Das Problem der Evaluation – Handys im Unterricht II

Ich mache ja in der Schule manchmal Sachen einfach so – weil ich grad Lust drauf habe. Und denk dann erst später drüber nach, was das jetzt pädagogisch, didaktisch oder generell so für einen Sinn haben kann. Manchmal stimmt das dann zufällig überein mit den Sachen, die so in den Büchern stehen, an der Uni gelehrt oder auch in Twitter diskutiert werden.

Aber es bleibt immer ein seltsames Gefühl.

Jedenfalls bin ich heute in meiner Deutschstunde 5. Klasse mit der Frage eingestiegen, was denn die Kinder alles über Sätze schon gelernt haben. Das habe ich dann an die Tafel geschrieben und bin mit ihnen ein paar Übungen im Buch durchgegangen, um Haupt- und Nebensätze zu klären.

Am Ende der Stunde wurde es dann wieder hektisch und eigentlich habe ich ja gewollt, dass sie das noch von der Tafel abschreiben. Nunja, ich dachte mir dann: Das haben die schneller fotografiert als abgeschrieben.

Das Ergebnis war natürlich ein großes Hallo, weil bei uns in Bayern ja „digitale Speichermedien strengstens verboten sind in der Schule“ (vlg. dazu ein Blogpost bei Herrn Rau). Aber mit großem Johlen und Freude fotografierten einige, die ihre Handys dabei hatten, das TB ab. Die anderen bekommen morgen von mir eine Kopie.

Macht das Sinn?

Ich bin und war lange Jahre der Meinung, dass das Abschreiben schon ein Lernschritt ist. Dass es also absolut notwendig ist, wenn alles von der Tafel abgeschrieben wird und generell die Schüler viel in ihre Hefte schreiben sollen. Guter Lehrer = volle Hefte = viel gelernt.

Aber einen Beweis für diese Theorie habe ich eigentlich nicht. Der Gedanke, dass durch das Schreiben mehr behalten wird, klingt erstmal super einsichtig. Wenn ich bedenke, dass die Schüler das den ganzen Vormittag 6x machen, überkommen mich aber Zweifel.

Außerdem finde ich auch, dass es viele Tafelanschriebe gibt, die keinen Lerncharakter haben, sondern eher Dokumentationen sind oder ähnlich einer Notiz oder aber wie heute eben einfach nur eine Rekapitulation darstellen. Heißt also, eine Kopie würde reichen.

Würde man das Lernen wieder verstärken, wenn die Schüler zuhause das TB abschreiben müssten? Ich muss sagen, dass ich das für ganz schön abwegig halte, denn das wäre doppelte Arbeit. Und ich will nicht, dass sie hirnlose Dinge tun.

Unterm Strich also finde ich das Fotografieren von Tafelbildern sinnvoll, denn es ist eine sinnvolle Art sein Handy als Dokumentationsinstrument zu benutzen. Außerdem spart es der Schule Kopien und mir eben manchmal Zeit im Unterricht.

Wirklich?

Bei diesem Beispiel geht es jetzt nicht unbedingt um eine didaktisch oder medienpädagogische Neuerung, die in meinen Unterricht einführen will. Dennoch ging mir wieder die Frage durch den Kopf, wie ich den Lerneffekt überhaupt messen und bewerten kann. Und ob ich überhaupt die Möglichkeiten besitze, geschweige die Fähigkeit, eine Evaluation über die Wirksamkeit meines Unterrichtens gesicherte Aussagen zu treffen.

Ich selbst z.B. habe nie Probleme mit der Rechtschreibung gehabt und kann mich aber nicht erinnern, dass mir das jemand bewusst beigebracht hat. Also kann niemand sagen: „Hej, dem kubiwahn habe ich aber sauber das Rechtschreiben gelehrt.“ Und ebenso kann ich es bei vielen Dingen auch nicht.

Ich führe Projektschulaufgaben durch, lasse Portfolios erarbeiten, mache Lernzirkel, Freiarbeit, Diskussionen, Präsentationen usw. Ja sicher, neben anderen „normalen“ Sachen. Wird der Unterricht dadurch besser?

Man könnte meinen, dass ich es an den Noten festmachen kann – aber die Noten gebe ja ich.

Man könnte meinen, dass ich es an dem Spaß festmache, den die Beteiligten haben – naja.

Man könnte meinen, dass das Abschneiden in den entsprechenden Testverfahren eine Maßgabe wäre – das glaube ich nun auch nicht, denn die Testverfahren decken kaum meinen gesamten Unterricht ab.

Ich freue mich, wenn Schüler wirklich gute Noten in der Abschlussprüfung schreiben.

Aber oft frage ich mich: „Was habe ich damit zu tun?“ Wenn es so wäre, müssten doch alle gute Noten schreiben.

Und umgekehrt frage ich mich heute: Haben sie jetzt nicht zu wenig gelernt? Ist das nicht zu bequem gewesen? Hätten sie nicht mehr gelernt, wenn sie es abgeschrieben hätten?

Deutsch – schnell gemacht 5: Interpretation von Kurzgeschichten mit dem Handy

Eine einfache Idee.

