Weil das doch für eine gute Sache war.
Manche Dialoge in der Schule gehen so:
„Herr Kuban, bekomme ich eine Strafe, wenn…“
„JA!“
Ich unterbreche, weil ich in der Regel weiß, was dann folgt. Die Beschreibung eines Handelns, was ganz sicher würdig ist für eine Ordnungs- oder Erziehungsmaßnahme (gem. BayEUG Art. 86). Und dann sind sie immer enttäuscht, was ich nicht verstehe.
Hallo? Ich bin Lehrer und Schulleiter?!?
Neulich threemte mir eine Kollegin meiner alten Schule die Frage, was ich mit meinen Schülern machen würde, wenn sie (während der Schulzeit) zum Demonstrieren (für das Klima) gingen. Meine Antwort war klar: Es ist verboten, entsprechend wird das geahndet als unentschudligtes Fernbleiben vom Unterricht. Schüler besitzen kein Streikrecht, ebensowenig wie viele andere Rechte (Recht auf Freizügigkeit, freie Entfaltung der Persönlichkeit u.a. – „Schule ist Knast„). Andersherum unterliegen sie der Schulpflicht. Diese zu erfüllen ist ihre Aufgabe ebenso wie die der Eltern. Eine eindeutige Geschichte.
Ob ich nicht Sympathien hegen würde für die Demonstrierenden und ich würde doch sicher mitgehen wollen.
Ungeachtet aller möglichen Sympathien, die ich hege, würde ich keinen Schüler irgendwohin schicken, wo er dann demonstriert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und nichts anderes ist das Demonstrationsrecht, soll ja eben das sein: frei. Jemanden zu schicken wäre mir zu abseitig.
Als ich selbst mal Schülersprecher war, forderte man mich auf, das ich meine Schüler für eine Demo mobilisieren sollte, schnell, viel. Damals habe ich mich dem verweigert und darauf gepocht, dass man die erst mal gründlich informieren sollte, um ihnen dann die Wahl zu lassen. Einer nannte mich damals einen „Scheiß-Liberalen“ – dass der dann später selbst bei den Julis auftauchte ist nur eine der vielen Webfehler in meiner persönlichen Lebensmatrix. Man sollte auch erwähnen, dass ich so viel informiert habe, dass die meisten damit erschlagen wurden. Aber egal –
Wer Kindern sagt
Ihr habt links zu denken
der ist ein Rechter
(Erich Fried)
Habe ich nicht jemals dasselbe getan, werde ich dann gefragt. Und ja, sage ich, das habe ich. Vor 35 Jahren irgendwann mal, da war ich, mit einigen meiner Lehrern, auf einer Demo, vormittags, in der Stadt. Und ich meine, es ging gegen eine Bildungsreform im Stile des G8. Das wollten wir damals nicht (damals in der Nähe von Köln, also NRW). Ich weiß, dass wir damals auch mit Strafe bedroht wurden „von oben“ – und wir sind dennoch gegangen (ich kann mich nicht erinnern, dass etwas passiert ist).
Aber ich meine, das ist der Punkt. Was ist ein Streik wert, der erlaubt ist?
Das nennt man einen Ausflug.
Nach meiner Denkungsart muss ein Streik weh tun, dem Bestreikten und dem, der streikt. Und wenn es nur die Befürchtung ist, dass etwas weh tun wird.
Was ein Kind gesagt bekommt
Von Bertolt Brecht
Der liebe Gott sieht alles.
Man spart für den Fall des Falles.
Die werden nichts, die nichts taugen.
Schmökern ist schlecht für die Augen.
Kohlentragen stärkt die Glieder.
Die schöne Kinderzeit, die kommt nicht wieder.
Man lacht nicht über ein Gebrechen.
Du sollst Erwachsenen nicht widersprechen.
Man greift nicht zuerst in die Schüssel bei Tisch.
Sonntagsspaziergang macht frisch.
Zum Alter ist man ehrerbötig.
Süßigkeiten sind für den Körper nicht nötig.
Kartoffeln sind gesund.
Ein Kind hält den Mund.
Volle Zustimmung – und schöne Texte zum Thema.
Besonders schön der Brecht, wenn man ihn in der 5. oder 6. Klasse liest und alle meinen, dass der gute B.B. der größte Kinderhasser ist.
Und man selbst natürlich auch.
Dass Schwänzen geahndet wird, ist völlig außer Diskussion.
Dass es aber auch übergeordnete, existenzielle Gründe gibt, die Schüler zum Verlassen der Schule bringen, auch: Die Welt steuert auf eine Katastrophe zu. Über 50jährige mag das kalt lassen, Schüler*innen nicht.
Und der Streik soll nur dem Bestreikten weh tun; die Streikenden leiden schon genug, sonst blieben sie zu Hause (hier: in der Schule).
Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu.