In meinen Aufgabenbereich fallen u.a. die Erstellung des Stundenplans und der Vertretungspläne. Beides wird über eine passende Software erledigt, die eigentlich gut läuft, wenn man sie ein wenig beherrscht. Sie ist nicht intuitiv, aber liefert gute Ergebnisse. Allein über Softwarekenntnisse erreicht man aber kein zufriedenstellendes Ergebnis. Aber von vorn.
Stundenplan
Der nüchterne Anfang. Bisschen lehrermäßig. Vieles nicht neu
Der Stundenplan einer Schule hängt von vielerlei Umständen ab:
- Unterrichtsverteilung
- Zuteilung von Kollegen
- Anzahl der Lehrer bestimmten Fächern und Fächerkombinationen
- Eventueller Ausfall von Kollegen, z.B. durch Mutterschutz
- Anzahl der Schüler
- Statistische Aufteilung, dabei von Bedeutung: Religion (Besuch des jeweiligen Religionsunterrichts), Geschlecht (Sport!)
- Wahlpflichfächergruppen, Kunst/Werken
- Anzahl der Räume, Fachräume, Turnhallen und ihre Größe
- Wünsche der Kollegen, besonders mit kleinen Kindern
Dies ist noch wenig überraschend, aber nehmen wir mal ein paar Umstände, die alltäglich erscheinen und das Ganze etwas arbeitsam machen. Vorgabe ist eine Unterrichtstafel von 8 Uhr bis 13 Uhr, entspricht 5×6 Stunden= 30 Stunden Unterricht.
- Es gibt 25 Klassen bei 16 Klassenräumen, die restlichen Räume fassen auch beim besten Willen nicht mehr als 20 Schüler
- es gibt nur eine Turnhalle bei 25 Klassen: Vorgabe: >300 Mädchen, >300 Jungen, je 2 Stunden Sport, eine Halle. Optimistisch: 30 Schüler pro Sportunterricht, 20 Stunden Sport für Mädchen, 20 für Jungs. Klingt gut, nicht? Bedeutet aber Unterricht weit in den Nachmittag hinein – man bedenke: die Jungen und Mädchen einer Klasse müssen gleichzeitig unterrichtet werden, bei einer Halle.
- 25 Klassen in je einen Fachraum für Biologie, Physik und Chemie, auch nur ein Raum für Kunst, weil der andere als Klassenraum fungiert
- zwei EDV-Räume, einer kleiner als normale Klassenstärke, bei Unterricht IT in 22 Klassen
- 3 Religionsgruppen (Evangelisch, Katholisch, Ethik) jeweils in eine Stunde des Stundenplans verfrachten, bei einer Lehrkraft für Katholische Religion und einer für Ethik
- Klassen mit Schülern aus unterschiedlichen Wahlpflichtfächergruppen (vier davon gibt es an der Realschule), aber auch unterschiedliche Anzahl von Stunden in der Stundentafel (Französisch z.B. erhält eine Stunde mehr Unterricht als andere Gruppen), d.h. Klassen werden geteilt in mehreren Fächern: Religion, Sport, Wahlpflicht, Kunst/Werken
- Epochaler Unterricht: z.B. bei einer Stunde Kunst/Werken werden diese sinnvollerweise zu einer Doppelstunde zusammengelegt und nur in einem Halbjahr unterrichtet – mal die eine mal die andere Klasse.
- Lehrer, die die unterschiedlichste Zahl von Pflichtstunden haben, wesentlich bestimmt durch Elternzeit, Teilzeit, aber auch durch sogenannten nichtwissenschaftlichen Unterricht (=Sport, Musik) – hier ändert sich das Pflichtstundenmaß je nach dem wie viel wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Unterricht sie halten, was wiederum von den Schülerzahlen abhängt und der Anzahl zugeteilter Lehrer
- Anzahl der Referendare, die eine bestimmte Anzahl von Stunden unterrichten müssen, dies dann in bestimmten Klassen (wegen der Lehrproben) und in bestimmten Klassen nicht (Abschlussklassen in Abschlussfächern)
Der Spielraum beim Entwerfen des Stundenplans ist nicht so groß, wie ich mir das mal vorgestellt habe. Aber es gibt Schulen, bei denen die Rahmenbedingungen wirklich schlecht sind.
Vertretungsplan
In direkter Verbindung mit dem Stundenplan hängt der Vertretungsplan. Das Programm unterstützt dabei den Planer auf der Basis des Stundenplans. Was die Software nicht unterstützt und was ich daher bei Organisation des Unterrichtsausfalls im Kopf haben muss:
- alle laufenden Belastungen und Krankheiten der Kollegen und in ihren Familien
- Alter und Betreuungsstand / -bedarf der Kinder der Kollegen
- Vorlieben der Kollegen (Wer braucht zwischendrin Entspannung? Wer arbeitet lieber durch?)
- Dauer des Unterrichtsausfalls
- Schulaufgabenplan
- Zusammensetzung der Klasse und ihren Betreuungsbedarf (=Stressfaktor)
- Bisherige Belastung der Kollegen durch Vertretung (die Zahl der Stunden spuckt das Programm aus – nicht aber die Art der Vertretung, z.B. Schulaufgabenaufsicht oder regulärer Unterricht)
Neuralgische Zeiten beim Vertretungsplan sind die ersten Stunden. Spontane Erkrankungen von Kollegen sind morgens nicht immer leicht unterzubringen, vor allem, wenn es mehrere sind. In der Regel erarbeite ich am Vortag den Plan, hänge ihn aus. Erkranken Kollegen im Laufe des Tages oder Abends, bekomme ich Meldungen auf mein Handy (SMS, Mail) und leite diese an den Kollegen weiter. Am laufenden Tag kommt dieser früher als ich und erledigt die Änderungen, wenn sich welche ergeben und wir besprechen dann diese kurz. Die erste Stunde habe ich überwiegend frei, um auch u.a. spontane Ausfälle aufzufangen, wenn kein Kollege mehr da ist, um zu vertreten oder wenn ich einfach eine Klasse vergessen habe. Zu diesem Zweck gehe ich dann an hektischen Tagen einfach um 8:05 Uhr durch das Schulhaus und in die Klassenzimmer hinein, wo Schüler herausquellen.