Das Bauen von Standbildern oder kurze Szenen zur Unterstützung der Interpretation von literarischen Texten mache ich recht gern, aber viel zu selten. Ich entschuldige mich dann mit allem Möglichen, z.B. dass die Klasse nicht bereit ist dafür oder oder oder. Meist bin ich nur feige.

Ich habe gemerkt, dass immer Bauchschmerzen darüber bleiben, ob die Schüler jetzt wirklich genau so viel „begriffen haben“ wie in einer herkömmlichen Interpretation. Und daher schiebt man schnell noch „richtige Interpretation“ hinterher.

Dumm. Weil

  • das Szenische Interpretieren oder auch der kreative Umgang mit Literatur damit eindeutig in die Schmuddelecke der Spielerei gesteckt wird
  • eine Doppelung entsteht, denn der Schüler durchläuft ja hier im Standbildbauen dieselben Arbeitsschritte wie beim schriftlichen Interpretieren
  • der geschätzte Prozentsatz der Schüler, die mit dem einen nichts anfangen können, mit dem anderen auch nicht „mehr begreifen“oder weniger
  • der durchschnittliche Realschüler, den ich unterrichte, mit der schriftlichen Interpretation in seiner Zukunft nicht viel anfangen kann – die Einfühlung in Charaktere oder literarische Figuren ihm aber deutlich mehr bringt.

Es kann nun an meinem fortgeschrittenem Alter liegen, dass mich die Meinung anderer nicht kümmert oder ich dem Lehrplan gegenüber entspannter bin (als ob das je anders war), aber ich überwinde mich in letzter Zeit immer mal wieder und lasse die SchülerInnen spielen.

Heute war es der Fall im Rahmen der Behandlung der Kurzgeschichte „Die Tochter“ von Peter Bichsel in einer zehnten Klasse. Es gab folgende verschiedene Aufgaben:

Geht in 3er Gruppe zusammen (die Gruppen zogen eine der folgenden Aufgaben)

  1. Baut ein Standbild, in dem eine Szene der Geschichte dargestellt wird.
  2. Entwickelt eine kurze Szene (1Minute) ohne Text, in der eine Szene der Geschichte dargestellt wird.
  3. Entwickelt eine kurze Szene (1 Minute) mit Text, in der eine Szene der Geschichte dargestellt wird.

Haltet eure Ergebnisse (Foto oder Film) mit dem Handy fest und gebt mir diese morgen auf CD, USB-Stick oder SD-Card.

Warum ist diese Aufgabenstellung nun gleichwertig zu einer herkömmlichen schriftlichen Interpretation?

Weil, wie oben schon gesagt, die Schüler zur Lösung ihrer Aufgabe

  • den Inhalt des Textes erfasst,
  • die Charaktere verstanden,
  • die Beziehungen geklärt haben müssen.

Ich gebe den SchülerInnen der Klasse die Möglichkeit sich auf dem gesamten Schulgelände ein Plätzchen für ihre Arbeit zu suchen. Dies klappt in der Regel. bisher immer. Letztes Jahr haben sie Szenen aus einer Buchverfilmung nachstellen müssen, die Fotos wurden dann in Facebook in der Klassengruppe eingestellt und dort von den Schülern bewertet (was diese noch sehr zögerlich getan haben). Das heißt, sie kennen das schon.

Die Ergebnisse zur Bichsel-Geschichte präsentiere ich morgen über Beamer und dann schauen wir, wie gut die Szenen getroffen wurden, bzw. wie „gut“ die Geschichte „interpretiert“ wurde. Leider kann ich hier aus nachvollziehbaren Gründen keine Ergebnisse einstellen.

Warum eigentlich das Handy?

Eigentlich nur aus einem einfachen Grund, oder zweien. Einmal fand ich es immer sehr schade, dass diese Handlungsprodukte so flüchtig waren – das Foto kann hier leicht Abhilfe schaffen. Außerdem ist das Reden über diese Ergebnisse oftmals schwierig, wenn es nur aus dem Gedächtnis heraus geschieht. Schließlich, wenn ich es mal mit Didaktik versuchen darf, vertieft es meiner Meinung nach die Arbeit durch den Umstand, dass die Schüler durch Nutzung der Kamera viel stärker in die Rollen des Beobachters und Beobachteten geraten – und dadurch tiefer reflektieren – nunja, ist nur ein Versuch, ganz ohne Bezug zu schlauen Theorien.

Edit: Eine erste Reflexion ergibt, dass ich in Zukunft in der Aufgabenstellung auf jeden Fall ändern muss. Es fehlte der Zusatz: Komme mit ein oder zwei Requisiten aus. Das Problem war nämlich, dass mich die Sekretärin nach der Stunde ansprach und scherzhaft meinte, dass mein Unterricht sie von der Arbeit abgehalten habe. Es kamen nämlich alle möglichen Schüler und brauchten Schürzen o.ä. Andere wiederum hatten sich vom Musiklehrer einen Plattenspieler ausgeliehen – und ich frage mich, ob sie in seinen Unterricht gegangen sind. Da muss ich mal nachfragen. Morgen. Beschwert hat sich noch keiner.