Schulisches Schreiben im DU – Ideen zur Erörterung 9. Klasse und darüber hinaus

Ich habe letzte Woche den Zuschlag bekommen, für eine Zeitschrift einen Artikel zum Thema „Googlemaps im Geschichtsunterricht“ zu verfassen. Das hat mich sehr gefreut. Als Vorgabe wurde mir mitgeteilt, sollte der Artikel nicht länger als 5 Druckseiten werden.

Ich habe mir jetzt von meiner Frau einen Wochentag aussuchen lassen, an dem ich diesen Artikel verfasseb werde. Bei 5 Seiten Text dürften 4,5 Stunden ausreichen, vielleicht ist meine Frau großzügig und ich darf 5 Stunden schreiben. Wenn es dann soweit ist, werde ich mich hinsetzen, das Handy und den Computer ausschalten, den Duden als einziges erlaubtes Hilfsmittel neben mein liniertes Papier legen und meinen Artikel schreiben.

Nicht.

Erörterung mit vorgeschalteter Recherchephase

Niemand, der ernsthaft in seiner Freizeit oder aus Berufsgründen schreibt, wird so vorgehen. Ein wirklich ernstzunehmendes Schreiben umfasst Recherchieren, Gliedern, Überarbeiten, Formulieren, Überarbeiten, neu gliedern, neu schreiben, ein paar Tage liegen lassen, verwerfen, neu formulieren, verbessern etc. etc.

Und dennoch, welche Erkenntnis, ist das Beschriebene die Form des Schreibens, die an meiner Schulform vorherrscht und derzeit auch weiter an den höheren Schulen bis hin zu den Unis praktiziert wird. Über den Aufsatz als die Königsform des Deutschunterrichts hatte ich mich ja schon einmal vor zwei Jahren ausgelassen. Seitdem habe ich immer mal wieder ein paar wenig Dinge ausprobiert. Zusammen mit den Kollegen bereite ich grad eine Erörterung in den 9. Klassen vor und wir weichen von dem herkömmlichen Muster ein wenig ab.

  1. Wir geben drei Großthemen vor: Jugend und Gesundheit, Fernsehen und Zeitung, Umwelt und Umweltschutz – aus diesen Themenbereichen werden die Erörterungsaufgaben in der Prüfung gestellt.
  2. Zu diesen Großthemen werden die Schüler angehalten, sich selbst Material in Form von Diagrammen, Schaubildern und Texten zusammenzusuchen und in einer Mappe zusammen zu stellen. Diese Mappe dürfen sie in der Schulaufgabe benutzen. Ich sammle sie vorher ein und schaue sie durch – nicht erlaubt sind z.B. vollständig vorformulierte Aufsätze oder Arbeitsblätter aus dem Unterricht. Teile sie dann in der Schulaufgabe wieder aus.
  3. Auf einem – noch kleinen – Wiki im Rahmen der Schulhomepage besteht die Möglichkeit für die Schüler, Material zu verlinken oder Auswertungen des Materials zu veröffentlichen. Parallel dazu habe ich eine Facebook-Gruppe, in der Ähnliches passieren kann (abgeschirmt von der Öffentlichkeit)

Was erreicht werden soll

  • Das Schreiben um eine Recherchephase erweitern – damit inhatlich fundiertere Aufsätze zu bekommen.
  • Die Schulaufgabe im Fach Deutsch so zu präsentieren, dass man – entgegen der weitläufigen Meinung – dafür lernen/sich darauf vorbereiten kann.
  • Den Schülern ein Stück Selbstbestimmung zu geben, was das Schreiben angeht.
  • Das Schreiben an sich rückt mehr in den Mittelpunkt und nicht das Suchen von (oft schwachen) Argumenten (Recherche).
  • Das schulische Schreiben zumindestens mal auf den didaktischen Stand von 1980 bringen – wo es erste Veröffentlichgungen zum Thema Schreibprozess gab.

Was damit nicht geschafft wird

  1. Der Formalismus der Erörterung wird nur zum Teil aufgeweicht – es bleibt die Sache mit „Behauptung, Begründung, Beispiel“. Dies ist auch gewollt, denn wir bereiten immer noch auf eine zentrale, staatliche Prüfung vor – und die will den Formalismus.
  2. Korrektur und Bewertung liegen noch immer in der Hand des Lehrers.
  3. Eine Überarbeitungsphase bleibt unberücksichtigt.

Was es sonst noch gibt

Wie schon ab und einmal erwähnt bieten sich in Bayern für die Realschule ganz offizielle andere Möglichkeiten, die traditionellen Schreibaufgaben/Schulaufgabenformen zu verändern alternativ zu gestalten. Es gab ein Modellprojekt „Modus 21“, in dessen Rahmen auch Veränderungen der Prüfungsformen und -abläufe vorgesehen waren. Dabei auch Aspekte, die im Deutschunterricht/in Deutschschulaufgaben umgesetzt werden können.

