Gelesen: Herrndorf. Bilder deiner großen Liebe.

Ein krasser Roman im eigentlichen Sinn. Alles, was es über ihn zu berichten gibt, steht ja schon zum Nachlesen bereit.

Und:

Die Literatur hat einen neuen ersten geilen Satz.

„Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.“

Und einen Erzähltyp, der mich mit sich gezogen hat (ich habe in einem Zug gelesen, auf dem Sofa liegend, an dem heutigen sonnigen Sonntag, hinter heruntergelassenen Jalousien – nun gut, sonnige Sonntage sind eh nicht so meins), bei dem man nicht wusste, was als nächstes kommt, zu keiner Zeit und der schon so allein atemlos machte. Ein Roman, bei dem das Krasse neben dem anderen (Schönen?) steht. Eine Erzählerin, die scheinbar die Hälfte der Zeit im Delirium spricht, träumt und diese Träume noch modelliert, Tagebuch schreibt, erzählt und mittendrin mit kurzen Nebensätzen weit über sich und den Roman hinausweist.

„Kennst du überhaupt Schriftsteller?“

„Keinen aus der Gegenwart. Nur Klassiker. Ich les nur Klassiker.“

„Ah, die junge Dame hat Geschmack und ist gebildet. Und wen kennen wir da so?

„Alle.“

„Alle. Und wer ist da der Beste? Der Superpromi? Der sexyste Superstar des siebzehnten, achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts?“

„Karl. Philipp. Moritz.“

Ob man das Fragmentarische durch den Hintergrund des Romans erklären lässt oder ob es nicht viel mehr genialisches Erzählprinzip, Charakter und Grundlage ist, sei dahingestellt.

Und ja, Tschick und Maik kommen auch drin vor. Als eine „Fortsetzung“ von Tschick sehe ich es aber nicht. Vielmehr eine von den vielen Geschichten, die in Tschick nicht erzählt wurden und die irgendwie fehlen. So wie Herrndorf weiter fehlen wird.

Gelesen: Schuljahr – Der ganz normale Wahnsinn. Erlebnisse eines Schulleiters.

Ulrich Knoll: Schuljahr.

Normal lese ich solche Bücher nicht oder nur ungern. Im Kern nicht mehr als eine Anekdotensammlung, literarisch/erzählerisch wenig anspruchsvoll und, naja, über meinen Beruf brauche ich keine Satire zu lesen – das habe ich täglich, und das ist nicht übertrieben und ohne Lachen gesagt.

Ich habe es dennoch gelesen, als E-Book, weil es natürlich pikant war aus verschiedenen Gründen:

  • der Autor war Schulleiter einer Realschule, die hier in der Nähe liegt
  • einige Kollegen, die beschrieben werden (und nur sehr unzureichend namentlich unkenntlich gemacht), kenne ich persönlich

Knoll unterteilt sein Buch nach den verschiedenen Phasen des Schuljahres, z.B. die Anfangswochen, bis Weihnachten, bis zum Zwischenzeugnis usw. Dabei tauchen verschiedene Lehrerrollentypen auf, die sicherlich so an jeder Schule existieren.

  • diejenigen, die noch vor Beginn der Unterrichtszeit auftauchen und bei den Stundenplanmachern herumlungern, um den Machern einige Vorteile im Plan herauszuholen und vor allem ihnen die Zeit zu stehlen
  • diejenigen, die immer jammern und der Meinung sind, dass auf ihren schultern alles ruht und sie alles zu stemmen haben, obwohl sie doch so angeschlagen sind
  • die eifrigen, die faulen, die unfähigen Lehrer

Kenn ich alles. Spannend ist es also nicht wirklich. Ich hatte gedacht/gehofft/gefürchtet, dass das Buch böse würde, aber das war es nicht. Dennoch grundsätzlich kathartisch. Ich habe heute in einer zehnten Klasse die Frage durchdenken lassen, warum wir (Menschen) überhaupt Geschichten erzählen und, noch viel wichtiger, Geschichten lesen, die andere erzählen. Und natürlich war einer der Punkte, dass es entlastet, und zwar das Schreiben und das Lesen. Entsprechend sehe ich die Lektüre. Neben dem schon beschriebenen Voyeurismus.

Ich vermute allerdings, dass viele Geschichten des Buches über die bayerischen Grenzen hinaus nicht nachvollziehbar sind, weil einige der krassesten Anekdoten eben gebunden sind an die Hauptpersonen und an ihren Charakter, abhängig von der hiesigen Schulhierarchie. Da mag man in Niedersachsen nicht ganz den Witz erkennen.

