In meinem ersten Jahr als Mitglied der Schulleitung hatte ich schnell ein schlechtes Gewissen. Durch die Tätigkeit war meine Unterrichtsstundenzahl in der Woche herabgesetzt und ich saß viel in meinem Büro, wo ich natürlich auch arbeitete. Darüber hinaus aber sagte ich immer: Heute nix gearbeitet, aber viel gequatscht.
Denn wie es so läuft: Kollegen schauen vorbei, fragen, reden usf. Man selbst läuft ins Sekretariat, fragt, redet usf. Dasselbe im Lehrerzimmer.
Und immer der Gedanke: Ich muss arbeiten, ich rede zu viel.
Bis mir mein Chef dann mal erklärte, dass dies zum Job dazu gehört. Ansprechbar zu sein für die Kollegen, Fragen zu beantworten, Vorschläge zu bestätigen, Probleme zumindestens anzuhören. Dass mir gegenüber die Kollegen dabei offener seien, war klar, denn ich kam ja selbst aus ihren Reihen.
Im zweiten Jahr meiner Tätigkeit tauchte aber ein Problem auf, denn meine Wochenstundenzahl ging hoch und damit auch der Zeitdruck. Dann wurde es zum Problem, ansprechbar zu sein. Und ich bemerkt, wie wie ich innerlich mit den Fingern auf der Tischplatte klopfte, wenn ein Kollege kam und mein Büro, wenn auch freundlich, belagerte. Denn alles, was ich quatschte, musste nach dem Unterricht nachgeholt werden.
Im Rückblick sah ich dann auch jeden meiner eigenen früheren Besuche im Chefbüro mit schlechtem Gewissen, denn ich war natürlich der Meinung gewesen, dass MEIN Anliegen wichtig und mein Auftreten kein Zeitdieb war. Und seitdem überlege ich auch jeden Gang nach oben genau und versuchte sie auf ein effizientes Maß zu reduzieren.
Jetzt bin ich im dritten Jahr – und quatsche einfach so.
Lieber Thomas,
mir fällt gerade auf: wir haben beide zur gleichen Zeit unsere Tätigkeit in Schulleitung angefangen. Bin auch im 3. Jahr.
Das Problem, oder besser, den Zustand, den du schilderst kenne ich. Es wird viel geredet. Zwei Faktoren, nenne ich diese mal so, sollen als kleine Korrektur dienen:
1. Große Pausen und die Mittagszeit dürfen bei mir ganz offizielle Talk-Zeiten sein. Da habe ich kein schlechtes Gewissen, eher schon, wenn ich es nicht mache. Hier suche ich das Gespräch mit den Kollegen. Meistens aber kommt es zu mir.
2. Ich fokussiere auf die Tages-Aufgaben, die ich in meinem iPad verschriftlicht habe, dass ich diese auf jeden Fall erledige. Wenn ich mich zuviel unterhalte wird der Tag halt länger. Da „beschleunige“ ich auch mal eine Unterhaltung. Außerdem sage ich meist recht offen, wie viel Zeit ich gerade habe.
LG Martin
Oh, das war mir auch nicht klar. Wie groß ist eure Schulleitung? Ich bin ja hier „nur“ der Dritte im Bunde.
Aber Regeln in dieser Art sind wohl wichtig. Ich muss noch lernen, zwischen dem „Quatschen als Arbeit“ zu unterscheiden (manche Gespräche sind ja Arbeit, sei es um zu delegieren, zu erläutern, Entscheidungen transparent zu machen oder auch nur aus sozialen Gründen…usw.) und den Gesprächen als Zeitdieben – bzw. muss lernen, letztere abzukürzen oder zu vermeiden, da bin ich noch zu weich. Manchmal, und wohl zu selten, mache ich die Tür zu – eigentlich müsste ich sie in manchen Stunden abschließen, was ich auch schon tat.
Wichtig war aber einzusehen, dass Quatschen eben auch Arbeit ist und notwendig und ich mir kein schlechtes Gewissen machen muss deswegen.