2.12. früh

5 Uhr wachgeworden, nach 20 Minuten das Smartphone ins Bett geholt und darauf gewartet, dass er Tagespost von Herrn Buddenbohm auftaucht und ich vielleicht neue Blitzlichter aus Hamburg bekomme.

Das Posting, das kam, beschrieb aber genau die Situation der letzten Tage an meiner Schule: über 10% erkrankte, abwesende KollegInnen, ein Viertel der SchülerInnen erkrankt. In einer der 6. Klassen nur 8 SchülerInnen da, von fast 30. Wir fangen an, Klassen tageweise zusammenzulegen, um Ressourcen zu schonen.

Gestern vor Anbruch der Dunkelheit aus der Schule gekommen, fast zufrieden, fast euphorisch. Und das kam daher, dass ich Aufgaben der Giftliste erledigt habe. Dafür musste ich die Rechtsabteilung im KM anrufen, wo mir eine Mitarbeiterin, von der Stimme gefühlt 30 Jahre jünger als ich, sehr geduldig, fachkundig und tröstend half: Sie sind nicht der einzige Schulleiter mit dieser Problematik – Sie meinte nicht das Aufschieben von Aufgaben, sondern das Problem, was wir gelöst haben.

Nachmittags in den beiden Büchern von Enzensberger gelesen, die in der Paketbox lagen.

Der Anruf im KM war eine von 4 Kröten in dieser Woche, ich habe alle gemeistert. Freue mich aufs Wochenende, schlafen auf dem Land, ohne Ohropax. Lesen, essen – und so. Daher heute kein Fahrrad, auch weil Schnee angesagt ist.

Ort des Bloggens.

Sozialkunde – leicht gemacht 22: Menschenwürde

…und wer sie nicht schützt.

Einstieg bei mir: Ein Arbeitsblatt der BPB.de zum Thema Menschenwürde (Grundgesetz für Einsteiger), das die SchülerInnen letzte Woche in einer Vertretungsstunde ver- und bearbeitet haben.

Gespräch also darüber, was Menschenwürde ist. Schülerinnen bei mir tun sich schwer, diese zu bestimmen. Wenn man die Frage rumdreht, geht es eigentlich: Was muss passieren, dass einem Menschen die Würde genommen wird.

Dann Übergang zum Hörbuch – Ronen Steinke: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz. (Lesung von Axel Grube). Ich habe Kapitel VII. Elendskriminalität, 3. „Bettelei“: Das Comeback einer Kriminalisierung ausgesucht. Hörbar unter Spotify.

Drei Stufen der Besprechung / Erarbeitung unter dem Fokus „Menschenwürde“

  1. Paul Viktor M. – Sein Leben, menschenwürdig?
  2. Gerichtsverfahren, Auflistung seiner „Vergehen“ – menschenwürdig?
  3. Verurteilung – menschenwürdig?

Inklusive Besprechung morgen: Wer hat dem Angeklagten die Würde genommen? Wie kann man Paul Viktor M. zu einem menschenwürdigen Leben verhelfen?

Und man muss konstatieren, dass hier der Staat und seine Strafjustiz, entgegen den Grundlagen des Grundgesetzes, einzelnen Menschen die Würde nimmt. Nicht nur im Hinblick darauf, dass sie ein unwürdiges Leben akzeptieren – anderseits aber auch, dass sie Menschen dafür bestrafen, dass sie ein unwürdiges Leben führen müssen.

Ronen Steinke schlägt in seinem letzten Kapitel zu jedem seiner genannten Themen Lösungsvorschläge vor. Auch zum Thema Bettelei. Hier überrascht er nachvollziehbar mit einem Vergleich der Bettelei. Ab ca 19:54. (Letztes Kapitel im Hörbuch)

Das Hörbuch ist das beeindruckendste, was ich in letzter Zeit gehört habe. Inhalt und Sprachduktus von Axel Grube sind nachhallend. Das Kapitel „Bettelei“ist eins der letzten, direkt nach Prostitution und Hartz IV Betrug und vor „Drogen“.

Früh am Mittwoch

Nachts mindestens ein Mal wieder Notarzt- oder Polizeieinsatz im Viertel mit Licht und Lärm. Kalt in der Wohnung, weil noch niemand da war, um sich die Gastherme anzuschauen, die nicht so richtig will.

Wach seit 4:30 Uhr. Gedöst, Gedankengewirr erdrückt, Licht angemacht und Feedreader durchgegangen.

Interessante Art zu Bloggen gefunden via Buddenbohm.