Apropos Witz. Ein (mittlerweile pensionierter) Amtsinhaber einer mir vorgesetzten, mittleren Schulbehörde der Realschule hat schon mal Einzug gehalten in die Literaturgeschichte, angeblich, und zwar als Dietmar Lodenbacher in den Allgäuer Kluftinger-Krimis (Einer der Autoren war selbst Realschullehrer in Bayern). Sein realer Nachfolger taucht in diesem Buch hier auf.

Angesichts einiger, dieser Umstände im Buch, so dachte ich bei mir, muss ich wohl bis zu meiner Pensionierung warten, bis ich nicht mehr wegen meiner unbedeutenden, begrenzten Meinungsäußerungen hier im Blog vor Vorgesetzte zitiert werde, weil oberschlaue Hochgebildete kein Problem darin sehen, über den Dienstweg unpassende Meinungen beiseite zu schaffen, die ihrem Selbstbild nicht entsprechen. Dann also offensichtlich ist alles möglich.

Jenseits von allem also immer Hoffnung.

Gelesen: Henry David Thoreau. Das reine Leben, Knesebeck-Verlag (Graphic Novel)

FotoAuslage im Literaturcafé in Nürnberg, wo wir ab und an zum Frühstücken gehen. Hier stehen nicht nur Zeitungen zur Auswahl, sondern auch Bücher. Während des Frühstücks gelesen.

Nach „Freud“ ist dies die zweite Graphic Novel, die ich aus dem Knesebeck Verlag in die Hand genommen habe und auch die gefällt mir ausnehmend gut. Das Thema hier ist vielleicht etwas weniger komplex als Freud, dadurch die Bilder aber etwas lebendiger/unmittelbarer/erzählhafter.

Ich frage mich, ob eine Graphic Novel, die eher Geistesgeschichte darstellen will, nachvollziehbarer ist, wenn man die zugrundeliegenden Zusammenhänge schon kennt – oder ob man daraus auch lernen, bzw. diese zumindestens als Einstieg für eine Vertiefung hernehmen kann.

Jedenfalls wird wohl aus dem Knesebeck-Verlag als nächstes eine der Kafka Novels auf meiner Liste stehen.

Späte Antwort: Buchhändler des Vertrauens

Timo Off schrieb schon im Oktober einen Blogpost, der mir seitdem auch im Kopf umherschwirrte. Hat etwas gedauert die Antwort, aber an so einem verregneten Feiertag geht das dann auch. Hanjo Iwanowitsch hat schon längst darauf geantwortet. Herr Rau auch.

Mit blieb das vor allem deshalb so lang im Hinterkopf, weil ich kurz nach Erscheinen des Posts nach Köln fuhr, genauer nach Refrath, vor den Toren Kölns, um meine Tante zu besuchen, die wiederum von meiner Mutter besucht wurde. Da meine Mutter eigentlich bei Bremen wohnt, ist das immer ein gutes Wegstrecke weniger für mich. Außerdem ist Bergisch Gladbach (Refrath gehört dazu, wie auch Bensberg, wo ich mein Abi machte) der Ort, wo ich die Jahre zwischen 14 und 20 verbrachte (1984-1990), die Jahre zwischen Hamburg und Franken sozusagen.

Gleichzeitig die Jahre, die mich literarisch prägten. Also auch die ersten Jahre mit den BuchhänderInnen.

Die ersten Bücher, an die ich mich erinnere, holte ich allerdings in einer Leihbücherei, die eine Zweigstelle nur eine Querstraße entfernt von unserer Wohnung hatte. Eine Barracke aus schwarzem Holz, Wände und Boden. Wenn man dort zwischen den Regalen entlang ging, neigten sich diese zur Mitte hin, also zu dem, der da durchging – das war schon etwas gruslig. Ich weiß noch, dass ich irgendwann anfing, Bücher nach ihrem Titel auszuwählen und zu lesen. An zwei aus dieser Zeit erinnere ich mich noch: „Der Steppenwolf“ von Hesse und ein Sachbuch (Tiefenpsychologie) mit dem Titel „Grundformen der Angst“ von Fritz Riemann. Irgendwann wurde diese Barracke abgerissen und die Bibliothek zog um an den Anfang der Fußgängerzone, wo ich dann nicht mehr so oft hingegangen bin.

In Bensberg gab es damals zwei Buchläden: den „Funk“, der aber eher für Schulbücher zuständig war, und die Schlossbuchhandlung. Letztere war interessanter, weil irgendwie die Auswahl der Auslagen spannender war. Heute, habe ich gesehen, existiert die Schlossbuchhandlung nicht mehr – nicht einmal der Laden ist neu vermietet. Und der „Funk“ ist in die fast ausgestorbene Fußgängerzone gezogen.

