Schulanfang 2

/…/Ach, wen vermögen
wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,
und die findigen Tiere merken es schon,
daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind
in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht
irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich
wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern
und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,
der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.

R.M.Rilke, Duineser Elegien


Ich gehe jeden Morgen nahezu denselben Weg in mein Büro, natürlich, den kurzen Weg über den Parkplatz, ins Schulgebäude und dann durch die Aula, den Verwaltungsgang zum Sekretariat vor und dann durch dieses in mein Büro.
Heute dämmerte mir, zwei Wochen nach Schulbeginn, dass sich etwas fundamental in dieser Routine verändert hat.
Wenn ich die Aula betrete, grüße ich nicht mehr gleich nach links, wo immer dieselben Mädchen der 10b saßen. Nur zwei Schritte weiter die syrische Schülerin der Deutschklasse, mit der ich einen Gruß, ein Lächeln und ein Kopfnicken austauschte. Im Gang selbst die Schülergruppe der 10a veränderbar in der Größe aber mit dem immerselben Kern, mit dem ich mal angeln gehen wollte – auch hier der immerselbe laute Gruß.
Seit Beginn des Schuljahres ist da niemand mehr. Die 10. Klassen haben im Juli die Schule verlassen. Das syrische Mädchen ist an eine Mittelschule gegangen. Der Verwaltungsgang ist morgens leer, wenn ich komme.
Und heute ist mir Rilke eingefallen.

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