Das RAW-Gelände in Berlin sieht man ankommend mit S- oder U-Bahn recht schnell. Meinen Schülern habe ich gesagt: Warschauer Straße – hochgehen auf die Brücke – umschauen – man kommt nicht vorbei daran. Und man erkennt von weiten, dass es ein freies, geduldetes Gebiet für jede Art von Graffiti und Streetart ist. Es findet sich zwischen der Warschauer, der Revaler und der Gärtnerstraße.
Raw Gelände auf einer größeren Karte anzeigen
Graffiti und Co. waren für mich, offen gesagt, lange Zeit entweder Schmiererei oder Gehabe von irgendwelchen HipHp-Möchtegern-Gangstern. Erst ein Freund in Berlin brachte mich da auf andere Ideen, indem er meine Frau und mich erst durch Mitte führte, dann durch Kreuzberg, schließlich nach Friedrichshain. Auf diesen Spaziergängen zeigte und erklärte er uns die ganze Palette. Seitdem gehe ich auch durch andere Städte mit immer demselben Blick in die Hauseingänge oder um Mauern herum.
Hinzu kommt, dass mein Freund (und ich letzte Woche mal aushilfsweise), den Schülern der Klassen, die ich auf Abschlussfahrt nach Berlin begleite, eine solche Tour quasi schenkt. Er meint, dass er dies vor allem aus Eigennutz macht, damit diese Art der Kunst auch andere Menschen beeindruckt und sie diese überhaupt sehen können.
Also einen Schnellkurs für den nächsten Großstadtbesuch. Alle folgenden Bilder stammen aus Berlin, Kreuzberg, Mitte und Friedrichshain. Überwiegend vom ersten langen Gang aus dem Frühjahr 2009.
Das Tag – ein schnell hingeworfener Schriftzug, der meist den Namen oder Alias des Writers (Sprayer) darstellt.
Das Throw-Up – ein großer schnell hingeworfener Schriftzug, meist nur umrandet, manchmal gefüllt. (Im Beispiel über der Radfigur)
Das Piece – ein aufwändiger Schriftzug, der quasi die große Ausarbeitung eines Tags darstellt. Kann auch von einer Crew angefertigt sein, wenns halt sehr groß ist.
Der Character – ist eine Besonderheit, wenn sich aus einem Buchstaben (oder einfach nur so) eine gesprayte Figur ergibt.
Das Stencil – entsteht aus dem Sprayen mit Schablonen, von denen mehrere übereinander rgelegt werden können, um bestimmte Effekte zu erzeugen. hier dürfte ein Berliner Banksy fotografiert worden sein in der Nähe der Hackeschen Höfe. Darunter zwei weitere beeindruckende Stencils. Am Ende mein Lieblings-Stencil von alias, das mittlerweile auch mein Büro ziert (also als Posterfoto).
Ein Paste-Up – beschreibt ein Motiv, welches auf ein Poster gesprayt oder gedruckt wurde. Einer der bekannten Berliner Künstler, der hierfür bekannt ist, nennt sich El Bocho. Bekannt wurde er vor allem durch seine Figur Little Lucy, welche eine kleine Katze hat, die sie auf verschiedenste Weise umbringt. El Bocho hat noch mehr zu bieten, aber ich finde grad keine Fotos.
Das Cut-Out – ist eine andere Form, bei dem die abgedruckte Figur ausgeschnitten wird. Als zweites wieder ein El Bocho.
Dann noch ein paar andere Formen, z.B. der Sticker (meist bemalt oder bedrucktes Post-Etikett für Pakete) oder auch 3D-Kunst, z.B. aus Pappe oder Styropor, die Kachel (tile) oder als Ministeck.
Ganz große Formen gibt es auch. Ob man sie als Murals bezeichnen kann, wo eine ganze Mauer oder Wand benutzt wird, kann ich nicht genau sagen. Beeindruckend sind sie allemal. Der Mann, der aus den Männern besteht findet sich in Kreuzberg, wenn mich nicht alles täuscht in der Nähe der Weidendammer Brücke. Von dieser kann man auf jeden Fall den blu sehen, also den großen Mann mit den Ketten aus Uhren, wenn man in Richtung Kreuzberg schaut. Die Entstehung dieses Wand-Graffitis ist bei youtube dokumentiert.
Youtube
httpv://youtu.be/RaOn1e6sLEc
Und zum Schluss hat jeder für Streetart bekannte Stadtteil eine sogenannte Superwall. Auf dieser verewigen sich alle aktiven Künstler mit einem oder mehreren Werken. Hier auf einem Blog habe ich einen Ausschnitt der Superwall im Boxhagener Kiez in Friedrichshain gepostet.
Ich kann mir die Namen der meisten leider nicht merken und habe auch noch viel, viel mehr Bilder. Spannend wird es dann, wenn ich in anderen Großstädten umher laufe und Bekanntes entdecke – und Neues auch. Ich habe mal versucht, einige weitere Fotos in einer eigenen Foto-Galerie zu sammeln, komme aber mit dem Feintuning der Seite und der Software nicht hinterher.
Eine der ersten, die bisher Streetart wissenschaftlich oder zumindestens im Überblick dargestellt hat hat, ist Julia Reinecke. Im Anfang ein schöner Überblick, am Ende sehr soziologisch.
Eine Masterarbeit findet sich auf reclaimyourcity.net.
Bisschen was zu den Begriffen.
Als weiterführende Links empfehle ich:
http://www.reclaimyourcity.net
Hier lassen sich Werke und Streetart-Künstler der ganzen Welt in Fotos abrufen. Der Slogan „Reclaim Your City“ bezeichnet dabei die Forderung, sich die Städte zurückzuerobern. hier in dem Sinn, dass die Menschen sich nicht nur passiv den Bildern der Werbung aussetzen müssen, sondern ihre eigene Kunst in den Straßen ausstellen sollen.
Der Name spricht für sich.
Tagesaktuelle Seite um alle Formen von Urban Art in Berlin.
„Ist das Kunst, oder kann das weg?“
Ehrlich gesagt, könnte ich von der Philosophie der „Künstler“ das K…. kriegen.
Schaufensterscheiben zerkratzt mit Tags, Wohnhäuser und Sportanlagen besprüht mit Tags und eine neue, noch nicht mal fertige Brücke angemalt. Das ist keine Kunst, das ist Mist.
Leider kommt eben auf 100 kostspielige Schmierereien nur ein halbswegs erträgliches Kunstwerk.
Aber bis auf den Ekelkram mit Little Lucy sind hier schöne Fotos und gute Erklärungen.
Hm, so kontrovers können die Meinungen sein. :). Bei den vielen kleinen Möchtegern-Taggern gebe ich dir unbedingt recht. Ab dem Piece aufwärts habe ich aber tolle Dinger gesehen – und die entsprechenden Stadtteile gewinnen dadurch ungemein, mehr jedenfalls, meiner Meinung nach, als durch die x-te Touristentränke.
Ich denke auch, dass Tags einfach zum urbanen Stadtbild gehören – schade ist nur, dass Leute wie Petra nie zwischen „Möchtegern-Taggern“ und „Profis“ unterscheiden werden können, da für diese Menschen Eigentumsrechte wertvoller sind als Möglichkeiten zur freien Entfaltung…