Deutsch schnell gemacht 3 – Interpretieren, bei Herrn Rau geklaut und erweitert. Oder: Der Haifisch hat immer noch Zähne.

(Bild: Rita Gäbel  / pixelio.de)

Im Blog von Herrn Rau stieß ich auf einen Beitrag, der sich um das Thema „Interpretieren – was ist das?“ drehte. Um seinen Ansatz zu vermitteln, verglich er das Interpretieren eines Gedichts mit der Interpretation von Liedern – am Beispiel von „I’m on fire“ von Bruce Springsteen. Seinem Vorschlag folgend versuchte ich das vor einem Jahr mal mit einer lyrikfernen Klasse, um ihnen ansatzweise eine Ahnung zu geben, dass interpretieren nicht nur heißt, den Inhalt eines Gedichts wiederzugeben oder die Reime zu zählen.

Die Suche nach den verschiedenen Coverversionen von „I’m on fire“ war schon interessant genug und man konnte damals mit den Schülern z.B. auch darüber reden, was schlechte Interpretationen sind, bzw. Deutungen, die am Text vorbeigehen.

In diesem Jahr fiel mir das wieder ein, aber konkret im Zusammenhang mit der Behandlung von Bert Brecht. Hier lag es nahe, mal bei Mr. Youtube nach den verschiedenen Bearbeitungen von „Mackie Messer“ zu suchen, um sie später per iPad – 😉 – im Unterricht zu präsentieren.

Die Bandbreite der entsprechenden Videos kann der geneigte Leser betrachten, wenn er unten auf Read On klickt.

Kurz ein paar Notizen.

Die Erarbeitung der Ausgangsfrage  erfolgte schrittweise

– Mackie Messer als Text ausgeben und in einer ersten Erarbeitung den Inhalt beschreiben lassen

– erste Äußerungen über ein inneres Kino zulassen, in denen dargestellt wird, welche inneren Bilder bei diesem Gedicht auftauchen

– Vgl. der Ergebnisse mit der Fassung von 1929 (Ernst Busch)/ alternativ mit einer reinen Hörfassung, im Plenum, Aspekte dabei

  • Welche Mittel werden zur Darstellung eingesetzt?
  • Welche Wirkung haben diese?
  • Stimmung getroffen?
  • Vgl. mit dem inneren Kino
  • abschließende Bewertung

– im weiteren Verlauf kann der Schüler andere Fassungen selbst finden und entsprechend erarbeiten und seine Ergebnisse präsentieren

– Ziele dabei sind m.E.

  • zu erkennen, dass Interpretieren heißt, vom Text ausgehend das Werk mit Bedeutung aufzuladen
  • zu sehen, dass sich der Dichter „schon was dabei gedacht hat“, aber den letzten Sinn oder die Wirkung seiner Arbeitsergebnisse nur ansatzweise antizipieren oder mitbestimmen kann
  • zu vermuten, dass der Dichter dies auch weiß
  • zu verstehen, dass der Rezipient zwingend zum Werk und seinem Verständnis dazu gehört, und damit auch seine Vorstellungen und seine Leseweise
  • zu merken, dass man eben nicht „bei einem Gedicht interpretieren kann, was man will“, sondern dass u.a. der Text die Grenzen vorgibt und
  • es damit gute und schlechte Interpretationen gibt
  • zu entdecken, dass innerhalb dieser Grenzen aber eine Menge möglich ist, ohne das Werk an sich zu verfälschen
  • zu beschreiben, wie Form und Inhalt zueinander stehen (vgl. auch hier unten Max Raabe „Zuhälterballade“)

Bei meiner Suche bin ich noch auf zwei andere Brecht-Songs gestoßen, die in diesem Zusammenhang lohnenswert schienen:

der Alabama-Song – hier in einer Version von Marilyn Manson (gibts auch von den „Doors“, David Bowie u.a.)

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
http://www.youtube.com/watch?v=54xl8u6LUaA

die Zuhälterballade – hier in der Version von Max Raabe

http://www.youtube.com/watch?v=_W18kf6V1PA

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Unterricht leicht gemacht – was soll das?

Lange suche ich schon meinen „Ton“ innerhalb des Blogs. Dies betrifft nicht nur die Sprache, in der ich mich äußern will, sondern auch die Inhalte. Nach den ersten Monaten nun scheint sich zumindestens die Reihe „Unterricht – leicht gemacht“ heraus zu kristallisieren. Daher einige Worte dazu.

In den betreffenden Artikeln will ich zu allererst einfach Ideen darstellen, die ich in meiner Unterrichtsvorbereitung entwickle. Nicht alle Ideen setze ich auch im Unterricht um, manchmal verwerfe ich sie, auch wenn sie sich theoretisch gut ansehen. Andere Beiträge sind wirklich nur Idee, d.h. ich finde Material, habe eine Idee, weiß aber nicht genau, worauf sie hinführen soll. Hier hoffe ich dann natürlich auf Rückmeldung.

