#wasmachteigentlichderchef 2021-10-28-29

Donnerstag: U-Bahn. Morgens sehr müde. Freitag: Fahrrad. Kühl, gemerkt, dass ich meine Mützen noch im Keller suchen muss. Mittags geht Müdigkeit langsam in Erschöpfung über. Fahrradfahren tut sehr gut, auch wenn die Strecke so sehr viel kürzer geworden ist. Nachmittags ins Bett und damit ins Koma gefallen.

Westpark, morgens, vom Fahrrad aus.

Westpark nachmittags, vom Fahrrad aus


Erledigte Aufgaben

  • Unterricht in Klasse 10, an beiden Tagen, Sozialkunde
  • Besprechung nachmittags mit GanztagsklassenleiterInnen
  • ASV, US-finale Erklärung der Abgabe
  • verschiedene Vertragsangelegenheiten für Lehrkräfte
  • Beurteilungen weiter vorangetrieben
  • Verschiedene Gespräche mit KollegInnen
  • Disziplinarmaßnahme weiter bearbeitet
  • Unterrichtsbesuch
  • Schulleitungsbesprechung

Beobachtungen:

Das geringere Problem wird weiterhin bleiben, dass „Lücken“ im Stoff entstanden sind bei den SchülerInnen. Vielmehr gibt es zwei Problembereiche, die immer deutlicher durchschlagen. Zum einen beobachten wir, dass das Durchhaltevermögen im Unterricht und die Anstrengungsbereitschaft (damit auch dem Lernen) abgenommen hat. Zum anderen ist bei vielen die Frustrationsgrenze gesunken, was vermehrt zu Konflikten und Auseinandersetzungen führt. Und das alles mehr als wir (als Stadtschule) es ohnehin aus den letzten Jahren kennen.

Hinzu kommt die Phase der Erkrankungen, die auch auf die Lehrkräfte übergreift. Und wenn ich allein von mir ausgehe, habe ich vor den Herbstferien schon einen inneren Zustand erreicht, den ich sonst nur von den Tagen vor den Weihnachtsferien kenne. Und wenn ich mich umhöre, geht es anderen auch so.


Gründe es zu bereuen, sich als Schulleiter beworben zu haben 03/10: Deine Chefs sind Politiker

Gleich vornweg das, was mir am meisten den Tag vermiest: Wenn eine neue Ankündigung (bevorzugt über Pressekonferenz) kommt, Bildung und Schule betreffend, und diese begleitet wird von ministeriellen Kindheitserinnerungen an Schule. Mit Verlaub und allem notwendigen Respekt: Aber die ländlichen Erinnerungen an Schule eines recht alten Mannes sollten zu keinem Zeitpunkt bildungspolitische Entscheidungen im Jahre 2021 begründen.

Gleich danach folgt der Koalitionspartner, den einige in meinem Bereich gern den „Hubsi“ nennen, der, nur als Beispiel, ungeachtet aller Themen, die grad besprochen wurden, sachgerecht immer dasselbe ruft: „Öffnen!!!11eins“. Und aus persönlicher oder genossenschaftlicher und lobbyistischer Überzeugung dann das konterkariert, was er grad am Tisch selbst mitgesprochen und mitentschieden hat. Und sich dabei nicht sehr viel weiter überlegt, wie seine „Meinung“ dann als Waffe in Gesprächen geführt wird, die wir zu führen haben.

Und schließlich überhaupt das Übel der Pressekonferenzen: Verkündigung der neuen Marschrichtung, weil gerade eben besprochen und beschlossen. Das bedeutet gleichzeitig für mich: Warten darauf, dass die Beschlüsse durch die Staatsregierungsverwaltung hin zum Kultusministerium hin zu den Fachreferaten hin zu den Abteilungen hinzu den Schulen kommen. Und in dieser Zeit Fragen bekommen, Gespräche führen, orakeln und vorbereiten auf etwas, was man noch nicht kennt. Letztlich dann, und das empfinde ich als besonders übel: In Kamera und Mikrofon darüber abfeixen, dass Schulleitungen so sehr angestrengt und bemüht darum sind, KMSe, die aus München kommen, zu interpretieren und umzusetzen. Klang für mich wie, jemandem einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, um sich dann darüber lustig zu machen, wie man versucht sich an diesem Knüppel wieder aufzurichten.