Mit dem Ende der Schulzeit las ich mehr und mehr und da ich „verdiente“ (BaföG und so), kaufte ich auch mehr und mehr Bücher. Da ich der einzige in meinem Umkreis war, der viel las, bekam ich wenig Tipps, sondern suchte weiterhin nach drei Methoden aus:

1. Spannenden Titeln

2. Erwähnungen von Titeln in Büchern, die ich las

3. Dem Buchhändler schildern, was ich lesen will und dann seinen Tipps vertrauen

Mit dem Plan 3 hatte ich in der Schlossbuchhandlung gute Erfolge. In die Schlossbuchhanldung bin ich mal rein und habe der Buchhändlerin genau beschrieben, was für eine Art Liebesroman ich lesen möchte. Herausgekommen bin ich mit Kunderas „Die Unterträgliche Leichtigkeits des Seins“ und „Drachenblut“ von Christoph Hein.

Während des Zivildienstes in Köln lief ich regelmäßig eine andere Buchhandlung an, deren Name ich nicht mehr weiß. Ich weiß nur, dass ich mal tagelang an deren Auslage entlanggelaufen bin, um ein Buch zu umschleichen, dessen Klappentext und Titel mir nachgingen: „Das Buch der Unruhe“ von Fernando Pessoa. Ein Buch, was mich nach Kauf und Lese lang begleitet hat.

Dort, wo sich die Auslage befand, sieht es heute so aus.

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Während des Studiums in Würzburg war ein regelmäßiger Anlaufpunkt der Buchladen „Neuer Weg„. Ein Laden, in dem man immer Geld ausgeben konnte. Der prall gefüllt war mit Lesestoff. Hinzu kam ein Antiquariat mit verbilligten Büchern und Remittenden. Meine Lieblings-Remittende war „Der Schüler Gerber „von Friedrich Torberg.

Den „Neuen Weg“ gibts heute noch.

Eine Randnotiz: In den 90er Jahren entstanden Gerüchte um den „Neuen Weg“, dass er zu einer Sekte gehöre. In Würzburg liegt bis heute der Sitz des „Universellen Lebens“, daher glaubte man, dass hier Verbindungen existierten. Die Begründungen für diese Vermutung waren u.a.

1. Der Name.

2. O-Ton: „Die Leute da sind immer so unglaublich nett und lächeln so viel“ (Jeder, der Würzburg kennt, kann das einordnen)

Zwei Buchhändler kommen noch.

Zum einen die Buchhandlung Dienstbier in Lauf, wo ich wohne. Hier werde ich mit Namen begrüßt. Hier arbeitet ein ehemaliger Schüler von mir (So stolz!). Und Herr Dienstbier und seine KollegInnen besorgen mir alles, was ich brauche, vor allem Lektüren, unglaublich schnell und zuverlässig.

Zum anderen habe ich jetzt wieder eine Buchhandlung gefunden, in die ich reingehen kann, über meine (und ihre/seine) Vorlieben mit den Inhabern quatsche und dann mit einem kleinen Stapel Bücher rauskomme: Uslar &Rai,  Einziger Nachteil: Sie ist in Berlin, auf der Schönhauser Allee, U-Bahn Eberswalder Straße.

Ich war am Laden eigentlich schon fast vorbei, als mein Blick an einer Postkarte mit einem Gedicht von Thomas Brasch hängen blieb . Und mein Rückschluss war: Wo solche Postkarten hängen, gibt es auch gute Bücher und nette Buchhändler. Und ich hatte recht. Schade, dass er so weit weg ist. Aber auch wiederum ein weiterer Grund, regelmäßig nach Berlin zu fahren.

Mitgenommen habe ich von James Salter „Alles, was ist“ und „Freud“ als Graphic Novel. Außerdem die Empfehlung  für „Kapital“ von John Lanchester, den ich mir noch für die Sommerferien bereitgelegt habe.

Als Anhang das Gedicht, gelesen vom Autor.

httpv://www.youtube.com/watch?v=6jIUDU8Lh8g

gelesen: Bunker Diary.

Als Ebook. Von: Kevin Brooks.
Wird in der Ankündigung in eine Reihe gestellt mit Nichts von Janne Teller. Daher habe ich es angefangen zu lesen.
Beginnt im Ansatz ein wenig wie Herr der Fliegen, entwickelt sich aber übler. Angeblich würden Buchhändler empfehlen, die letzten Seiten im Hellen und nicht allein zu lesen.
Interessante Erzählerperspektive, starke Kost für Schüler.