Habe mit M telefoniert. Anderthalb Stunden lang – ich betone es, weil ich ungern telefoniere in der Regel. Aber wir stellten fest, dass wir mehr als zehn Jahre keinen Kontakt mehr hatten. Er kommt bald wieder in die Region, dann können wir uns treffen.
M betonte, nachdem er auch den Post gelesen hat, dass er sein Medizinstudium zuende gebracht hat, aber weder einen Doktortitel noch einen Facharzt anstrebte. Ich wusste, dass sein Schwerpunkt in der Pädiatrie lag, aber momentan und schon länger arbeitet er in einer Ambulanz zur Substitutionsbehandlung Heroinabhängiger.
Ich muss also mein Gedächtnis ergänzen – wobei ich gemerkt habe, dass es keine Lücke war. Ich habe mein Erleben von ihm projiziert auf einen Bereich, an den ich keine Erinnerung habe, weil ich nie etwas darüber wusste.
Zeitweise wohnte er in einer Kommune, wobei ich diesen Plan noch erinnerte. Kommune klingt wild für jeden über 40 (50?). Aber er erläuterte, dass es ein Projekt einer Gruppe von unterschiedlichsten Menschen war, die im Wohnen zusammen wirtschaften wollten, nach sozialen Kriterien (also z.B. Höhe des Einkommens) und eben als Gemeinschaft. M erklärte, dass es mittlerweile viele Projekte für unterschiedliche Formen des gemeinschaftlichen Wohnens gibt. Der Grundgedanke, wenn ich es verstanden habe, war, dass man zusammen Wohnraum kauft (mit den entsprechenden Krediten) und ihn so dem Immobilienmarkt und seinen „Gesetzen“ entzieht.
An die Sache mit dem Schweinebraten konnte er sich nicht erinnern, aber an das Bier.
Es ist mir fast peinlich, dass ich erinnerte, dass er aus der Medizin ausgestiegen sei. Aber ich frage mich gleichzeitig, was diese schiefen Erinnerungen eigentlich über mich aussagen. M gehört in dem Erleben von mir selbst immer noch zu den Personen, die ich als Charakter zum Vorbild habe. Das klingt jetzt pathetisch, aber es geht eher so, dass ich Dinge erlebe oder höre und dabei denke „M hätte jetzt das gemacht oder jenes gesagt oder so gelacht“.
Diese Personen ändern sich nicht, wenn ich mich falsch erinnere und darauf aufmerksam gemacht werde. Vielleicht ändere ich mich und nicht nur meine Erinnerung.
Ein sehr guter Arzt einer Herzsportgruppe hatte auch keinen „Dr. med“ vor seinem Namen: Alle KollegInnen fragten ihn um Rat.
😉