Weiterhin keine nennenswerten eigenen Ideen zur Blogparade von Bob Blume. Überflogen: Herrn Rau und Herrn Klinge. Sehr beeindruckt aber vom Posting von der Freundin vom Herrn Hauptschulblues.

Ich hoffe es regnet draußen nicht, das Fahrrad steht nämlich schon bereit. Und meine Vorfreude auch.

Mal über meinen Schatten gesprungen (wahrscheinlich zu müde grad) und einen Krommer-Text überflogen: gute Gedanken zum Thema Kompetenz in der Schule, wünschte es gäbe zu solchen Texten ein Summary und weniger Brimborium – also alles wie immer.

Meine zwei Aufgaben für heute fokussiert: Unterrichtsbesuche und ein runder Tisch mit AnwohnerInnen am Nachmittag. Das muss reichen.

Wecker müsste gleich klingeln.

Schreibe hier mit dem Handy, weil ich meine Schultasche mit Geräten nach einem Abendtermin in der Schule gelassen habe. Geht auch.

Ort des Bloggens heute (nach dem Bett)

2022-11-20So

Gefunden auf Twitter vor längerer Zeit, jetzt mal eine Leseprobe gelesen und den alten Klassenkämpfer wieder rausgeholt, bzw. kam der von ganz allein. Dachte zunächst einen zu plakativen Titel vor mir zu haben, aber nach den wenigen Seiten nahezu empört.

Leseprobe Piper Verlag

Coolerweise auch noch das Hörbuch bei Spotify gefunden, passend, wenn ich nach Süden reise.

Ich reise morgen nach Tutzing am Starnberger See, also genauer zur Akademie für politische Bildung. Nach langen Jahren des Zögerns habe ich mich dort für eine Fortbildung beworben und es wurde mir gestattet.

Eine Woche lang vertieftes Befassen mit einem Thema. In diesem Fall der Nahe und Mittlere Osten.

Natürlich seit Wochen das Gedankenkarussell, ob ich mir das erlauben darf. Ob es mir zusteht. Ob es. Aber das tut es. Solange ich unterrichten muss oder darf, muss ich mich ja wohl auch fortbilden. Und ganz unter uns: dieser massive Overflow an Angeboten „digitaler Bildung“ steht mir auch langsam hier. Irgendwo muss doch auch Content her. Vielleicht bin auch der einzige, der weder das eine noch das andere in unbegrenzter Weise besitzt.

Mastodon weiterhin gut und besser. Allein die fehlende Werbung oder sonstige Zwischenschaltungen sind extremst beruhigend.

In den zwei naheliegenden Discountern arbeiten ehemalige Schüler von mir. Den einen habe ich länger nicht mehr getroffen, aber er hat mir erzählt, dass er nach Abschluss seiner Ausbildung dort ein duales Studium aufnehmen möchte. Ich hoffe doch sehr, dass er das Vorhaben aufgenommen hat. Der andere, den ich auch seltener sehe, weil ersterer Discounter etwas näher an meiner Wohnung liegt, erzählte beim letzten Besuch, dass er, wenn er noch Mal die Wahl hätte, auf keinen Fall in den Einzelhandel gehen würde. Ich meinte herauszuhören, dass ihn vor allem das Kundenklientel belastete. Und nun, der Markt liegt im Bannkreis eines Gymnasiums und von betreuten sozialen Wohneinrichtungen für Jugendliche, die ein bisschen aus dem Raster gefallen sind. Dass die JVA in Sichtweite ist, mag unerheblich sein in Bezug auf die Kundschaft.

Der Adventsmarkt im Viertel hat aufgemacht. Der Glühwein wurde gekostet, als nächstes kommt dann das Glühbier dran aus der kiezeigenen Brauerei.

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Nachdem ich mich die letzten zwei Wochen nicht unerheblich belastet fühlte, wurde es am Wochenende besser. Habe jetzt umgeschaltet auf die „Ein-Ding-pro-Tag“-Methode: Also pro Tag wirklich nur eine Aufgabe vornehmen, statt zu versuchen alles im Blick zu halten und alles an einem Tag erledigen zu wollen (wie auch immer man auf eine solche bescheuerte Idee kommen mag).

Habe zu Beginn des Schuljahres mal eine Mindmap angelegt mit allen Aspekten, an die ich zu Beginn des Schuljahres denken muss – ich muss die Punkte nicht alle selbst erledigen, aber mindestens mit jemandem sprechen oder eine Email schreiben und dann in der Regel dran erinnern – wie man mich ja auch erinnern muss.

Mein Erleben des Schuljahres ist in der Mindmap ablesbar, es hat sich seit Beginn nicht verändert.