Fazit
Stundenplan und Vertretungsplan sind die Punkte eines Kollegiums, die die meiste Hitze erzeugen. Um das zu wissen, muss man kein Schulleitungsmitglied sein.
Die ersten beiden Stundenpläne, die in meiner Verantwortung im Team mit 4-5 anderen Kollegen entstanden sind, kamen gut an, was mich misstrauisch machte – unberechtigterweise denke ich mal. Über die Vertretungspläne höre ich weniger, aber sie sind auch heikler. Dies liegt zu einem guten Teil in der Geschichte mit der Mehrarbeit, die bei Herrn Rau schon breit angesprochen wurde. (Leider finde ich auf die Schnelle nicht den aktuellen Artikel zum Verlinken, wer die offizielle Sicht lesen möchte: bitte.)
Ich sitze aber an manchen Tagen da, vor allem, wenn die Grippewelle rollt, und knirsche mit den Zähnen, weil ich sehe, wie viel Vertretungen ich vergebe und dass es eben einzelne Kollegen hart trifft. Anfangs war ich versucht, das im Einzelfall zu rechtfertigen, aber ich habe es aufgegeben. Versuche manchmal gutes Wetter zu machen – bedanke mich bei Einzelnen, versuche die Situation zu entspannen.
Man verstehe mich nicht falsch – ich verdrücke hier kein Tränchen, im Kern ist meine Haltung schon die, dass Arbeit, die anfällt, auch einfach getan werden muss. Wenn ich aber Berichte des Obersten Bayerischen Rechnungshofes im Netz (Stand 2007/2008) lese, dann weiß ich doch auch, wie sehr meine/unsere Arbeit wertgeschätzt wird. Und ja, das ist Ironie.
Nehmen wir doch mal fiktive Zahlen, von denen ich mal gehört habe. Entsprechend fielen dort an einer Schule in einer Woche einmal 180 Stunden Vertretungen an. Dies sind mehr als die gesamten Unterrichtsstunden eines normalen Tages gewesen (entspricht etwa dem Stundenmaß von 7 Vollzeitlehrern) und sie mussten von 35 Kollegen gestemmt werden. Das ist keine Ironie. Spricht man solche Wochen „weiter oben“ an, bekommt man selten mehr als ein Achselzucken. Man müsse halt mehr organisatorische Maßnahmen treffen, damit nichts ausfällt. Danke.
Am Ende jeder Woche fülle ich übrigens eine Online- Erhebung aus, die den Unterrichtsausfall inklusive dagegen erhobener Maßnahmen dokumentiert. Anweisungen dafür gibt es im Netz. Meine Liebe zu Statistiken ist nicht sehr ausgeprägt, aber ich habe mir jetzt angewöhnt, dass dies die letzte Tätigkeit meiner Arbeitswoche sein soll – und somit erlebe ich dabei nun immer eine gewisse Freude.
Ein Beitrag des Bayerischen Rundfunks zum Thema. Gefällt mir über weiter Strecken, bis kurz vor Schluss, in dem es heißt, dass dies alles für Eltern ärgerlich sei – nur für die?
Das hier hat mal wieder länger als 5 Minuten gedauert. Erster Ferientag vorbei. 0:57 Uhr. Gute Nacht.
Spannender Artikel, danke!
Habt ihr bei einem gut optimierten Stundenplan (d.h. wenig Freistunden, für die man in der Schule bleiben muss) auch das Problem, dass Vertretungen schwer *spontan* zu bekommen sind?
Hm, das liegt ja auf der Hand. Ich weiß nicht, mit welchem Programm bei euch gearbeitet wird, aber hier gibt es eben diesen „Optimieren“-Knopf, der die Pläne staucht. Allerdings gibt es auch eine Einstellung, die die Hohlstunden von der Anzahl her bestimmt. Und ja, ich habe den Knopf etwas länger als normal gedrückt – daher sind die meisten zufrieden mit dem Stundenplan. Allerdings bin ich eben noch in der „Experimentierphase“, wo ich den richtigen Weg finde. Laut Programmausdruck haben wir in der Überzahl der Stunden ausreichend Kollegen. Aber, und das habe ich noch vergessen zu schreiben, wenn die Personaldecke eben insgesamt straff sitzt, dann kann man so viele Hohlstunden machen wie man will, es bleibt halt doch was übrig. Bei 45 Kollegen, mit einem Drittel Teilzeitlehrern, fahren in einer Woche zwei Klassen auf Fahrt vier Lehrer weg, haben 6 ihren freien Tag, sind 4 krank, schon fehlt ein deutlicher Teil des Kollegiums – das ist auch mit den unoptimiertesten Plänen nicht zu packen ohne Unterrichtsausfall.
[…] Warum und wieso das manchmal so sein muss? Dazu Tomdidomm in seinen “5 Minuten Schulleitung“. […]
[…] Warum und wieso das manchmal so sein muss? Dazu Tomdidomm in seinen “5 Minuten Schulleitung“. […]