Das bayerische Schulsystem ist sehr stabil die letzten Jahrzehnte. Die einen behaupten, es liegt daran, dass es so gut ist, andere sehen hier eher eine Ursache in den stabilen Wahlergebnisse. Das schätze ich ehrlich – also die Stabilität des Systems, weniger der Wahlergebnisse. Ich mag auch das Konzept der bayerischen Realschule und der Vielgliedrigkeit. Kann mir aber schon ab und an vorstellen, dass es besser ginge.

Diese Stabilität ist aber hierzulande eine gute Grundlage für schulische Arbeit. Und ja, ich begreife, dass mit der Pandemie viele Probleme auftauchten, die man nun nicht mit althergebrachten Lösungen bedienen kann. Und ich bin geduldig. Und die Kollegen schaffen, was das Zeug hält. Kein „Aber“.

Jedoch zeigt sich, dass politische Agenda und schulische Notwendigkeit sich recht oft nicht parallel bewegen.

Sehr schön finde ich es letztlich, aber wenn ich merke, dass die Staatsregierung auf mich hört und nun über die Wiedereinführung der Maskenpflicht nachdenkt. Als ich vor einer Woche die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Unterricht und auf dem gesamten Gebäude anordnete aufgrund rasant steigender Inzidenzen, handelte ich gegen Anordnungen des KM von Anfang Oktober. Ich habe in der Zwischenzeit erfahren, dass es andere Schulleiter schon vor mir getan haben. Und ich bin sicherlich weit davon entfernt, mich als Rebell zu fühlen. Ich bin manchmal einfach müde oft bin ich es auch leid.


Mir geht es aber grad gut. Ehrlich.

Westpark. Fahrrad. Heimweg. Ferien-Gesichtsausdruck.

#wasmachteigentlichderchef 2021-10-27

Auto, weil ich ein Paket zur Schule bestellt hatte, das ich nach Hause transportieren musste.

Auf dem Wagen befindet sich mein Paket.

—-

Erledigte Aufgaben:

  • Emails, Telefonate
  • Gespräch mit Kollegin über den Ganztag, gute Ideen ausgetauscht
  • Zaunbegehung am Schulgelände: Es ging um eine vor Ort Besprechung über die Situation rund um das Schulgelände, Erörterung, ob ein Zaun Abhilfe schafft, wies um Sauberkeit steht, um Vandalismus, etc.
  • Besprechung Konfliktfall in Schulklasse
  • Unterricht Sozialkunde vorbereitet, den Unterricht dann nicht halten können wegen Besprechung Konfliktfall
  • ASV Nacharbeit und Besprechung SL
  • Verträge unterschreiben lassen
  • Abends dann noch: Informationsabend an Grundschule zum Übertritt an die Realschule (und Mittelschule, Gymnasium)

—-

Gründe es zu bereuen, sich als Schulleiter beworben zu haben 4/10: Die Aura der Allwissenheit, die Corona der Macht

Die lustige Seite: Ich betrete das Lehrerzimmer, sehe eine Gruppe von LehrerInnen beisammen stehen, sie drehen sich zu mir – und ich weiß, was kommt: Ah, da kommt der Chef, DER weiß das.

Meine Antwort in der Regel: Ja, die Allwissenheit ist in mich gefahren in dem Moment, in dem ich die Urkunde überreicht bekommen habe.

Die andere Seite: „MAN“ will nur mit mir sprechen. Kompetente LehrerInnen: egal, Kompetenter Sozialpädagoge: Egal, Kompetente Schulleitungsmitglieder: Egal. Dutzende Gespräche vorweg, ganze Arbeitsgruppen haben sich schon abgearbeitet: Egal, ICH WILL MIT DEM SCHULLEITER REDEN.

Warum ein Grund? Weil Überbewertung meiner Person und meiner Fähigkeiten.