Exkurs: Ich suche grad im Internet eine Auflistung aller zugelassenen Modus21-Maßnahmen und finde sie nicht. Sehr seltsam, angesichts der Tatsache, dass ich nicht viele Schulen kenne, an denen mehrere dieser Maßnahmen umgesetzt wurden/werden. Weder das Staatsministerium weist eine eigene Seite dazu auf, noch die Seite des Bildungspakts-Bayern reagiert auf das Stichwort jenseits eines 404-Fehlers. Eine Anlage bietet schließlich die Seite des Realschulnetzes.

Zum einen gibt es die Projektschulaufgabe, die als bewertetes, mehrstündiges Projekt umgesetzt wird – dabei bleibt dem Lehrer überlassen, was er als Projekt sieht. Bei uns werden in den unteren Klassen Lektüren in Form einer solchen Schulaufgabe umgesetzt, wobei die Kollegen zusammen ein Buch aussuchen und dazu die Aufgaben erstellen. Ich kann mir aber auch Schreibportfolios darunter vorstellen.

Auch die Debatte ist als Schulaufgabenform vorgesehen. Ebenso die Präsentation.

Interessant finde ich noch – und habe ich schon ausprobiert bei kleinen Leistungsnachweisen – dass man die Schüler vor dem Schreibprozess in der Prüfung in Gruppen bestimmte Ideen und Argumente diskutieren lässt. Man schiebt also eine Gruppenarbeitsphase vor. Die Prüfung an sich schreibt dann jeder Schüler für sich.

Probleme/Weiterführende Ideen

Um Diskussionen mit Schülern zu vermeiden, ist es erforderlich, dass man sich in einer Jahrgangsstufe einigt und in allen Klassen dieselbe Form umsetzt. Bei einem meiner Alleingänge murrten die anderen Klassen, weil meine Klasse angeblich einen Vorteil besitzen würden. Dabei berücksichtigten sie natürlich nicht, dass ich meine Schulaufgabe auch anders bewertet habe als die herkömmliche Form.

Diese Form der Zusammenarbeit läuft an unserer Schule ziemlich gut, nicht nur was Deutsch angeht, sondern auch in den anderen Fächern mit schriftlichen Prüfungen. Ich erfahre aber auf Treffen mit Lehrern anderer Schulen, dass wir damit ziemlich allein stehen. Offen gesagt kenne ich nur einen Kollegen von einer anderen Schule, in dessen Fachgebiete man Schulaufgaben gemeinsam schreibt – und mit dem spiele ich Golf. Das immer wieder vorgebrachte Argument „mein Unterricht ist so individuell, da kann ich mit anderen nicht zusammen arbeiten“ finde ich angesichts von vorgegeben Lehrplänen, festgelegten Schulaufgaben/-formen und eingeführten Schulbüchern recht spaßig. Sicher, mein Unterricht ist individuell, weil ich es bin, aber eine Inhaltsangabe bereite ich in der 7. Klasse so vor, wie jeder andere auch. Egal – Andere Baustelle.

Natürlich verschiebt sich die Bewertung solcher Schulaufgaben etwas. Anfangs bewerte ich die vorbereiteten Mappen nicht – es haben vor zwei Jahren nicht mal alle Schüler etwas mitgebracht. Ich kann mir aber vorstellen, das irgendwann zu tun. Im ersten Versuch gab es übrigens einen Schüler, der nichts mitgebracht hat, dennoch aber einen guten Aufsatz ablieferte. Das widerspricht aber m.E. nicht gegen den grundsätzlichen Ansatz. Dieser Schüler verfügte über ein ausgesprochen breites Allgemeinwissen, mit dem er außerdem gut arbeiten konnte.

In meinem ersten Versuch hat sich aber insgesamt ergeben, dass die Aufsätze in der Masse inhaltlich besser waren als in den Jahren zuvor. D.h. auch das Korrigieren der Schulaufgaben war dadurch angenehmer. Mehr Ergebnisse lassen sich nicht ziehen, denn es war damals nur ein erster Versuch und die Klasse musste ich in der 10. mehr auf das Abschlussprüfungsformat hin unterrichten.

Nun aber gibt es eine zweite Auflage.

Was man dazu noch lesen kann

Zum Schreibprozess

Martin Flix: Texte schreiben – bei Google Books

Einfach, weil er – für einen Didaktiker – gut schreibt und einen guten Überblick bietet

Joachim Fritzsche: Zur Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts. Band 2: Schriftliches Arbeiten. (Der Grundlagenband 1 ist auch recht lesenswert)

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