürchte nicht die Herausforderung.

2. Schritt

Wieder an einer neuen Schule angekommen, lernte ich einen Zweiten Konrektor kennen, bei dem mir der Satz durch den Kopf ging: Das kann ich auch und wahrscheinlich besser. In einem Mitarbeitergespräch äußerte ich dies und wurde bestärkt. Mir wurde gesagt (ich war 35 und hatte damit die eigene Altersgrenze erreicht, die ich mir gesetzt hatte, um mich endgültig zu entscheiden, ob ich weiter Lehrer sein wollte oder nicht, wobei der Wechsel der Schule geeignet war, mich dafür zu entscheiden), dass es 5 Jahre dauern könnte, bis es soweit sei. Nach drei Jahren stieg ich als ZwRSK ein, nach weiteren drei Jahren zum RSK auf.

Ergo: Ich kann arrogant sein.

3. Nachträgliche Überlegungen

Es gibt so einen Krimskrams an Gedanken, den ich mit meiner Entscheidung verbinde. Oft haben diese einzelnen Aspekte wenig Zusammenhang untereinander. Und ich habe vorher nie eine +/- Liste angelegt.

a) Ich glaube wirklich, dass ich den Job gut können werde, weil ich entwicklungsfähig bin und wenig dogmatisch.

b) Ich habe gern mehr Verantwortung.

c) Ich bin belastbarer als der Durchschnitt.

d) Ich treffe gern (begründete) Entscheidungen – wenn ich meine, dass sie gut sind, auch gegen Widerstand.

e) Ich abeite gern mit anderen zusammen.

f) Ich mag das Gehalt.

g) Mein Ur-Großvater war Konrektor in Schlesien, irgendwann um 1900.

h) Ich glaube nicht, dass das, was wir an Schule derzeit haben, wirklich das Optimum ist.

4. Gedanken, die dagegen sprachen/sprechen

a) Ich bin eigentlich ein Eigenbrötler und mit vielen Menschen oft überfordert.

b) Ich telefoniere äußerst ungern, genauer: ich rufe ungern Leute an.

c) Ich neige zu Maßlosigkeit, auch was Arbeit betrifft.

d) Ich neige dazu, mich zu überfordern.

e) Ich mag das Gehalt.

5. Wie es nun dazu kam

Wieder an einer neuen Schule angekommen,  fiel es mir leichter mir das mit dem Konrektor vorzustellen, weil nun jemand mein Chef war, den ich schätzte, kannte und dessen Fähigkeiten und Person ich insgesamt achtete – auch mit den Kanten und Fehlern. Und an dieser Schule wurden nacheinander diese Stellen, die ich nacheinander bekleidete, ausgeschrieben. In Rücksprache mit meinem Chef und seiner Ermutigung bewarb ich mich. Und ich wurde. Und viel mehr ist da einfach nicht dran: Ich glaube wirklich, dass ich richtig auf dem Posten bin.

Unterm Strich fühlte es sich nach der richtigen Schule, dem richtigen Kollegium und den richtigen Schülern an. Auch wenn es abgeschmackt klingt: Den Posten wollte ich nicht um der Karriere Willen und ich hänge sicher nicht auf Biegen und Brechen dran. Es hat sich einfach passend angefühlt.

Ich wohne gern auf dem Land, wo wir ein Haus gemietet haben – nur 5km von meiner Schule entfernt. Die Gegend mag ich, das Essen und das Bier, die Leute auch. Auch wenn ich nie Heimat dazu sagen würde. Aber es fühlt sich gut an. Small Talk auf der Straße, im Supermarkt, beim Frisör. Überall Leute zu treffen, die man selbst unterrichtet hat, deren Kinder hatte oder hat. Und ja, manchmal auch, im Sommer, wenn die Fenster offen stehen, draußen ein Kind laut sagen zu hören: „Schau mal Mama, da wohnt mein Deutschlehrer.“

6. Was wird?

Ob ich wirklich MB werde, das weiß ich nicht. Sogar Schulleiter liegt in der Ferne. Dafür muss mehr vorhanden sein als ich hier unter 3. versammelt habe. So sehr bin ich nicht von mir überzeugt. Da muss ich bedeutend besser werden.

Andrerseits habe ich erst 15 Jahre Dienst hinter und noch 22 vor mir.

7. Schluss jetzt

Meine Psychologie-Seminarlehrerin während des Referendariats hat mal, ganz ruhig, zu mir gesagt: „Ich glaube, sie haben ein Problem mit Autorität.“

Ich habe das damals als Kompliment aufgefasst.

(bitte unter 3. und 4. gleichermaßen ergänzen)