—-

Nachspaziergang. Mein Lieblingsfenster in der Nähe meiner Wohnung.

#wasmachteigentlichderchef 2021-10-25-26

U-Bahn, weil Bock drauf, weil eiskalt draußen.

Auf dem Weg zur U-Bahn.


Erledigte Aufgaben:

  • Beurteilungsliste fortgesetzt
  • eine Beurteilung neu bearbeitet und ausgedruckt
  • Zwischenbeurteilungen aufgesetzt, drei
  • Unterrichtsbesuche terminiert
  • Telefonate: FOS, KM, Schulaufsicht, Kollegin, Schulleiterkollege
  • bisschen Infektionsschutz organisiert (übernimmt normal sehr tatkräftig der Stellvertreter, aber auch der muss mal unterrichten)
  • einige Kollegengespräche
  • Anhörung zur Disziplinarmaßnahme formuliert
  • zwei Dutzend Emails
  • Unterricht Sozialkunde
  • Personalratsgespräch

Gründe zu bereuen, sich als Schulleiter beworben zu haben 05/10: Die Geschichten dahinter

Meine beste Methode, um Schüler zu paralysieren ist es, wenn ich um seinen Namen bitte und dann nachdenklich meint: „Aha, Müller, der Name ging irgendwie neulich über meinen Schreibtisch, kannst du mir sagen, warum?“

Die wahre Seite daran: Ich kenne viel mehr Namen von SchülerInnen als die Menschen dazu. Und ich kenne viel mehr Geschichten hinter den Namen. Ich weiß um Familienverhältnisse, Krankheiten, Klinikaufenthalte, Psychiatrien, Polizei, Gefängnis, Unfälle, Verzweiflung, Ignoranz, Hilflosigkeit usw. Wenn Schüler bei mir landen, gibt es (fast) immer eine Geschichte aus diesem Rahmen. Und dazu noch die Geschichten aus dem Kollegium.

Ja, natürlich FAST IMMER. Es gibt, die mir ab und an den Blutdruck messen und dann ganz einfache Geschichten erzählen. Oder die drei, die darum gebeten haben, dass ich wieder erlaube, dass Bälle in der Pause ausgegeben werden und ich mich kurz mit ihnen unterhalte (ich musst es verbieten, weil die Bälle zu oft dort landeten, wo sie nicht hin sollten, z.B. an mein Fenster.

Oder Magnus, dessen Mutter, wie er erzählte, da arbeitet, wo Menschen Arbeit gegeben wird, die arm sind und auf der Straße leben – so erklärte er – und seine Mutter hat eine Kollegin, die mal meine Schülerin war. Auf die Frage, wie alt sie sei: Ganz alt. Und dann sind wir runter in die Umkleidekabinen der Sporthalle und haben seine Pokemon-Karten gesucht, die ihm irgendwer abgenommen hat. Leider haben wir nur wenige gefunden (ich später noch zwei auf dem Weg zur U-Bahn.)

Jetzt muss ich mir den anderen, der die Karten genommen hat, morgen noch vorknöpfen.

#wasmachteigentlichderchef 2021-10-21-22

U-Bahn und Auto. Weil Wetter und am Freitag Personalausflug, zu dem ich nach der Schule gleich aufbreche.


Es gibt Tage, an denen die Zeit einfach so vergeht und man am Ende nicht weiß, was man eigentlich getan hat. (Ersetze „man“ mit „ich“). Diese Tage sind auch nicht zufriedenstellend. Ich arbeite den ganzen Tag, bin gestresst und weiß am Ende nicht genau warum. Das Ende der Woche war von Infektionen geprägt, also eher von den Konsequenzen daraus. Das Gesundheitsamt ist immer schlechter zu erreichen. Durch die Medien jagen die Zahlen. Am Freitag habe ich für die Schule bis zu den Herbstferien die Maskenpflicht wieder angeordnet. Freitag war noch Personalausflug, also erst nachts heimgekommen. 

Ich arbeite weiter an den Beurteilungen, außerdem an einer disziplinarischen Maßnahme.