Allen Ideen gemein ist aber oder soll sein, dass sie

  • in weniger als 15 Minuten entwickelt sind (ich kann danach unterrichten, kann es aber auch erweitern, wenn ich möchte)
  • von einfachem Material ausgehen, welches ich in der Regel im Internet finde
  • in der Lebenswelt der Schüler angesiedelt sind, bzw. einen Bezug dazu finden*
  • die Selbsttätigkeit der Schüler anregen soll
  • offen formuliert sind, damit niemand meint, hier Handlungsanweisungen/Stundenmuster zu bekommen
  • fachliches Wissen voraussetzen oder erwarten, dass man sich den selbständig beschafft.

Wie gesagt: hoffentlich kann jemand da draußen was damit anfangen. Und: dieser Ansatz ist ja nicht ganz neu, viele Lehrer-Blogs, die ich lese, beinhalten solche Artikel – was bei mir oft fehlt, wird eine ausführliche Reflektion sein, denn ich formuliere die Idee hier in der Regel vor der Ausführung, also quasi identisch mit meiner Unterrichtsvorbereitung.** Da die Formulierungen der Ideen so offen sind, ist meiner Meinung nach eine Reflektion aus meinem Unterricht wenig hilfreich. Wenn etwas auffällig ist, auch auffällig schief gelaufen, werde ich es notieren – sonst nicht.

Natürlich bereite ich mehr Unterricht in der Woche vor, aber ein Großteil davon sind die sogenannten „Brot- und Butter-Stunden“. Meine Ideen hier schätze ich besser ein – im Sinne von origineller. Und seltsamerweise habe ich gemerkt, dass diese Stunden wirklich durchdachter werden, wenn ich den Ansatz hier veröffentliche.

 

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* Lebenswelt muss nach meinem Empfinden nicht gleichbedeutend sein mit Erfahrungswelt; als Beispiel: die Situation im Kongo heute (Thema Globalisierung in SK oder Entkolonialisierung in G) ist außerhalb der Erfahrungswelt, wird aber immer wieder durch die Nachrichten in die Lebenswelt der Schüler geholt
** Mit dieser Bemerkung erübrigt sich dann auch die Frage, wie ich hier so viel Zeit haben kann, solche Artikel zu schreiben. Im Prinzip ist es ein Aufwasch, den ich betreibe.

Merkt man eigentlich den Mühsam?

Merkt man eigentlich, dass ich grad Erich Mühsam lese – Biografie und Lesebuch?

Bin seltsamerweise durch Schüler drauf gekommen. Hatte für die 10 ein Web-Quest gebastelt zum Thema „Jürgen Fuchs“ – dieser stand als letzter in der Reihe „Dichter als Staatsfeinde“: Heine, Brecht und Fuchs. Dabei verwies ich auf ein Youtube-Video, welches ein Lied von Pannach/Kunert beinhaltete: „Fluche, Seele, Fluche“.

httpv://www.youtube.com/watch?v=Tq-P59kaBS4

Den Begleittext zu diesem Lied habe ich nur grob überflogen, aber ein Schüler wies in dem Portfolio, welches er abzugeben hatte, darauf hin, dass der Text sich an ein Gedicht von Erich Mühsam anlehnte.

Wueste Krater Wolken 121

Nach der Lektüre war wieder klar, dass man hier mal ein wenig weiterlesen müsste.

Und heute fragte ich mich, warum sich eigentlich so viele Schriftsteller nicht in Lesebüchern wiederfinden. Und ich spreche von bayerischen Lesebüchern, erstmal.

Untervertreten sind, auch wenn sie aus Bayern kommen oder zumindestens hier mal gelebt haben, spontan:

  • Oskar Maria Graf
  • Leonhard Frank
  • Erich Mühsam
  • Gerhard Polt

Untervertreten, weil oftmals lediglich in harmlosen Texten. Und im Unterricht höre ich auch nichts von ihnen. Wo bleibt da die Leitkultur?

Dabei sind sie schon schön aufbereitet.

2000 Stunden – Ankündigung eines Lehrerblogs

httpv://www.youtube.com/watch?v=J-RzzWVmm78

Charles Ripley hat einen Blog angefangen. Interessanterweise ist er Englisch Lehrer in den USA und denkt darüber nach seinen Job hinzuwerfen, weil er keine Lust mehr auf die Diskussionen um überbezahlte Lehrer hat – u.a.

Interessant das Ganze, weil es einen Einblick in amerikanische Lehrer“verhältnisse“ gibt – und nicht nur das, denn der erste Eintrag in seinem Blog hat schon über 20 Kommentare erzeugt, die u.a. aus Russland, England, Frankreich und eben Deutschland kommen. Und bitter scheint man sich zu fragen, warum überall der Lehrer der Dumme ist.

