Verdammt!
Dieses Bloggen ist wirklich seltsam. Vor allem, wenn man im Hintergrund diesen Feedburner-Google-Dingsbums laufen hat. Da schaue ich nämlich drauf, wahrscheinlich wegen meines Egos – oder einfach nur, weil mir dauernd langweilig ist.
Jedenfalls habe ich herausgefunden, dass „Eine Stunde halten für Anfänger“ derjenige Eintrag ist, der am meisten angeklickt und per Google-Suche aufgerufen wird. Die Suche „Eine Stunde halten“ führt auf den ersten Rang dieses Blog.
Toll!
Das sollte eigentlich nur eine kurze Liste sein, die meine Studenten betrifft. Und meine Praktikanten an der Schule. Und jetzt liest das jeder.
Toll!
=> Ironiemodus aus.
Nun gut, jedenfalls habe ich beschlossen, so für mich, dass ich da wohl einige Ergänzungen machen muss, um den Hintergrund zu erklären, bzw. ein paar Prämissen zu erklären.
Wovon gehe ich also aus?
1. Der Anfänger ist mit einer großen Angst belastet, und zwar, ob sein Fachwissen ausreicht, um zu unterrichten. Es besteht die Furcht, im Klassenzimmer etwas gefragt zu werden, worauf man keine Antwort weiß. Und damit assoziiert man dann, dass die Schüler einen sofort teeren und federn und unter Absingen schmutziger Lieder auf einer Eisenbahnschiene aus dem Schulhaus tragen bis vor die Tore der Stadt, wo dann jeder Passant einen anspucken darf.
Diese Angst ist einerseits begründet und andererseits eben nicht.
Begründet, weil ein Lehrer, der sein Fach nicht beherrscht oder sich nicht sicher ist, unter Autoritätsverlust leiden wird.
Unbegründet, weil sich der Anfänger in einer ganz anderen Situation befindet. Der Anfänger hat meiner Erfahrung nach Welpenschutz bei den Schülern. Wenn er was nicht weiß, werden die Schüler das seinem Anfängertum anlasten und nicht ihm persönlich.
Und: Schüler sind nicht so schlau, wie man allgemein meint (und ich spreche nicht nur für die Realschule, sondern auch für das Gymnasium). Die Fragen, vor denen man sich fürchtet, sind i.d.R. so spezieller Natur, dass man ohne Gesichtsverlust sagen kann, dass man das nicht weiß – denn keiner ist ein wandelndes Lexikon oder ein Fachmann für jedes Gebiet. Als gestandener Lehrer mache ich ohnehin zwei Sachen: entweder ich vergebe die Antwort auf die Frage als Referat oder ich erkläre wortreich, warum „die Antwort auf diese Frage uns jetzt gar nicht weiter bringt.“ Und ja, die Schüler sitzen da und vertreiben sich die Langeweile vor allem auch damit, sich solche Fragen auszudenken.
„Stimmt es, dass Hitler Speed genommen hat?“
„Was haben die Hunde der Ritter gefressen?“
Der Schluss:
Man muss in den ersten Unterrichtsstunden keine umfangreichen Recherchen anstellen, um sein Fachwissen aufzupolieren. Vor allem sollte man keine Fachbücher lesen, weil man dann Gefahr läuft sehr schnell in eine Uni-Sprache abzurutschen, die keine Sau versteht – und Schüler erst recht nicht. Das Wissen aus dem Schulbuch oder den Schulbüchern reicht. Es reicht für den Anfänger. Echt! Ein bisschen mehr schadet nicht, aber das war’s auch schon.
2. Die Schwierigkeit des Anfängers besteht oft nicht darin, dass er zu wenig Wissen mitbringt, sondern zu viel. Soll heißen, sein Problem ist, das so zu reduzieren und auf Schülerniveau zu brechen, dass die Schüler was lernen.
Der Blick in die Schulbücher ist daher immer hilfreich, weil die Reduktion schon da ist. Ebenso kann man dort (hoffentlich sinnvolle) Fragestellungen herauslesen. Und schließlich hat man etwas, an dem man sich im Unterricht festhalten kann.
Wichtig ist es daher, dass man sich ein möglichst konkretes Thema geben lässt. Nicht: „Machen Sie mal was zum Gedicht“, sondern: „Das Gedicht >Die schlesischen Weber von Heinrich Heine<„. Oder besser: „Das Gedicht „Die schlesischen Weber“ als Beispiel politischer Dichtung im Vormärz.“ So jedenfalls steckt in der Themenstellung auch schon ein oder mehrere Ziele, die in der Stunde erarbeitet werden können. Ein rücksichtsvoller Betreuungslehrer wird dies berücksichtigen.
Zusammen mit Beispielen aus einem Schulbuch kann man daraus schon eine Stunde basteln, die Lernschritte aufweist und zu einem Ergebnis führen kann.
3. Der Einstieg.
Bis heute wird man darauf trainiert, dass jede Stunde einen motivierten, interessanten Einsteig braucht. Das wäre wirklich schön, wenns hinhaut, aber…wenn nicht, dann nicht.
Ich höre immer wieder, „dass die Stunde steht, mir aber kein Einstieg einfällt.“
Also: wenn spontan nix geht, dann lässts man einfach und konzentriert sich eher auf eine spannenden Arbeitsauftrag. Die Spannung und Motivation kann nämlich durch viele andere Dinge kommen – sogar aus der Persönlichkeit des Lehrers.
4. Schriftliches.
Aufschreiben ist wichtig, und das dann auch übersichtlich. Das Formulieren von Gelenkfragen ist einfach hilfreich, weil der Anfänger vor allem ein Problem mit der Gesprächsführung haben wird. Wenn dann Aufträge spontan formuliert werden, geht das oft schief. Ebenso wichtig sind Übergänge von einer Arbeitsphase zur nächsten.
Uhrzeiten sind überflüssig, aber wichtig ist es, sich am Anfang grob zu notieren, wieviel Zeit man für die jeweiligen Phasen braucht. Unverzichtbar ist es, diese dann auch einzuhalten.
„Erwartete Schülerantworten“ aufzuschreiben ist der größte Humbug, den ich je gehört habe. Das unter anderem führt zu Unterricht, den ich stellenweise auch bei Referendaren und Kollegen sehe. Da stehen dann „Lehrer“ vor der Klasse, die ihren Unterricht runterspulen, ohne auf Schüler einzugehen. Da werden vorgefertigte Antworten so lang erfragt, bis sie exakt so formuliert werden, wie es im Entwurf steht – oder noch viel schlimmer, die Schülerantworten werden ignoriert und man deckt durch Abziehen eines Post-Its das Vorformulierte auf der Folie auf.
Das ist kein Unterricht!
5. Unterrichten ist mehr, als nur Wissen vermitteln. Und das war es schon immer. Daher ist es wichtig auf Dinge zu achten, die nicht in den Büchern stehen. So eben, dass man Schüler anschaut, wenn man mit ihnen spricht. Dass man gleich anfängt und nicht vorn rumgräbt in seiner Tasche, ohne jemanden anzuschauen – weil das auch einfach unhöflich ist. Dass man eben auch Mensch ist und nicht nur ein Abziehbild von einem Lehrer.
Das heißt: man darf mit Schülern lachen, wenn was schief geht. Man darf mit ihnen plaudern, wenn die „Stunde“ vorbei ist und es noch nicht gegongt hat. Man muss ihnen gegenüber genauso höflich sein, wie anderen Menschen eben auch.
Und man muss sie nicht fürchten.