Indirekt einem entfernt und indirekt bekannten Kollegen Denkhilfe gegeben bei der Entscheidung sich auf einen Schulleiterposten zu bewerben. Er hat sich schwer getan, habe ich gehört. Gut so, möchte ich sagen. Leicht sollte diese Entscheidung nicht fallen. Was ich über ihn und von ihm selbst gehört habe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er richtig auf seinem Posten ist.

Seltsamerweise, fällt mir grad auf, sage ich das sehr oft von anderen. Nie von mir.


Gründe dafür es zu bereuen, mich als Schulleiter beworben zu haben 06/10: Stress.

Dazu mal eine alberne kleine Geschichte:

An einem Tag, als die Wellen meiner Arbeit mal wieder über mir zusammenschwappten, flüchtete ich mich quasi auf Toilette, um meine Ruhe zu haben. Aus Alibigründen ließ ich die Hose runter und hockte mich hin. Atmete tief durch als ich über mir die bestimmte Stimme meiner Sekretärin hörte: Herr Kuban, BITTE SOFORT in das Sekretariat kommen.

Erst da merkte ich , dass direkt über der Schüssel ein Lautsprecher in die Decke eingelassen ist.

Dass es nichts Dringendes war, muss ich nicht erwähnen. Ich erzählte meiner Sekretärin davon und wir lachen heute noch ab und an drüber, wenn ich das Büro verlasse mit dem Hinweis, dass ich mal auf Toilette gehe – und nicht gestört werden möchte.

Ansonsten ist der Stress aber die Hölle. Und alle meine Maßnahmen gehen nur in die Richtung, mit diesem Stress umzugehen, damit er mich nicht umbringt.

Und ja, es geht besser von Jahr zu Jahr.

#wasmachteigentlichderchef 2021-10-19-20

Weiter in Dillingen. Wenig Bewegung. Gut gegessen gestern im VietHoa. Heute noch auf dem Rückweg noch mal lecker einkaufen, auf Empfehlung einer echten „Dillingerin“.

—-

Themen der Veranstaltung an zwei Tagen

  • Rollenklarheit und systemischer Wandel
  • Führen imTeam
  • Konkretes Beispiel für den Einsatz der erweiterten Schulleitung: SchiLf Koordination
  • Umgang mit Widerständen und Problemen

—-

Gründe dafür, es zu bereuen sich als Schulleiter beworben zu haben 07/10: Man wird nicht fertig

Ich habe es schon einmal geschrieben: Die Arbeit des Schulleiters endet niemals (selten) mit „Ich bin jetzt fertig.“ Oder wie es ein mir bekannter Kollege sagte: Du kommst mit 5 Aufgaben auf deiner Liste morgens zur Schule und am Abend hat deine Liste 10.

Eine Konsequenz daraus ist, dass das Ziel an keinem Tag sein kann, etwas fertig zu machen. Ich habe in meinem Kopf dazu das Mantra „Ich höre jetzt auf zu arbeiten und mache morgen weiter.“

Probleme (Herausforderungen) in diesem Zusammenhang sind:

  • Prioritäten bei den auflaufenden Aufgaben zu setzen
  • Projekte langfristig im Auge zu behalten, auch wenn dazu aktuell keine Aufgaben bearbeitet werden
  • Freizeit
  • Konzentration zu halten auf das Wesentliche und Wichtige
  • Geduld

Ich probiere Methoden aus, um diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Empfinde dabei als Beispiele die Eisenhower-Methode, den Brain-Dump, kleine Teile von GTD, Mindmapping, Bullet-Journaling in einzelnen Elementen, Meditation hilfreich. Und setze immer wieder auf externes Coaching.

Auf der Liste der weiteren Maßnahmen: Mehr alltägliche Bewegung, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, geregelte Abläufe.

Und damit leite ich über zu dem nächsten Grund, es zu bereuen sich als Schulleiter beworben zu haben 06/10: Meine Persönlichkeit und meine Fähigkeiten reichen nicht mehr aus, meinem Job gerecht zu werden. Und es könnte sein, dass dies auch nie der Fall sein wird.

Ja, ich arbeite daran.