Ich habe vor einer Woche versucht, ein Educamper zu werden auf dem Educamp 2013 in Berlin (#ecb13). Über das #LernLab hinaus habe ich es nicht wirklich geschafft.
Gereizt hat mich die Berliner Veranstaltung, weil vorgeschaltet das #LernLab organisiert wurde. Also die Durchführung von Unterricht nach Vorstellungen der digitalen/Web2.0-Lehrer genau von diesen. Die Heinrich-von-Stephan-Schule, bzw. deren Kollegium und Schulleitung hatte dies ermöglicht. Das versprach viel – und hielt auf meiner Schiene nur wenig, was nur bedingt am fehlenden Wlan lag.
Ich habe an jenem Freitag drei Doppelstunden gesehen, von denen mich eine überzeugte – diejenige von @lammatini über die Nutzung eines Backchannels im allgemeinen Unterrichtsgespräch. Das Setting war zwar, aus meiner Sicht, für die Schüler einschüchternd (6 Lehrer waren anwesend, die sich dann auch noch alle in das Gespräch einbringen wollten), aber ich denke, sowohl der inhaltliche Kern wie auch die Anwendung des Tools wurden verstanden. In den beiden anderen Doppelstunden wurde nach meiner Einschätzung an den Schülern vorbeiunterrichtet. Dies lag nicht nur am Tool, sondern daran, dass die Schüler inhaltlich/sprachlich überfordert wurden und das eingesetzte Tools keine zusätzliche Dimension oder Erkenntnis schaffen konnten. Grad aber die inhaltliche Überforderung der Schüler empfand ich als besonders schwerwiegend und hat mir innerlich Unwohlsein bereitet.
Dass in anderen Doppelstunden andere Erfahrungen gemacht wurden, ist sehr schön. Ich kann mir vorstellen, dass dort erfahrene Menschen mit iPads und Blogs gearbeitet haben, so dass über das Tools hinaus gelernt werden konnte. Da ich aus Höflichkeit und entsprechend des Wunsches des Schulleiters nicht den Raum wechseln wollte, habe ich also nur meine sehr durchwachsenen Erlebnisse.
Die Erfahrung aber in diese Schule reingeschnuppert zu haben, ohne den Anspruch zu äußern, nun wirklich etwas vom Alltag und der pädagogischen Arbeit dort zu kennen, wirkt bei mir nach. Der Schulleiter Großpietsch hat in seiner Berliner Art Eindruck auf mich gemacht, weil er bei allen Hindernissen der Schulpolitik und -verwaltung die Schule reformerisch voranbringt. Schon die Tatsache, dass es keinen Schulgong gibt, hat mich den ganzen Tag verfolgt und gezeigt, dass diese einfache Änderung Entspannung in den Schulalltag bringen kann. (Großpietsch am Morgen: „Die Schüler haben doch alle Uhren. Die wissen, wann es weitergeht.“) Und dass Reformpädagogik nicht gleichzeitig „Kuschelpädagagogik“ bedeutet, zeigten die Lehrer im Umgang mit den Schülern – im besten Sinn den Menschen annehmend und gleichzeitig fordernd. Hier könnte ich lernen.
Viele Twitter-/Blogger-Äußerungen sprechen davon, dass die Schülerschaft der Heinrich-von-Stephan-Schule so außerordentlich war. Ich möchte das einschränken. Auch ich habe sie als offen kennengelernt (vor allem in den Bankgesprächen während der nicht so spannenden Stunden) und sehr freundlich. Dennoch will ich hinzufügen: So wie meine Schüler. Mich hat also nicht im Kern gewundert, dass sie so höflich waren, sondern dass sie so höflich waren wie meine. Denn ich muss zugeben, dass ich beim Stichwort Moabit an Brennpunktschule dachte. Ich bin in einer ähnlichen Gegend in Hamburg aufgewachsen und habe in Nürnberg 10 Jahre in der Südstadt/Gostenhof gewohnt, d.h. ich bin mit entsprechenden Vorurteilen nach Moabit gefahren. Und keine davon wurden bestätigt. Die Schülergespräche auf den Gängen drehten sich um die Themen meiner Schüler. Die Sprache dabei war dieselbe. Die Schüler vor mir waren neugierig, woher ich komme und was ich unterrichte. Alles wie Schule eben. Und deswegen habe ich auch Schüler erlebt, die eben nicht so höflich waren – sich z.B. lustig machten über einen Mitschüler, der klüger war als sie und sich deswegen nicht neben ihn setzen wollten. Und Schüler, die zu Wikipedia surfen sollten und seltsamerweise auf der Seite von Fenerbace Istanbul landeten. Alles wie Schule eben.
Alles in allem war der erste Tag des Educamps also erfahrungsreich, aber durchwachsen. Den zweiten Tag, gleichzeitig der erste Tag des #ecb13, habe ich nur bis zum ersten Viertel erlebt und bin dann abgereist – ich hatte ziemlich deutlich das Gefühl zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein. Vielleicht probiere ich es in Frankfurt noch einmal. Das wird günstiger liegen am Anfang der Osterferien hier in Bayern.
BTW.: Ich bringe meinen Schülern übrigens bei, dass es keine Schande ist, Vorurteile zu haben – sondern nur, zu ignorieren, dass es welche sind und sie nicht ändern zu wollen.