Charles Ripley will nun die 2000 Stunden seiner Arbeit im nächsten Jahr dokumentieren. Ich hoffe, er hält durch. Ich warte gespannt auf seine Artikel.

Sozialkunde – leicht gemacht 10

Eigentlich wollte ich einen Artikel schreiben zum Thema „Meine schönsten Fehler im Unterricht“, wie er von Martin Kurz schon angerissen wurde – aber das muss ich mal verschieben, auch wenn eigentlich dieser Beitrag hier durchaus aus demselben Problemkreis heraus entsteht.

Rahmen:

Letzte Woche besuchte uns unserer zuständige Wahlkreisabgeordnete für den Bundestag, weil sie auf der letzten Berlinfahrt der Abschlussklassen terminlich nicht greifbar war. Das Gespräch mit den zehnten Klassen drehte sich dabei u.a. auch um den Beruf des Politikers und seinen Arbeitsaufwand. Ich hoffe mal, dass sie gecheckt haben, dass das doch kein so einfacher Job ist, wie man sich das allgemeinhin so vorstellt.

Nunja, die Zehnten stehen kurz vor der Abschlussprüfung, d.h. ich habe für meinen Unterricht die Wahl, Dinge durchzunehmen, die eventuell relevant für die AP Deutsch sind – sie also so zu motivieren – oder, naja, mich durchzuquälen. Oftmals aber sind sie derzeit so durch den Wind, dass ich kaum wirklich etwas vorbereite, sondern versuche mich durch die Tagespolitik zu retten.

Kurz: Im Sinne von Martin meine Unterricht schlecht vorbereite.

Eine solche schlechte Vorbereitung traf ich nun. Die Idee kam morgens am Frühstückstisch, die Arbeitsaufträge formulierte ich morgens vor der ersten Stunde. Und im Endeffekt finde ich diese Idee aber ziemlich genial. Schlecht ist diese Vorbereitung natürlich auch, weil ich mich nach Bekanntgabe der Aufträge einfach vorn ans Pult gesetzt und sie habe machen lassen. Und sie machten alle.

  1. Sucht euch einen Namen für eure zu gründende Partei.
  2. Wählt: Wahlkampfmanager (eventuell 2), Parteivorsitzenden, 
    Kanzlerkandidaten, Programmator (eventuell 2).
  3. Diskutiert und legt fest
    • ein Programm, das eure Ziele enthält zu den Themen Bildung,
      Atompolitik und Jugend/Familie
    • drei kurze Slogans für Wahlplakate
  4. Aufgaben zur Präsentation
    • der Wahlkampfmanager kümmert sich um ein Wahlplakat
    • der Parteivorsitzende stellt in einer kurzen Rede die Ziele aus
      dem Programm vor (2 Minuten)
    • der Kanzlerkandidat sagt, warum man ihn zum Kanzler
      wählen sollte (2 Minuten)
    • der Programmator fasst das Programm schriftlich zusammen

Der Zeitaufwand dafür war auf zwei Stunden festgelegt. Eine Klasse hatte eine Vertretungsstunde und ich habe bei denen dann diese Stunde zur Verfügung gestellt für die Arbeit und so kamen sie auf weitere Ideen, wie der Wahlkampf und die Plakate zu gestalten sind, dass es eine wahre Freude war. Sie saßen dann mit selbstgebastelten Fähnchen im Klassenzimmer oder verteilten kleine Visitenkarten mit Slogans. Da ich hier mehr Zeit hatte, nahm ich dann die Reden auf  Video auf.

Im Anhang hier unten findet ihr einige Wahlplakate zur Auswahl – sie stammen aus einer Klasse, die anderen werden erst in der nächsten Woche fertig. Die Videos würde ich natürlich gern zeigen, aber aus naheliegenden Gründen geht das natürlich nicht.

Ich habe das Projekt noch nicht ganz abgeschlossen, weil ich mir natürlich noch eine Reflektionsphase gönnen will. Im Sinne guten Unterrichts also die Lernziele erst hinterher ausdenke. Folgende Problematisierungen will ich aufwerfen – anreißen zumindestens:

  • Wie können politische Ziele auf einem Wahlplakat sinnvoll, informativ und greifbar formuliert werden / BZW: Wo liegen eben die Schwierigkeiten?
  • Liegt eventuell die Ursache für die „Politikersprache“ auch in den Medien begründet, die selten wirklich Zeit und Raum bieten für ausführliche Darstellungen von Zielen, Problemen und Diskussionen? (Loriot-Sketch…da gabs doch mal was? Talkrunde im Fernsehen, muss sich mal nachschauen)
  • Wie schwer ist es, seine politischen Vorstellungen zu vermitteln? Und zwar einem breiten Publikum?
  • Wie kann ich die Jugend erreichen mit komplexen Zusammenhängen der politischen Probleme?
  • Wie verändert ein Medienauftritt eventuell die Person und/oder die politische Message?

Sehr große Ziele, aber ins Gespräch kommen darüber kann man wohl schon.