Nachdem am letzten Wochenende eine Sendung „Wetten dass…“ für Aufsehen gesorgt hat, lese ich mich seit drei Abenden quer durchs Internet und lerne. Parallel dazu bringe ich das, was ich lese, mit in die Sozialkundestunden, um einfach meine Gedanken mit den Schülern auszutauschen.
Zum Glück fand ich recht schnell einen guten Ausgangspunkt für meine Lesereise, und zwar bei A. Stefanowitsch, der nicht nur einen breit angelegten Artikel mit Transkripten aus der Sendung vorstellte, sondern auch genug andere Seiten verlinkt.
Besonders wertvoll/ergiebig für mich waren hier und weiterhin
- Offener Brief der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland an das ZDF bezüglich der Stadtwette vom 14.12.2013
- 7 things you can do to make your art less racist, ein englischsprachiger Ratgeber, wie man seinem eigenen Rassisten auf die Spur kommt und ihn bekämpft
- Deutschland schwarz weiß – ein Buch und gleichnamige Website, die sich mit Rassismus in Deutschland beschäftigt
- Der Braune Mob – Blog – hier ein spannender Artikel über eine Beschwerde an die Schulbuchverlage über die rassistisch geprägte Darstellung von u.a. Afrika in Schulbüchern, aufgrund dessen ich mal schnell die Schulbücher in Geschichte, an denen ich mitgeschrieben habe, eventuell dieselben Tendenzen besitzen. Besonders gut aber auch „Bin ich Rassist?“
Ich bin heute und gestern in meine Sozialkundestunden mit einem Auszug aus dem Brief der ISD hineingegangen und der „Liste dummer Sprüche“ von der Website „Deutschland schwarz weiß“. Ich habe einleitend versucht ihnen klar zu machen, dass ich selbst bis vor einigen Tagen kaum etwas zum Thema wusste – natürlich war mir klar, was racial profiling ist, ohne den Begriff zu kennen und auch Rassismus als Tatsache im deutschen Alltag war mir irgendwie bewusst. Aber, ja, aber, ich wähnte mich auf der sicheren Seite – ICH bin ja sicher kein Rassist….
Pustekuchen. Die Liste dummer Sprüche ließ mich an ein, zwei Stellen selbst ein wenig demütig werden.
Das Gespräch über diese Liste war jedenfalls in jeder Klasse stundenfüllend. Und in jeder Stunde überraschte es mich, dass genau die Verteidigungsstrategien auftauchten, von denen ich auf den beschriebenen Seiten gelesen hatte:
- „Ich habe einen schwarzen, türkischen, chinesischen Freund – also kann ich nicht rassistisch sein“
- „Ja, aber Schwarze können doch gut singen.“
- „Aber Schwarze in Amerika sagen doch zueinander auch N…..“
- „Aber er (der einzige schwarze Schüler der Klasse) kommt doch von woanders her (aus Nürnberg!).“
- „Aber das ist doch nicht rassistisch gemeint.“
Sehr schwer wurde aber dann die Diskussion, als mir jemand erklären wollte, dass „in der Region, wo wir leben, eben weiß die dominierende Hautfarbe ist „…und daher eben alle Schwarzen auffallen, sodass man sie fragen darf, woher sie kommen. Willkommen im 21. Jahrhundert.
Einige türkische Schüler haben bestätigt, dass ihnen diese Fragen nicht fremd sind, ebensowenig wie die Ausflüchte.
Man verstehe mich in jedem Fall richtig: Ich glaube nicht, dass meine Schüler Rassisten sind, jedenfalls nicht mehr oder weniger als der Rest der Leser dieses Artikels. Ich habe mich selbst ertappt, wie ich sorglos mit meiner linken, überheblichen, selbstverständlich-nicht-rassistischen Attitüde promeniere. Jedenfalls beruhige ich ich selbst mit einer Aussage, die ich hier schon einmal getroffen habe im Unterricht, nämlich, dass das Problem nicht sei, dass man Vorurteile habe – sondern dass das Problem sei, diese nicht als solche zu erkennen und zu bekämpfen.
Ich habe, unterm Strich, ein paar zornige Schüler zurückgelassen („Mit ihnen kann man nicht diskutieren, sie nehmen jedes Argument auseinander.“), aber gewiss auch nachdenkliche.
Eine Haltung, die ich aber in allen Internet-Kommentaren und auch in Gesprächen mit anderen seit einigen Tagen als sehr befremdlich empfinde, ist diejenige, die erklären möchte, was rassistisch ist und was nicht – aus weißer Sicht. Da kommen dann Menschen an, die irgendwelche Gegenbeispiele konstruieren und damit dann das relativieren, was andere eben als abwertend, verletzend und eben rassistisch empfinden. Dies besonders im Zusammenhang mit der geforderten Bearbeitung von Kinderbüchern, in denen das N-Wort verwendet wird. Dazu hatte ich bisher auch eher die Schulterzuck-Einstellung, aber ich glaube, so leicht kann ich es mir nicht machen.
Dazu ein Schlusswort einer 9jährigen, die den deutschen Medien erklärt, was Rassismus ist.